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»Vieles ist im Aufbruch«
01.Dezember 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Jugend
Oberstudiendirektorin Barbara Witting, Leiterin der Jüdischen Oberschule, über Zukunftspläne für ihre Schule
Die Schullandschaft Berlins ist im Auf- und Umbruch. Zwei Schlagworte stehen im Mittelpunkt: Konjunkturpaket II und Sekundarschule. Der Schwerpunkt des Konjunkturpaketes II liegt in der Förderung der Bildungsinfrastruktur. Die Bundesregierung stellt 6,5 Milliarden Euro bereit: Die Kommunen können damit Kindergärten, Schulen oder Hochschulen sanieren und ausbauen. Berlin erhält 474 Millionen Euro für Investitionen vom Bund und erbringt selbst einen Eigenanteil von 158 Millionen Euro, so dass der Berliner Bildungslandschaft kurzfristig insgesamt 632 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die vorrangig für die energetische Sanierung bzw. Qualifizierung eingesetzt werden sollen.
Inwieweit sind die Berichte über das Konjunkturpaket II für die Jüdische Oberschule relevant?
Witting: In der Jüdischen Oberschule und der Bauabteilung der Jüdischen Gemeinde wurde in der ersten Hälfte des Jahres intensiv über Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, die nach mehr als 15 Jahren Schulbetrieb zwingend notwendig erschienen, und vor allem deren terminliche Einbindung in den Schulbetrieb, gesprochen. Dazu kamen dann die kurzfristig vom Staat freigegebenen Mittel aus eben diesem Konjunkturpaket. Ohne diese Mittel wäre es lediglich bei der baulichen
Zusammenlegung von zwei kleinen Fachräumen zu einem normal großen Klassenraum und einigen Renovierungsmaßnahmen geblieben. Auf Grund der zusätzlichen Mittel, die von der Jüdischen Gemeinde als Schulträger beim Senat beantragt werden mussten, konnten aber weitere Maßnahmen vor allem im Bereich Energieeinsparung ergriffen werden. Das bedeutet in unserem Falle die Sanierung von Fenstern, Dach und Fassade unter eben diesem Gesichtspunkt. Der größte Teil der Baumaßnahmen erfolgte schon in den Sommerferien. In den Herbstferien wurden die Bauarbeiten mit der Fertigstellung der Sanierung der Aula sowie dem Einbau eines neuen Heizkessels abgeschlossen.
Im kommenden Schuljahr stehen weit reichende Veränderungen in der Schulstruktur des Landes Berlin an. Eltern blicken beunruhigt in die Tageszeitungen, in denen auch von Schulschließungen die Rede ist.
Witting: Von Schulschließungen kann sicher nur in Folge der Umstrukturierung des Mittelstufenbereichs die Rede sein, denn die neue Schulform der Sekundarschule, die ab dem Schuljahr 2011/12 verbindlich eingeführt wird, fasst Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammen, so dass es ab dem Schuljahr 2015/16 nur noch zwei weiterführende Oberschulformen, die Sekundarschule und das Gymnasium, in Berlin geben wird. Zurzeit besuchen Berlins Schüler 54 Hauptschulen, 62 Realschulen und 47 Gesamtschulen, aus denen insgesamt 130 Sekundarschulen entstehen sollen. Daraus ergibt sich also rein rechnerisch auch die Schließung von einigen Schulstandorten.
Jonas Fegert, Schüler der 13. Klasse, übergibt der Schulleiterin das Buch mit Erinnerungen von Ester Golan, einer Schoa-Überlebenden, die er im Rahmen eines Geschichtsprojekts in Israel interviewt hat. Foto: H. Cornelius
Was bedeutet das für die Jüdische Oberschule, die unter ihrem Dach neben dem Gymnasium mit grundständigem Zweig auch einen Realschulzweig beherbergt?
