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Wenn »Ruvi« die Schule besucht

01.März 2020 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Jugend, Gesellschaft

Den 28. Januar 2020 werden wohl die meisten Schüler*innen des Jüdischen Gymnasiums so schnell nicht wieder vergessen. Das liegt weniger an den ungewohnt strengen Sicherheitsmaßnahmen im Umfeld der Schule, sondern vielmehr an den beiden Besuchern, die diese Maßnahmen notwendig machten: Der israelische Präsident Reuven Rivlin und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatten sich zum Gespräch mit Schüler*innen angemeldet.
Empfangen wurden die beiden Präsidenten, die bereits in Yad Vashem und in der Gedenkstätte Auschwitz gemeinsam an den Gedenkfeiern zum 75. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers teilgenommen hatten, vom Gemeindevorsitzenden Dr. Gideon Joffe, Schulleiter Dr. Aaron Eckstaedt sowie der Gesamtelternvertreterin und dem Schüler*innensprecher. Im Innenhof begrüßte der Chor der Klassen 5 und 6 die beiden Präsidenten und ihre Gefolgschaft, bevor diese sich in die Aula begaben, wo sie von 60 Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe bereits erwartet wurden. Man wollte ins Gespräch kommen und auf der Seite der Schüler*innen hofften einige, dass man auch über politische Themen, wie Klimaschutz oder den Iran, würde reden können.
Die erwartungsvolle, angespannte Stimmung wurde schnell gelockert, als sich Präsident Rivlin mit den Worten vorstellte: »Ich bin Reuven Rivlin und mein Spitzname ist Ruvi«.
Die vielen Fragen, die die Schüler*innen im Vorfeld vorbereitet hatten, konnten in der Kürze der Zeit nicht alle besprochen werden, aber man kam schnell ins Gespräch darüber, wie die Schoa an deutschen Schulen behandelt werden sollte, was man wirklich gegen Antisemitismus tun könne und müsse.
Eine Schülerin berichtete, dass sie auch deshalb an das Jüdische Gymnasium gewechselt sei, weil sie an ihrer alten Schule wegen ihrer schwarzen Hautfarbe selbst von einer Lehrerin hören musste, dass sie tot wäre, wenn Hitler noch leben würde. Rivlin reagierte schockiert: »Du bist ein Mensch!«. Die kurze Antwort der Schülerin: »Das verstehen die nicht!«
Wie diese Schülerin finden immer mehr Jugendlichen, jüdisch oder nicht, den Weg in die gymnasiale Oberstufe des Jüdischen Gymnasiums. Allein im laufenden Schuljahr kamen 20 neue Schüler*innen im 11. Jahrgang hinzu. Dass es hier keinen Rassismus gibt, fasst eine von ihnen so zusammen: »Wer selber diskriminiert wird, hat keine Zeit, andere zu diskriminieren!«
Eine Schülerin, die sich zusammen mit einigen Mitschüler*innen in der Initiative »Likrat« engagiert, berichtete, dass sie bei ihren Besuchen an anderen Schulen immer wieder die Erfahrung mache, dass viele jungen Menschen gar nicht wüssten, dass es hier Juden und Jüdinnen gebe und diese ein Teenagerleben wie andere leben wollten.
Steinmeier ist überzeugt, dass Informationen allein eben nicht ausreichten: »Information muss kombiniert werden mit Erfahrung«. Rivlin betonte ebenfalls, dass junge Menschen Israel, die Gedenkstätte Yad Vashem oder andere KZ-Gedenkstätten besuchten sollten.
Dem konnten die Jugendlichen nur zustimmen, denn bei ihnen gehört es zum Curriculum, dass der 8. Jahrgang für zwei Wochen nach Israel reist und dass die drei 10. Klassen die Gedenkstätte Auschwitz besuchen.
Dass das Gespräch nicht immer nur um solch ernste Themen kreiste, dafür sorgten die vielen Fragen, die Präsident Rivlin an die Schüler*innen hatte: Ob ein Junge seine Bar Mizwa gemacht habe, ob ein anderer, der sein Hebräisch verbessern will, denn schon auf Hebräisch fluchen könne. Hebräisch sei eigentlich eine einfache Sprache. »Würde ich nicht sagen«, hielt ihm ein Schüler entgegen, der diese Sprache seit der siebten Klasse am Jüdischen Gymnasium lernt.
In seinem Abschlussstatement betonte Bundespräsident Steinmeier, wie bereichernd er das Gespräch mit den Jugendlichen empfand und Präsident Rivlin drückte seine Bewunderung für die Offenheit der jugendlichen Gesprächspartner*innen aus.

Wenn »Ruvi« die Schule besucht