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Wahr gewordener Traum

04.April 2011 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Jugend

Das Berliner Jugendzentrum »Olam« hat die Jewrovision zum zweiten Mal in Folge gewonnen

Sie waren einfach die Besten. Das Berliner Jugendzentrum »Olam« hat die Jewrovision 2011 hoch verdient gewonnen und damit den Pokal verteidigt, den die »Olam«-Truppe im Vorjahr in Köln geholt hatte – der erste Doppelsieg in der zehnjährigen Geschichte des jüdischen Gesangs- und Musikwettbewerbs. Mit ihrer Version des Hits »It‘s raining men« von Paul Jabara und Paul Shaffer, einer ausgezeichneten Bühnenpräsenz und den Sängern Sharon und Joseph (beide 15) an der Spitze konnte »Olam« am 26. Februar in der Arena Treptow vor 1200 Fans und vor Vertretern von 13 Gemeindejugendzentren von Bremen bis Stuttgart punkten, die das Wochenende schon mit einem gemeinsamen Kabbalat Schabbat in der Mensa Nord (inklusive koscherem Catering des Limmud-trainierten Avi Toubiana), Gottesdienst und Sightseeing begonnen hatten und vom Berliner Jugendzentrum »Olam« mit dessen Leiterin Xenia Fuchs betreut wurden.

Nun in der Arena traten sie unter dem Motto »Lass Deine Träume wahr werden« gegeneinander an, talentiert anmoderiert von Eyal Levinsky und Benjamin Fischer, und es dauerte weit bis nach Mitternacht, bis die Gewinner feststanden. Sharon hatte den Sieg schon im Vorfeld geahnt. »Weil wir einfach sehr viele Leute haben auf der Bühne, eine tolle Kulisse und viele Kostüme, alles funkelt«, sagte sie bei den Proben: Berlin sei einfach »ein Fünkchen besser« als die Gruppen der anderen Jugendzentren.

Dass Berlin wieder den Pokal abräumte, ist tatsächlich kein Wunder: In den meisten Städten gibt es keine jüdische Infrastruktur, die sich mit der von Berlin vergleichen lässt. Viele Jugendliche, die am vergangenen Samstag für »Olam« auf der Bühne standen, gehen auf die Jüdische Oberschule, ihre jüdische Identität ist gefestigter als die von Gleichaltrigen in den meisten anderen Städten. Sharon ist schon zum sechsten Mal bei der Jewrovision dabei, und Joseph hat sogar eine eigene Band: »In meiner Freizeit singe ich sehr gerne, ich spiele auch verschiedene Musikinstrumente… Geige … Jetzt spiele ich Gitarre, und Gesang dazu, das gefällt mir«, sagte er bei den Proben.

Kommt dazu, dass der 21-jährige Trainer Mike Delberg – der seit Jahren Tanzsport betreibt, ein richtiges Casting veranstaltet hat und seine Berliner seit Monaten trainiert – ein Meister darin ist, Euphorie, Siegessicherheit und das richtige Gruppengefühl zu vermitteln. »Wir haben unsere jüdischen Freunde und unseren jüdischen Backround, der hinter uns steht. Das Jugendzentrum, unsere Eltern und unsere Familien. Darum geht es meiner Meinung nach im Judentum – um dieses Familiäre, dieses Gemeinsame«, sagte er.

Auch wenn dieser Geist sicherlich auch in anderen Jugendzentren verbreitet ist – für die zwölf konkurrierenden Städte war es schwierig, mitzuhalten. Eine Jury mit jüdischen Prominenten aus der Musik- und Filmbranche – Alice Brauner, Palina Rojinski, Maya Saban, Susan Sideropoulos, Brandon Stone und Dave Turov – verteilte Punkte. Und jedes Mal ging die höchste Bewertung, 14 Siegpunkte, nach Berlin. Auch bei den Jurys der Roschim und Chanichim setzte sich »Olam« durch. Das Jugendzentrum »Neshama« aus München wurde mit einem wunderschönen Bühnenbild Zweiter, »Amichai« aus Frankfurt am Main mit einer beeindruckenden Lichtshow Dritter. Aber auch die Teams von Recklinghausen über Düsseldorf und Duisburg bis Karlsruhe waren großartig, wie die Jurys befanden. Auch sie erkannten natürlich, dass die Chancen zwischen großen und kleinen Jugendzentren in Bezug auf die Ausstattung und Qualität unterschiedlich verteilt sind und dass Auftritte von Fast-Profis mit denen von Fast-Kindern schwer zu vergleichen sind. Spaß hatten dennoch alle und die Enttäuschung bei den weiter hinten Platzierten und ihren Fans war spätestens bei der After-Show-Party vergessen.

Fotos: Judith KesslerFotos: Judith KesslerFotos: Judith KesslerFotos: Judith KesslerFotos: Judith KesslerFotos: Judith KesslerFotos: Judith Kessler

Für die Organisation der Jewrovision sind die unterschiedlichen Startbedingungen der Jugendzentren ein großes Problem. Darüber muss nachgedacht werden – sonst gewinnen die Berliner in Zukunft womöglich jede Jewrovision. Zu bedenken ist auch der Veranstaltungsort. Reichte beim letzten Mal noch das Gemeindehaus und war diesmal die Arena Treptow akustisch nicht ganz optimal, so kannte Mike Delbergs Euphorie im Moment des Sieges keine Grenzen: Im nächsten Jahr, flachste er, könne die Jewrovision doch in der O2-Arena oder im Olympiastadion stattfinden.

Allerdings gibt es in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin auch Stimmen, die trotz allem Siegesstolz nicht nur hell begeistert sind über den Doppelsieg – denn er bedeutet, dass Berlin auch im kommenden Jahr die Jewrovision ausrichten muss. Für das inzwischen größte jüdische Ereignis Deutschlands (beim ersten Mal waren noch sechs Jugendzentren mit 120 Teilnehmern in Sobernheim am Start gewesen) haben sich neben dem Jewrovision-Erfinder, der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, zwar auch zahlreiche Sponsoren gefunden, dennoch musste die finanziell angeschlagene Berliner Jüdische Gemeinde noch 40 000 Euro dazugeben. Und sie sucht schon jetzt Sponsoren fürs nächste Jahr. Denn für die jüdischen Jugendlichen ist der Wettbewerb seit Jahren Kult und eine einmalige Gelegenheit – nicht nur zum Musikmachen, sondern auch, um alte Freunde zu treffen und neue Freunde zu finden. Und selbst wenn manch Erwachsener sich hinter vorgehaltener Hand etwas abschätzig über die freizügigen Dekolletés und Outfits einiger junger Frauen äußerte, gönnen doch alle der Jugend ihre große Party. Wie Sharon sagt: »Ich kenne keine einzige Person, die sagt, meine Eltern mögen das gar nicht, dass ich mitmache. Es wird schon darauf geachtet, dass man nicht zu viel mit dem Hintern wackelt und nicht zu viel Haut zeigt.«

Ayala Goldmann/JUK

_Hier könnt ihr Euch den Beitrag zur Jewrovision aus der rbb-Sensung "Himmel und Erde" vom 5.3.2011 anschauen. Zum Beitrag