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Waren die Makkabäer Fundamentalisten?
01.Dezember 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Oder: Was bedeutet der Aufstand vor mehr als 2000 Jahren für das heutige Judentum?
Chanukka ist das Fest der Wiedereinweihung. Ab dem 25. Tag des jüdischen Monats Kislew, der in diesem Jahr auf den 22. Dezember fällt, feiern Juden acht Tage lang die Erinnerung an einen Aufstand vor mehr als 2000 Jahren. Im Jahr 164 vor unserer Zeit besiegten jüdische Rebellen unter ihrem Führer Jehuda Makkabi die damaligen Besatzer ihres Landes und weihten den jüdischen Tempel in Jerusalem neu.
Die Gegner der siegreichen Makkabäer waren die Seleukiden, eine griechisch-syrische Dynastie, die im 2. Jahrhundert v.u.Z. den Nahen Osten beherrschte. Erzählt wird ihre Geschichte in den beiden Makkabäerbüchern. Sie sind in Griechisch überliefert und gehören zum katholischen Kanon der Bibel. In den Heiligen Schriften der Juden sind sie nicht enthalten. Die Geschichte: Im zweiten Jahrhundert vor der Zeitrechnung regierte der Seleukidenkönig Antiochus der Vierte in Palästina. Im Jahr 167 vor unserer Zeit erließ er provokative Dekrete gegen die jüdische Religion. Schon lange hatte es Spannungen gegeben zwischen national gesinnten Juden und einer hellenisierten jüdischen Oberschicht. Doch als Antiochus so weit ging, den Tempel in Jerusalem zu entweihen, indem er ein Bild des griechischen Gottes Zeus aufstellen ließ, erreichte der Kulturkampf seinen Höhepunkt. Die Aufständischen eroberten das Heiligtum zurück und warfen das Götzenbild aus dem Tempel.
Der Kulturkampf war gewonnen. Diverse Schlachten gegen die seleukidischen Truppen mussten aber noch geschlagen werden. Schließlich setzten sich die Makkabäer durch und regierten das Land als Könige und Hohepriester – manchmal in einer Person. Doch nur fast hundert Jahre später, 63 v.u.Z., war es mit ihrer Herrschaft vorbei. Die Makkabäer oder Hasmonäer, wie man ihre Dynastie auch nannte, mussten sich dem Römischen Reich beugen. Im Jahr 70 unserer Zeit zerstörten die Römer nach einem weiteren jüdischen Aufstand den Tempel von Jerusalem. Doch Rebellion und Herrschaft der Makkabäer wirkten lange nach. Michael Krupp, Dozent für rabbinische Literatur und frühes Christentum an der Hebräischen Universität Jerusalem, sagt über die Errungenschaften der Rebellen: »Die größte historische Leistung der Makkabäer ist, dass sie auf die Fundamente des Judentums nicht verzichtet haben. Ich weiß nicht, ob es einen Staat Israel wieder gegeben hätte, hätte es nicht vorher ein Beispiel in der Geschichte gegeben, aus einem Nichts einen jüdischen Staat zu schaffen.« Von einigen modernen Kritikern wird den Makkabäern allerdings große Brutalität vorgeworfen – namentlich bei den Feldzügen, als sie fremde Städte eroberten und ihrem Reich einverleibten. Der Name Makkabi kommt übrigens wohl vom aramäischen Wort »Makkaba« für »Hammer«. Der Religionswissenschaftler und Ägyptologe Jan Assmann berurteilt die Kampfhandlungen der Makkabäer kritisch: »Sie haben auf der einen Seite einen Widerstandskrieg gegen Antiochus den Vierten geführt, und das ist selbstverständlich ein Verteidigungskrieg. Aber damit nicht genug, sie haben auch einen Bürgerkrieg gegen die eigenen Leute angezettelt und offensichtlich Städte, die die hellenistische Kultur angenommen haben, erobert und ausgelöscht. Das behaupten sie jedenfalls.« Michael Krupp kann allerdings nicht feststellen, dass die Makkabäer sich anders verhalten hätten als ihre Kriegsgegner: »Die Hasmonäer waren nicht brutaler als andere, aber es stimmt, sie waren genauso brutal.