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Zivilcourage zum »Anklicken«
01.Dezember 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Ausstellung
Eine neue Ausstellung ehrt die »Stillen Helden« der NS-Zeit
Im Oktober wurde in der Rosenthaler Straße 39 (in deren Hinterhaus sich bereits das Museum »Blindenwerkstatt Otto Weidt« mit der Ausstellung »Blindes Vertrauen« und das Anne-Frank-Zentrum befinden) eine kleine Dauerausstellung eröffnet, die an jene Menschen erinnert, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten Juden geholfen haben. Die Ausstellung beleuchtet die Motive der Frauen und Männer, gibt Beispiel für geglückte und misslungene Rettungsaktionen und macht deutlich, dass es sehr wohl Möglichkeiten gegeben hat, auch in einem Terrorregime wie dem Dritten Reich menschlich zu handeln und zu helfen. Diese reichten von spontanen Gesten bis zu geplanten Gruppenaktionen – von der Lebensmittelkarte, dem Nachtquartier oder der ärztlichen Behandlung trotz Verbots bis zum Organisieren eines illegalen Grenzübertritts über ein ganzes Netzwerk von Helfern.
Basierend auf Forschungsergebnissen des Zentrums für Antisemitismusforschung hat die Gedenkstätte Deutscher Widerstand die Ausstellung gestaltet. Von den bislang namentlich bekannten 3000 Helfern und ihren Schützlingen (in ganz Deutschland soll es etwa 20 000 »stille« Helfer gegeben haben) zeigt sie exemplarisch die Geschichten von 248 Menschen. In näherer Zukunft soll die Gedenkstätte (die bisher circa eineinhalb Millionen Euro vom Bund und dem Land Berlin erhalten hat) auch Beispiele aus anderen europäischen Ländern aufnehmen. Derzeit jedenfalls laden acht Computerarbeitsplätze dazu ein, die Datenbank mit den bereits erfassten Helfern und Verfolgten, ihren Biografien, Fotos, Kontaktpersonen und Wohnorten zu durchstöbern. Einführend werden an einem großen flachen Tisch mit einem Touchscreen die historischen Umstände erläutert und über »U-Boote« und Gesetze aufgeklärt. Das Kernstück aber sind ein Dutzend Stelen, die mit Bildschirmen und Kopfhörern ausgestattet sind. Hier werden die Geschichten von einzelnen Rettern und Geretteten genau erzählt. An der Rückseite der Stelen sind die wenigen, rührenden Überbleibsel der Protagonisten zu sehen – hier ein Koffer, eine Puppe, da ein Radio, ein Postausweis... Viele der Helfer wurden nie geehrt und blieben ihr Leben lang »stille Helden« – so wie Cioma Schönhaus, selbst Jude, der in einer illegalen Werkstatt in Moabit Pässe für Verfolgte fälschte und mit Hilfe anderer Kommunisten ins Ausland fliehen konnte, während diese gefasst und ermordet wurden. Oder Luise Nicke, die die Berliner Jüdin Alice Löwenthal versteckt, aber nichts dagegen tun konnte, dass deren kleine Töchter denunziert und ermordet wurden. Es sind Menschen aus allen Gesellschaftsschichten: Heinrich und Marie List, einfache Bauern, die promovierte Tierärztin Maria Gräfin von Maltzan, das Quäker-Ehepaar Eva und Carl Hermann, die Pfarrersfrau Agnes Wendland, die Ärztin Greta Schellwort, der deutschnationale Fabrikant Gerd Ramm oder die Lumpensammlerin Marie Burde, die unsere Gemeindemitglieder Rolf und Alfred Joseph versteckt hat. Es wurde höchste Zeit, dass nun auch dieser Menschen gedacht wird. Der Ausstellung ist ihr Vorhaben eindrucksvoll gelungen. Die spartanisch gehaltenen Räume zwingen fast dazu, sich auf die hier erzählten Einzelgeschichten genauer einzulassen. Der beinahe ausschließliche Einsatz von Multimedia-Technik anstelle herkömmlicher Ausstellungstafeln dürfte vor allem junge Leute anziehen. Zivilcourage zum Hören, Sehen, Anklicken, Anfassen. Vielleicht wirken die Beispiele so nachhaltiger. Judith Kessler
_Gedenkstätte Stille Helden
Rosenthaler Straße 39,
10178 Berlin
täglich von 10 bis 20 Uhr.
Eintritt frei
jüdisches berlin
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