Beitragssuche
Ziel ist die lebendige Gemeinde
30.März 2009 | Redaktioneller Beitrag | Gemeinde
Ein Beitrag des Finanzdezernenten, Dr. Jochen Palenker
In den letzten Wochen hat es sehr intensive Diskussionen darum gegeben, ob die Jüdische Gemeinde zu Berlin auch Grundstücke und Gebäude mit langer jüdischer Geschichte verkaufen dürfe. Um die Gemeindemitglieder aus erster Hand zu informieren, schreibe ich diese Zeilen. Zunächst ist es wichtig, die Lage der Gemeinde im Jahr 2009 zu kennen, denn bekanntermaßen ist Geld zwar nicht alles, ohne Geld aber alles nichts.
Die Ausgangslage – ernst, aber nicht hoffnungslos
Die Gemeinde hat – das muss leider festgehalten werden – bisher über ihre Verhältnisse gelebt. Per 31.12.2007 ist der Bilanzverlust der letzten Jahre auf nunmehr 17,2 Millionen € angewachsen und das, obwohl in dieser Zeit auch Erbschaften und die Rückübertragungen von Grundstücken stattgefunden haben! Erschwerend kommt hinzu: Es ist versäumt worden, die Häuser im Besitz der Gemeinde, so wie es sich gehört, zu pflegen und zu modernisieren. Dadurch haben z.B. Mietshäuser mit ihren Einnahmen zum Einkommen der Gemeinde beigetragen, ohne sie aber mit notwendigen Investitionen zukunftssicher zu machen. Aber auch an den von der Gemeinde selbst genutzten Objekten hat der „Zahn der Zeit“ genagt.
Auch wenn das letzte Jahr schon erste erfreuliche Erfolge hinsichtlich von Einsparungen z.B. im Sachkostenbereich gebracht hat, ist das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts noch weit und die Erosion des Gemeindevermögens noch nicht vorbei. Die Gemeinde steckt also in dem Dilemma, sich entweder von einigen derzeit nicht von der Gemeinde genutzten Gebäuden zu trennen, um mit den Einnahmen daraus zu investieren, oder aber langfristig schmerzhafte Einschnitte in das jüdische Gemeindeleben vorzunehmen. Investiert werden muss dringend in den Wohnungsbestand, um langfristig die Einnahmesituation der Gemeinde zu verbessern und um die von der Gemeinde genutzten Gebäude langfristig zu sichern. Jedem von uns ist die Situation des Vorderhauses in der Joachimsthaler Straße ein lebendiges Beispiel dafür, wie nötig Investitionen sind um eine anschließende Nutzung durch die Gemeinde bzw. die Einnahme von Mieten möglich zu machen. Doch ohne Grundstücksverkäufe ist das dafür nötige Geld nicht da.
Welche Art von Gebäuden könnte für den Verkauf in Frage kommen
An zwei Beispielen kann man die Probleme des Verkaufs von Gebäuden mit jüdischer Geschichte illustrieren: Das ehemalige Säuglingsheim in Niederschönhausen ist seit vielen Jahren an eine renommierte Stiftung vermietet, die sich um krebskranke Kinder – auch um jüdische Kinder – und deren Eltern kümmert. Der Mietvertrag läuft 2010 aus und die Stiftung hat Sponsoren, die in das Objekt investieren möchten, allerdings nur, wenn das Areal der Stiftung auch gehört. Deshalb möchte die Stiftung den Mietvertrag nicht verlängern und das Gebäude entweder kaufen oder 2010 ausziehen. Ein Nutzungskonzept für die Gemeinde selbst gibt es ob der dezentralen Lage nicht, ein neuer Mieter für diese Spezialimmobilie wird – gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage – nur sehr schwer zu finden sein. Das heißt: Hier drohen der Gemeinde zukünftig Kosten statt der bisherigen Einnahmen. Der Vorstand hat sich deshalb nach eingehenden Beratungen entschieden, der Repräsentanz den Verkauf vorzuschlagen, u.a. auch deswegen, weil die weitere Nutzung der Immobilie durch die Stiftung höchsten moralischen Ansprüchen genügt.
Ein anderes Beispiel ist das Gebäude in der Schönhauser Allee 22 direkt neben dem jüdischen Friedhof. Auf diesem Friedhof liegen einige meiner Vorfahren und Verwandten, so dass ein möglicher Verkauf des Gebäudes – natürlich nicht des Friedhofes – für mich ein extrem schmerzhafter Vorgang wäre. Aber man muss den Tatsachen ins Auge schauen: Für eine Nutzung durch die Gemeinde ist eine umfangreiche Sanierung notwendig, für die das Geld definitiv nicht da ist und vor allem auch nicht in Sicht ist.
Was hätten unsere Vorfahren gewollt? - Jüdisches Leben zum Blühen zu bringen
Ganz persönlich habe ich mir die Frage gestellt, was meine Vorfahren, die auf dem Friedhof in der Schönhauser Allee ihre letzte Ruhe gefunden haben, gewollt hätten. Ohne sie persönlich gekannt zu haben, bin ich mir sicher: Sie hätten die aktive Gestaltung jüdischen Lebens und die Herstellung der wirtschaftlichen Zukunft jüdischen Lebens in Berlin den Vorzug vor einem Denkmalschutzverein gegeben. Ich bin froh, dass der gesamte Vorstand es genauso sieht.
Ihr
Dr. Jochen Palenker
Finanzdezernent
jüdisches berlin
2012_24 Alle Ausgaben
- Dezember 2024
- November 2024
- Oktober 2024
- September 2024
- Juni 2024
- Mai 2024
- April 2024
- März 2024
- Februar 2024
- Januar 2024
- Dezember 2023
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- September 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Januar 2018
- März 2021
- Februar 2021
- Mai 2020
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- September 2020
- Oktober 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- September 2019
- November 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Dezember 2018
- Januar 2019
- Mai 2015
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2015
- März 2015
- März 2018
- Februar 2017
- Februar 2018
- fileadmin/redaktion/jb197_okt2017.pdf
- September 2017
- Juni 2017
- April 2017
- November 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2017
- Dezember 2015
- November 2015
- September 2015
- Juni 2015
- Oktober 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Januar 2022
- Oktober 2014
- September 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012