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Viel Konkurrenz um‘s Weltkulturerbe
01.Juni 2011 | Beiträge – jüdisches berlin |
Internationale Fachtagung auf dem Friedhof Weißensee zu den jüdischen Friedhöfen Europas
Anfang April 2011 fand nach nahezu zweijähriger Vorbereitungszeit auf dem Friedhof Weißensee die internationale Fachtagung »Jüdische Friedhöfe und Bestattungskultur in Europa« statt. Die von ICOMOS Deutschland und dem Landesdenkmalamt Berlin zusammen mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Centrum Judaicum ausgerichtete Tagung sollte dazu dienen, den Stand der Forschung zu Jüdischen Friedhöfen, deren Erfassung und Erhalt und vor diesem Hintergrund, die besondere historische Bedeutung des Friedhofs Weißensee zu beleuchten. Ziel ist, dass der Friedhof Weißensee auf die Vorschlagsliste der Bundesrepublik Deutschland für die Welterbestätten der UNESCO gestellt wird.
Die Tagung beinhalte mehrere thematische Blöcke – einen ersten Überblick gaben Referate zum Thema »Das Erbe der jüdischen Bestattungskultur in Europa«, unter anderem ging es hier um Konservierungs-, Restaurierungs- und Naturschutzaspekte. Der nächste Block fokussierte sich auf den Friedhof Weißensee und dessen Erhaltung. Dazu wurden die Teilnehmer und Referenten aus allen Teilen Deutschlands ebenso wie aus England, Frankreich, Italien, Polen, Ungarn, Österreich, der Tschechischen Republik, Bosnien-Herzegowina, Schweden und Russland über den Friedhof geführt. Dabei konnten die beachtlichen Restaurierungserfolge der letzten Jahre vor Augen geführt werden. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, welch gewaltige Aufgabe die weitere Sanierung und Erhaltung dieses größten jüdischen Friedhofs Europas darstellt.
Beim Thema Inventarisation und Dokumentation gab es Referate mit dem Schwerpunkt jüdische Friedhöfe in Hessen, im Elsass, allgemein in Frankreich und in Großbritannien.
Weitere Referenten stellten zum Thema »Metropolen – Friedhöfe des 19. und 20. Jahrhunderts« Großstadtfriedhöfe in München, Stockholm, Budapest und Hamburg vor. Besonderes Augenmerk wurde auf den Waldfriedhof in Stockholm geworfen, der bereits Weltkulturerbestatus hat. Vorgestellt wurden auch die Friedhöfe Mittel- und Osteuropas wie Warschau, Wien und St. Petersburg. Die Lo Tischkach Stiftung präsentierte ihre beeindruckenden Projekte zum Erhalt jüdischer Friedhöfe und Massengräber in der Ukraine und im Baltikum vor. Den Abschluss der Themenblöcke bildeten Friedhöfe mit besonderer internationaler Bedeutung. Für viele Teilnehmer überraschend war hier sicherlich das Referat über die jüdischen Katakomben in Rom, die quasi zum Modell für die nachfolgenden bekannteren christlichen Katakomben wurden.
In puncto Perspektiven auf einen möglichen Weltkulturerbestatus wurden zwei Initiativen vorgestellt, mit denen die jüdische Friedhofskultur des Mittelalters der sog. SchUM-Städte (Speyer, Worms und Mainz) und die sephardischen Friedhöfe in Amsterdam und Hamburg auf die Vorschlagsliste für diesen Status gestellt werden sollen. Die Landesregierung Berlin und die Jüdische Gemeinde hatten ja bereits 2006 beschlossen, den Friedhof Weißensee für die Vorschlagsliste der Bundesrepublik vorzuschlagen. Angesichts dieser nunmehrigen Häufung von Friedhofsanträgen ist es allerdings nicht sicher, ob es Weißensee wirklich auf diese so genannte Tentativliste Deutschlands schafft. Sollte dies dennoch geschehen, wäre ein wichtiger Schritt getan. Allerdings ist die UNESCO wegen des Überhangs europäischer Welterbestätten zögerlich, weiteren europäischen Stätten den Welterbestatus zu vergeben. Die Tagung endete dennoch mit einem optimistischen Ausblick auf die Chancen unseres Friedhofs. Seine internationale Bedeutung angesichts der singulär aufwendigen Gestaltungsstruktur mit Bauten, Alleen und Plätzen und dem hohen Bestand an Grabmalanlagen höchster historischer und künstlerischer Qualität macht ihn zu einem aussichtsreichen Kandidaten, zumal die Denkmalgruppen »Memorial Culture/Burial Heritage« auf der Welterbeliste unterrepräsentiert sind.
Zum Abschluss der Tagung im Roten Rathaus begrüßte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und Senatorin Ingeborg Junge-Reyer die Teilnehmer und Landeskonservator Jörg Haspel dankte allen an der Organisation Beteiligten, insbesondere dem Geschäftsführer der Gemeinde, André Lossin, der sich stark für den Erfolg der Tagung eingesetzt hatte.
Zuletzt fanden noch weitere Führungen auf den Friedhöfen Große Hamburger Straße und Schönhauser Allee sowie in der Zitadelle Spandau statt, wo die historisch bedeutenden Grabsteine der mittelalterlichen jüdischen Gemeinden von Berlin und Spandau zu besichtigen sind. Den Teilnehmern konnte damit die Jahrhunderte lange jüdische Friedhofskultur in Berlin vor Augen geführt werden; eine Tradition, die ihren Höhepunkt in Weißensee gefunden hat und dem sicherlich der so begehrte Welterbestatus zusteht.
Joachim Jacobs
jüdisches berlin
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