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Zwischen Erfolg und Ausgrenzung
29.Mai 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Potsdamer Sporthistoriker erinnern mit einer Ausstellung an das Schicksal jüdischer Sportler
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 erreichte die Welle des Antisemitismus auch das Sportleben. In einem Wettlauf um die Gunst der neuen Machthaber begannen viele Turn- und Sportvereine sich gleichzuschalten. Nachdem auch die Deutsche Turnerschaft im April 1933 ohne jede rechtliche Grundlage eine »Vollarisierung« beschlossen hatte, scheuten viele andere Sportorganisationen nicht mehr vor dem Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder zurück. Auch die erfolgreichen Leichtathletinnen Lilli Henoch, Martha Jacob und Gretel Bergmann hatten unter den Repressionen zu leiden. Ihr Schicksal steht im Zentrum der Ausstellung »Vergessene Rekorde – Jüdische Leichathletinnen vor und nach 1933.«
»Wir sind froh, dass wir das Jüdische Museum und das Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg als Kooperationspartner gewinnen konnten«, sagt Projektleiter Hans Joachim Teichler, Professor für Zeitgeschichte des Sports an der Universität Potsdam. Finanziell gefördert wird die Schau, die Teil des offiziellen Kulturprogramms der Leichtathletik-Weltmeisterschaft ist, von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und dem BOC. Wertvolle Unterstützung erhalten die Kuratorinnen auch vom Centrum Judaicum in Berlin, in dessen Räumen die Ausstellung vom 21. Juni bis zum 23. August präsentiert wird. Zahlreiche Fotos und Dokumente, aber auch spektakuläre Objekte wie eine originale Hochsprunganlage der Olympischen Spiele von 1936 bieten den Besuchern eine ansprechende Mischung aus Hintergrundinformationen und visuellem Erleben. Die Siege der drei Sportlerinnen, die durch die Terrorherrschaft des NS-Regimes für Jahrzehnte aus dem kollektiven Gedächtnis des deutschen Sports gelöscht wurden, spiegeln die Blütezeit des jüdischen Sports in Deutschland in den 1920er und den frühen 1930er Jahren.
Die allgemeine Begeisterung für den Sport zog in der Weimarer Zeit auch die Frauen in ihren Bann. Sie erprobten fast alle Sportarten und setzten in der Leichtathletik seit 1928 ihre Beteiligung an den Olympischen Spielen durch. So versuchte sich die Allrounderin Martha Jacob in Hockey, Handball und diversen leichtathletischen Disziplinen. Ebenso wie Martha Jacob war die Mehrzahl der jüdischen Athleten Mitglied in »allgemeinen« Turn- und Sportvereinen, nur eine Minderheit organisierte sich in rein jüdischen Vereinen.
Die erfolgreichste deutsche Leichtathletin der 1920er Jahre war die 1899 geborene Lilli Henoch. Insgesamt zehn deutsche Meisterschaftstitel und fünf Weltrekorde konnte die Ausnahmeathletin erringen. Im Januar 1933 wurde sie Vorsitzende der Damenabteilung des renommierten Berliner Sport-Clubs. Nur wenige Monate später strich ihr Club sie von der Mitgliederliste.
»Uns ist es wichtig in der Ausstellung das Gesamtbild zu zeigen: Ausgrenzung und Verfolgung nach 1933, aber auch die Integration und Erfolge der jüdischen Sportler in der Weimarer Zeit, gerade um den Zivilisationsbruch deutlich zu machen«, erklärt Hans Joachim Teichler, der die Ausstellung mit seinen Mitarbeitern Dr. Jutta Braun und Berno Bahro aus einem studentischen Projekt heraus entwickelt hat.
Viele Vereine, auch der SC Charlottenburg und der Berliner Sport-Club, hatten bereits im April 1933 Arierparagraphen eingeführt. Die Existenz jüdischer Vereine und Verbände wurde vom NS-Staat vorerst aber weiter geduldet – aus Rücksicht auf die bevorstehenden Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Schikanen, lokale Übergriffe und die Verweigerung der Sportstättennutzung erschwerten jedoch den Wettkampfbetrieb erheblich. Manche Länder, darunter die USA, drohten mit einem Boykott der Spiele. Das Organisationskomitee reagierte mit dem Versprechen, die deutschen Juden gleichzubehandeln und nominierte die im Ausland lebenden »Halbjuden« Rudi Ball (Eishockey) und Helene Mayer (Fechten) sowie die »volljüdische« Hochspringerin Gretel Bergmann für das Olympiateam. Obwohl die Führung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wusste, dass Hitler den Start von Juden in der deutschen Mannschaft kategorisch ablehnte, ließ es sich durch diese Maßnahmen beschwichtigen. Vierzehn Tage vor den Spielen wurde Gretel Bergmann aus der Mannschaft geworfen. »Das perfide am Fall Bergmann ist, dass ihr Ausschluss erst erfolgte, als die Gefahr eines Boykotts entgültig gebannt war, nämlich einen Tag, nachdem sich die US-Olympiamannschaft auf den Weg nach Berlin gemacht hatte«, erklärt Jutta Braun, die sich mit der Lebensgeschichte Bergmanns intensiv befasst hat. Unmittelbar nach den Spielen erfolgten die entscheidenden Weichenstellungen für den Krieg und die Judenverfolgung wurde intensiviert. Mit der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 endete der jüdische Sport in Deutschland. Martha Jacob war zu diesem Zeitpunkt bereits nach Südafrika emigriert. Desillusioniert verließ auch Gretel Bergmann im Frühjahr 1937 Deutschland in Richtung USA: »Der NS-Staat hat mich um eine olympische Medaille betrogen«, sagt die heute 95-Jährige rückblickend. Lilli Henoch blieb trotz wachsender Repressalien bei ihrer Mutter in Berlin. Am 5.September 1942 wurde sie deportiert und wenig später in der Nähe von Riga ermordet. Jahrzehntelang interessierten sich in Deutschland weder der organisierte Sport noch die Öffentlichkeit für die Lebenswege der Athletinnen und das ihnen zugefügte Unrecht. Erst seit den späten 1980er Jahren setzte ein öffentlich sichtbares Gedenken ein. Seit 1993 erinnert eine Straße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg an Lilli Henoch. Die betroffenen Verbände und Vereine des bundesdeutschen Sports brauchten noch länger, um sich der Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit zu stellen. Auf Initiative ihres ehemaligen Vereins TSV Laupheim erhielt Gretel Bergmann Ende der 1990er den Georg von Opel-Preis als »Unvergessene Meisterin«. Der SCC Charlottenburg erinnert seit 2006 mit einer Gedenktafel an seine jüdischen Mitglieder.
Michael Barsuhn
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