Friedhof Große Hamburger Straße

Der alte, von 1672 bis 1827 genutzte jüdische Friedhof war der Begräbnisplatz der 50 Familien von Wiener Schutzjuden, die 1671 nach Berlin kamen und vor dem Spandauer Tor angesiedelt wurden. Damals, 1671, konstituierte sich nach langer Unterbrechung erneut eine jüdische Gemeinde in Berlin. Bei seiner Schließung hatte der Friedhof 2767 Grabstätten, darunter die Gräber von so bedeutenden Persönlichkeiten des Berliner Judentums wie Moses Mendelssohn (1729-1786), Veitel Heine Ephraim (1703-1775), dem Münz- und Silberkaufmann Daniel Itzig (1725-1799) und seinem Sohn Isaac Daniel Itzig (1750-1806), dem Arzt und Philosophen Marcus Herz (1747-1803) oder Jacob Herz Beer (1769-1825), dem Vater von Giacomo Meyerbeer. Seit 1844 befand sich vor dem Friedhof das erste jüdische Altersheim, links daneben die Knabenvolksschule. Beide Gebäude wurden 1942 als »Judenlager« der Gestapo in ein Gefängnis mit Gittern und Scheinwerfern umgewandelt. 1943 verwüsteten SS-Leute, ebenfalls auf Befehl der Gestapo, den alten jüdischen Friedhof: Sie schändeten die ausgegrabenen Gebeine der Toten und hoben Splittergräben aus, die mit zertrümmerten Grabsteinen abgestützt wurden. Im April 1945 diente das Areal als Massengrab für gefallene Soldaten und im Bombenhagel getötete Zivilisten. In den siebziger Jahren beseitigte das Ost-Berliner Stadtgartenamt die übrig gebliebenen jüdischen Grabsteine und die für die Bombenopfer aufgestellten Holzkreuze. Zur Erinnerung an die tragischen Geschehnisse blieben ein symbolisches Grabmal für Moses Mendelssohn und ein Sarkophag aus zerstörten Grabsteinen. Vermutlich 3000 Kriegopfer – davon sind etwa 2000 namentlich bekannt – ruhen nun neben geschätzten 3000 hier bestatteten jüdischen Verstorbenen.

»Straße der Toleranz und des Todes« könnte die Große Hamburger Straße genannt werden. Einträchtig beieinander liegen hier die jüdischen Orte, das katholische St. Hedwigs-Hospital und der berühmte Friedhof der protestantischen Sophienkirche, wo die Karschin, Zelter und Ranke begraben sind. Wie durch ein Wunder blieb trotz der angeordneten Tilgung aller jüdischen Inschriften und Symbole über dem Portal des Hauses Große Hamburger Straße 27 die Inschrift »Knabenschule der Jüdischen Gemeinde« mit Skulpturenschmuck erhalten. Die Luftverschmutzung hat Tränenspuren über das Gesicht der Torbogenfigur gezogen. Die Schule wird seit August 1993 wieder von der jüdischen Gemeinde als ein allen offen stehendes jüdisches Gymnasium und als Realschule genutzt. Im Sommer 2000 haben dort die ersten Abiturienten die Hochschulreife erlangt. Ihr Vorläufer war die jüdische Freyschule, die auf Initiative von Moses Mendelssohn 1778 durch David Friedländer, Isaac Daniel Itzig und Hartwig Wessely, finanziell unterstützt von Daniel Itzig, ins Leben gerufen worden war und 48 Jahre lang bestanden hatte. Die Knabenschule hatte ihr Domizil zunächst in der Rosenstraße 12. 1863 zog sie in die Große Hamburger Straße um, wo 1905/06 nach Entwürfen des Gemeindebaumeisters Johann Hoeniger das noch jetzt existierende Schulgebäude errichtet wurde. Am 11. März 1942 ließ das Reichssicherheitshauptamt die Schule räumen, am 30. Juni desselben Jahres wurde sie endgültig geschlossen und gemeinsam mit dem benachbarten Altersheim von der Gestapo als Sammellager für die zur Deportation bestimmten Berliner Juden zweckentfremdet. Von hier aus wurden mehr als 55 000 Juden in die Vernichtungslager des Ostens deportiert. Anstelle einer 1909 von Ludwig Marcuse geschaffenen Büste Moses Mendelssohns, die im Vorgarten stand und 1941 von SA-Leuten zerstört worden ist, wurden 1983 an der Fassade auf Anregung des unvergessenen Berliner Feuilletonisten der einstigen Wochenpost, Heinz Knobloch, ein Porträtrelief von Moses Mendelssohn und eine Tafel mit dem Mendelssohn-Wort »Nach Wahrheit forschen, Schönheit lieben, Gutes wollen, das Beste tun« angebracht, ausgeführt durch den
Bildhauer Gerhard Thieme. Auf dem Nachbargrundstück hatte das jüdische Altersheim im Jahre 1844 – der alte Friedhof war bereits lange geschlossen – einen Neubau erhalten, der bis zur erzwungenen Schließung 1942 ein begehrter Wohnsitz vieler älterer Gemeindemitglieder war. Für diejenigen, die den Holocaust in Berlin überlebten, war die Große Hamburger Straße bis zur Wiedereröffnung der erwähnten jüdischen Schule im Jahre 1993 einzig Synonym für den Abtransport in den Tod. Das Gebäude des einstigen Altersheims wurde 1945 in den letzten Kriegstagen zerstört. Eine Gedenktafel erinnert an das Unfassbare. 1985 wurde eine eindrucksvolle Figurengruppe von Will Lammert aufgestellt, die ursprünglich (1957) für die Gedenkstätte Ravensbrück vorgesehen worden war.

Quelle: "Jüdische Orte in Berlin", Andreas Nachama/Ulrich Eckhardt
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Friedhof Große Hamburger Straße

Große Hamburger Str. 26
10117 Berlin
Tel.: (0 30) 88 02 8 - 0
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Fr 7:30 - 14:30

So 8:00 – 16:00

Schabbat (Samstag) und Feiertag

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