Beitragssuche

Datum / Zeitraum:
Beitragsart:
Kategorie:

Von Generation zu Generation …

04.April 2025 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage

Gedanken zu Pessach 2025 von Gemeinderabbinerin Gesa Ederberg

Letztes Jahr zu Pessach haben wir eine Zusammenstellung von Texten aus der »Zion-Haggada«, mit vielen Bezügen zum Massaker des 7. Oktober ins Deutsche übersetzt. Dass diese Texte ein Jahr später immer noch aktuell sind und die Geiseln immer noch nicht alle befreit sind, hätten wir uns im schlimmsten Albtraum nicht vorstellen können.

Wie können wir die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten feiern, wenn immer noch Menschen von der Hamas als Geiseln gehalten werden?

Die einzig mögliche Antwort ist: Wir können und müssen Pessach feiern, weil das jüdische Volk immer Pessach gefeiert hat, egal, ob wir in Freiheit oder in der einen oder anderen Form von Unterdrückung gelebt haben.

Einer der zentralen Texte der Haggada sagt: »We-hi sche-amda la-awotejnu we-lanu…«: Das ist es, was unsere Vorfahren und uns erhalten hat: Dass nicht nur einmal jemand gegen uns aufgestanden ist, um uns zu vernichten, sondern dass es diesen Versuch in jeder Generation wieder gibt, aber »Der Heilige, Gott sei gepriesen, rettet uns aus ihrer Hand.«

Diese Worte, mit der wunderschönen Melodie von Chava Alberstein, haben jüdische Studierende in den USA bei Mahnwachen für die Geiseln gesungen. Auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, als Israel wegen Genozid verurteilt werden sollte, sangen jüdische Demonstranten diesen Text.

In einer meiner Lieblingshaggadot gibt es dazu eine Illustration des israelischen Karikaturisten Michel Kichka. Er stellt die beständigen Versuche, unser Volk zu zerstören, als Angriff eines ewigen Mobs dar. Er zeichnet die Figuren von Pharao, christlichen Kreuzfahrern und Inquisitoren, zaristischen Mörderbanden und anderen, angeführt von einem Nazi-Offizier. Nach den Anschlägen vom 7. Oktober fügte Kichka ein neues und doch erschreckend vertrautes Bild hinzu – die radikalislamistischen Terroristen der Hamas.

Wie kann man jeden jüdischen Feiertag erklären?, fragt ein bekannter Witz: »Sie wollten uns umbringen, wir haben überlebt, lasst uns essen!« Das trifft natürlich gerade auf Pessach zu – und die besonderen Gerichte zu Pessach, gemäß der eigenen Familientradition, sind ein wesentlicher Bestandteil der Freude. Und das »sie wollten uns umbringen», »be-chol dor wa-dor«, von Generation zu Generation, in seiner ganzen schrecklichen Gegenwärtigkeit, wird in der Haggada ausführlich besprochen.

Aber es gibt auch eine Gegenbewegung zu dieser Erinnerung an die Kette der Gewalt: Denn heißt es auch »be-chol dor wa-dor« von Generation zu Generation ist jeder Jude, jede Jüdin verpflichtet, sich so in die Geschichte von Pessach hineinzuversetzen, als ob sie selbst aus Ägypten befreit worden wären. Das sieht in jeder Familie und in jedem Jahr wieder anders aus. Zwei Beispiele dieser Aktualisierung aus den Kibbuzim im OtefAza:

Die von der von der Hamas so brutal überfallenen Kibbuzim im Süden Israels wurden oft von Gruppen gegründet, die sich mit einer gemeinsamen Weltanschauung zusammengetan haben. Und sowohl in Nir Oz als auch in Beeri haben schon die Gründer und Gründerinnen eine eigene Haggada geschrieben, in der sie die alten Traditionen im jungen Staat Israel neu interpretieren.

Eine Illustration von Paul Kor am Ende der Haggada des Kibbuz Beeri verbindet Vergangenheit und Gegenwart, in dem er Einwanderer von den Pyramiden des alten Ägypten, illegale Flüchtlingsschiffe aus dem von den Nazis verwüsteten Europa und den Turm von Babel als Symbol der zionistischen Jugendbewegungen aus dem Irak ineinander verwob. Aus diesen drei Richtungen kommen Menschen zusammen, um dann gemeinsam als Chaluzim, als Pioniere, den Kibbuz zu bauen.

Avner Goren schreibt in der 1996 neu verfassten Haggada des Kibbuz Nir Oz: »Lasst uns unser Glas erheben auf unsere Rückkehr in die Weiten unseres Landes, auf einen Kibbuz versammelter Verbannter, feiert die Verschmelzung der Kulturen und heißt alle herzlich willkommen, die sich versammeln und mit uns leben.« Er war der Sohn eines der Gründer des Kibbuz und wurde am 7. Oktober gemeinsam mit seiner Frau Maya ermordet.

Es ist unsere Aufgabe, zu erinnern und gleichzeitig mit jedem Pessach neue schöne Erinnerungen für uns und vor allem unsere Kinder zu schaffen, die unser Judentum mit Freude füllen. Mögen die Geiseln zurückkehren, sodass weniger Plätze an den Sedertischen der Familien leer bleiben werden!

Von Generation zu Generation …