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Wer ist Jude?
01.Juni 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Religion
Aus unserer Reihe »Fragen an den Rabbiner« Jitshak Ehrenberg
Ein jüdischer Mensch zu sein berührt verschiedene Aspekte wie Volkszugehörigkeit, Kultur, Religion oder ethnischen Ursprung. Es stellt sich daher die Frage, ob es halachisch verschiedene Antworten auf die Frage, wer Jude ist, gibt.
In der ehemaligen Sowjetunion wurden Juden gemäß Staatsräson nach »Nationalitätskriterien« als jüdisch klassifiziert, in Nazideutschland wurden sie aufgrund von »Rasse- und Blutkriterien« verfolgt und ermordet. Die jüdische Gemeinschaft aber muss zur Beantwortung der Frage der Halacha und der jüdischen Tradition folgen. Das berührt u.a. Brit Mila, Bar Mizwa, Hochzeit und Gemeindemitgliedschaft und im G‘ttesdienst die Frage: Wer zählt zum Minjan, wer kann zur Tora aufgerufen werden usw. (auf die Religionszugehörigkeit zum Judentum durch den halachisch korrekten Übertritt soll hier nicht eingegangen werden.)
Es ist eindeutige Halacha, wie Maimonides in seinem Werk Mischne Tora schreibt, dass sich die Religionszugehörigkeit des Kindes nach der Mutter richtet (Keduscha, Hilchot Issurej Bi‘ah Kap. 16, Halacha 4; vgl. Schulchan Aruch, Ewen Haeser, Hilchot Ischut Kap. 8, Halacha 5). Diese Halacha basiert auf dem Talmud: »R. Jochanan sagte im Namen des R. Schimon bar Jochai: …Dein Sohn von einer Israelitin heißt dein Sohn, dein Sohn von einer Nichtjüdin heißt nicht dein Sohn, sondern ihr Sohn« (Kidduschin 68b). Diese Halacha begründet R. Jochanan mit dem Schriftvers: »Du sollst dich nicht mit ihnen verheiraten: deine Tochter sollst du nicht seinem Sohn geben, und seine Tochter sollst du nicht für deinen Sohn nehmen; denn sie würden deinen Sohn von mir abwendig machen« (Dwarim 7:3-4).
Dass wir uns bei der Frage, wer Jude ist, allein auf die Tora stützen, liegt daran, dass wir »mit vollkommenem Glauben glauben, dass die ganze Tora, die sich nun in unseren Händen befindet, Mosche Rabbenu vom Ewigen gegeben wurde« (13 Glaubenssätze des Maimonides). Dies bedeutet: die Tora ist vom Himmel, Mosche hat sie nicht erdacht, sondern jedes Wort, jeder Buchstabe, alle Gebote sind vom Ewigen.
Maimonides schreibt in seiner Einleitung zu Mischne Tora: »Alle Gebote, die Mosche am Sinai gegeben wurden, erhielt er einschließlich ihrer Erklärungen, wie geschrieben steht: ›Und ich werde dir die steinernen Tafeln geben, die Tora und die Mizwa‹ (Schmot 24:12). Die ›Tora‹ ist die schriftliche Tora und die ›Mizwa‹ ist die Erläuterung zu ihr – und es ist uns geboten, die ›Tora‹ gemäß der ›Mizwa‹, d.h. der mündlichen Tora zu erfüllen.« (Maimonides zählt 40 Generationen namentlich genannter Rabbinen, die die mündliche Tora von Mosche Rabbenu bis Raw Aschi, der den Talmud abschloss, weitergaben.)
Die schriftliche Tora ist eine Kurzfassung. Alle Einzelheiten der Gebote aber, und wie sie zu erfüllen sind, lehrte der Ewige Mosche mündlich. So müssen Tefillin aus schwarzem Leder eines koscheren Tieres gefertigt sein und vier in Quadratschrift geschriebene Schriftabschnitte enthalten. In der Tora heißt es nur: »Und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen zu Totafot zwischen deinen Augen sein« (Dwarim 6:8). Die Details erhielt Mosche mündlich und gab sie an Jehoschua bin Nun weiter. Dieser überlieferte sie den Ältesten usw. Es war verboten, die mündliche Tora niederzuschreiben, bis Jehuda Hanassi kam und sie aufschrieb, damit sie nicht vergessen werde.
Die mündliche Tora hat sich nicht neu entwickelt, sondern wurde von Generation zu Generation, von Mosche Rabbenu an, überliefert. Auch die Halacha, dass sich die Religionszugehörigkeit nach der Mutter richtet, wurde Mosche bereits am Sinai gegeben und blieb seitdem unverändert. Die Familienabstammung richtet sich nach dem Vater. Ist er Kohen oder Levi, sind es seine Kinder ebenfalls. Die Religionszugehörigkeit aber richtet sich nach der Mutter. Ist die Mutter jüdisch, sind auch die Kinder jüdisch. Diese Halacha besteht seit jeher und hat sich zu keinem Zeitpunkt verändert.
Rabbiner Jitshak Ehrenberg
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