« Assmann aber wirft den Makkabäern vor, sie seien die ersten Fundamentalisten der Geschichte gewesen. »Wenn man sich fragt, wann in der Geschichte zum ersten Mal Menschen im Namen der Religion getötet haben, dann kommt man auf die Makkabäer. Diese 160er Jahre vor der Zeitrechnung sind die Geburtstunde des Martyriums, der Martyrologie, des religiös motivierten Tötens. Wenn man für Gott stirbt und das Martyrium erleidet, geht man unmittelbar ins Paradies ein. Und das ist genau das Syndrom, das wir heute bei den islamischen Fundamentalisten wiederfinden.« Der Talmud-Experte Michael Krupp widerspricht dieser Argumention allerdings scharf: »Der Begriff Fundamentalismus ist sehr schwer anzuwenden auf eine alte Zeit. Denn Fundamentalismus würde ja bedeuten, dass sie die Bibel wörtlich genommen haben, und das wissen wir von den Makkabäern nicht. Gut, sie waren Juden, sie waren bereit, ihr Leben zu lassen für die Bewahrung der jüdischen Gebote. Das ist aber kein Fundamentalismus.« Dani Schwartz, Professor für Jüdische Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, ist sogar der Meinung, die Makkabäer seien nicht einmal besonders religiös gewesen, sondern primär an ihrer Macht interessiert: »Mein Eindruck von den Hasmonäern stammt hauptsächlich aus dem ersten Buch der Makkabäer. Es ist ein Propagandabuch, und es soll vor allem den Herrschaftsanspruch der Makkabäer rechtfertigen. Wir finden dort keine Gebete zu Gott, er tut keine Wunder, niemand erwartet Prophezeiungen. Soviel zum Fundamentalismus!« Schon Theodor Herzl, der Gründer der zionististischen Bewegung, hat die Symbolkraft von Chanukka für ein neues nationales Judentum erkannt. In Israel gelten die Makkabäer bis heute als leuchtende Vorbilder – in der Armee und im Sport. Die Fußballer von Makkabi Tel Aviv machen sich allerdings wenig Gedanken darüber, ob sie die Makkabäer nun für Helden oder Fundamentalisten halten. Jüdische Ex-tremisten dagegen, wie die »Gläubigen des Dritten Tempels« oder Siedler in den besetzten Gebieten, wollen die Makkabäer ideologisch für ihre Zwecke vereinnahmen und einen Staat errichten, der nur auf den Gesetzen der Halacha fußt. Dani Schwartz betont allerdings, dass die Juden immer vom kulturellen Austausch mit anderen Völkern profitiert hätten: »Der Begriff des Judentums entstand durch die Begegnung der Juden mit dem Hellenismus. Vorher gab es Juden, aber es gab nicht wirklich ein Judentum. Dieses Bewusstsein, dass man etwas ist, weil man einer Religion anhängt, und nicht nur, weil man als Kind von bestimmten Eltern geboren wird – das haben die Juden von den Griechen. Und auch eine generelle Neigung, den Dingen auf den Grund zu gehen.« Bei allen Auseinandersetzungen über die Makkabäer bleibt die Bedeutung ihres Aufstandes unumstritten. Dani Schwartz fasst zusammen: »Die Hasmonäer haben es geschafft, einen jüdischen Staat zu etablieren. Dieser Staat war groß genug, damit andere Juden sich damit auseinandersetzen konnten. So entstanden Parteien und Sekten. Zum Beispiel die Sekte vom Toten Meer, die als Oppositionsgruppe gegen die Makkabäer entstand. Diese Sekte entwickelte ein Eigenleben und leistete ihren eigenen Beitrag zur Entstehung des Christentums und der westlichen Zivilisation.« Und Michael Krupp sagt: »Das Judentum war damals in einem Zustand, dass es sich mehr oder weniger im Hellenismus auflöste. Und dagegen haben sich die Makkabäer gesträubt. Sie haben das Judentum im Grunde genommen bis auf den heutigen Tag gerettet. Wir können also den Makkabäern wirklich dankbar sein.«
Ayala Goldmann
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