Witting: Zur Zeit besuchen 420 Schüler unsere Schule, davon 76 die vier Klassen im Realschulzweig. Für diese Schüler wird sich durch die Schulreform nichts ändern, denn diese sieht einen Bestandsschutz vor, so dass die Realschule erst nach und nach ausläuft. Und damit bin ich schon beim entscheidenden Punkt: Eine Sekundarschule muss von der Struktur her eine mehrzügige Ganztagsschule sein. Die JOS verfügt aber weder über die räumlichen noch über die personellen Gegebenheiten. Die Schulreform wurde natürlich in allen Gremien der Schule diskutiert und letztlich hat die Schulkonferenz dem Schulträger bereits am Ende des letzten Schuljahres empfohlen, zu prüfen, ob die Eröffnung einer eigenständigen Sekundarschule in Trägerschaft der JGzB an einem anderen Standort als der Großen Hamburger Straße realisierbar ist. Dazu finden
bereits Sondierungsgespräche im Schulausschuss statt.
Bisher gab es an der JOS die Möglichkeit, nach einem erfolgreichen Mittelschulabschluss von der Realschule in den Aufbauzweig des Gymnasiums zu wechseln. Steht den Realschülern bzw. den späteren Sekundarschülern dieser Bildungsweg an der JOS weiterhin offen?
Witting: Grundsätzlich sieht die Schulreform ein Abitur nach zwölf Jahren vor, was für die Absolventen unserer Realschule und den späteren Sekundarschulen bedeutet, dass sie bei einem Notendurchschnitt von 2,0 oder besser sofort in die gymnasiale Oberstufe wechseln und innerhalb der folgenden zwei Jahre Abitur machen können. Realschüler mit einem Durchschnitt bis 3,0 besuchen eine so genannte Aufbauklasse und wechseln erst danach in die zweijährige Qualifizierungsphase zum Abitur, machen also erst nach drei Jahren Abitur. Die JOS hat einen Antrag auf Einrichtung einer solchen Aufbauklasse bei der Senatschulverwaltung gestellt, der zur Zeit noch geprüft wird. Sollte diese genehmigt werden, dann wird es im nächsten Schuljahr eine Aufbauklasse an der JOS geben. Anderenfalls werden unsere Realschulabsolventen in ein Oberstufenzentrum mit dreijähriger Abiturphase wechseln müssen.
Das bedeutet, dass trotz Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren unter Umständen eine elfte Klasse an der JOS bestehen bleibt. Wie sehen die räumlichen und personellen Kapazitäten dafür aus?
Witting: Personelle Probleme ergeben sich nicht, da es sich aus heutiger Sicht nicht um eine zusätzliche Klasse handelt. Mit den räumlichen Kapazitäten sieht es da schon anders aus. Seit drei Jahren nutzen wir Räume im Gebäudekomplex der Oranienburger Straße, weil unser Gebäude zwar viele Möglichkeiten, aber eben nicht genügend große Klassenräume bietet. Die elfte Klasse und einige Oberstufenkurse finden also außerhalb des Gebäudes der JOS statt und bisher hat das kein Problem dargestellt.
Durch das sukzessive Auslaufen der Realschule werden doch aber in den nächsten Jahren Räume in Ihrem Gebäude frei?
Witting: Das ist richtig, aber wir planen, auf die immer größer werdende Nachfrage im Bereich des grundständigen Gymnasiums zu reagieren und zwei 5. Klassen pro Jahr aufzunehmen. Wir erhalten bereits seit Beginn dieses Schuljahres immer wieder Anmeldungsgesuche für das nächste Schuljahr und auch während des »Tages der offenen Tür« zeigen sich sehr viele besonders an diesem Schulzweig interessiert.
Die Abendschau berichtete, die JOS ziehe in das Gebäude in der Auguststraße, das die Gemeinde gerade erst von der Jewish Claims Conference zugesprochen bekam. Was ist an dieser Meldung dran?
Witting: Die JCC hat gerade erst entschieden und nun muss wohl zunächst einmal über eine Instandsetzung und Sanierung des Gebäudes gesprochen werden. An die Gemeinde wurden von unterschiedlichen Seiten Vorschläge zur Nutzung herangetragen. Es ist richtig, dass die JOS dort gern Räume nutzen möchte, um dort zukünftig möglicherweise eine gemeinsame Oberstufe einer neu entstehenden Sekundarschule und der JOS zu beherbergen.
Vieles ist zur Zeit in der Schullandschaft im Aufbruch und es gilt, besonnen alle Neuerungen und deren Auswirkungen zu bedenken, um für unsere Schüler eine erfolgreiche Schulzeit zu gestalten, die sie bestmöglich auf ein späteres Berufsleben vorbereitet.
Mit Barbara Witting sprach Hauke Cornelius
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