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»Struktur und Substanz für die jüdische Gemeinschaft«
30.Oktober 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Jugend
Benno Bleiberg über das neue jüdische Begabtenförderungswerk ELES
Warum jüdische Begabtenförderung?
Die Kirchen verfügen schon längst über Begabtenförderungswerke. Nachdem die Zahl jüdischer Gemeindemitglieder in Deutschland inzwischen in nennenswerter Zahl zugenommen hat und nun bei 110 000 Personen liegt, von den weiteren Menschen jüdischer Herkunft nicht zu reden, ist es jetzt an der Zeit, wieder Struktur und Substanz in die jüdische Gemeinschaft hineinzubringen. Dazu gehört neben religiösen jüdischen Studien auch eine bürgerliche, also säkulare akademische Ausbildung. Das hat auch die Bundesregierung erkannt, die 2010 für unser Studienwerk 1,5 Millionen Euro bereitstellt.
Das Studienwerk ist nach dem Religionswissenschaftler Ernst Ludwig Ehrlich benannt, der 2007 in der Schweiz gestorben ist. Sie selbst engagieren sich als stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins. Sind Sie Ehrlich noch persönlich begegnet?
Aber ja, wir kannten uns. Professor Ehrlich war Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre zu den Hohen Feiertagen in Berlin regelmäßig als Prediger eingesetzt und vertrat mit seiner Persönlichkeit den rationalen aufklärerischen Geist des Judentums. Dass dieser Geist nun im Studienwerk weiter wirkt, dürfte ganz in seinem Sinne sein.
Wie ist das Studienwerk organisiert?
Es gibt einen Trägerverein sowie einen Beirat. Dem Beirat, in dem auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschlands vertreten ist, gehören jüdische Akademiker der unterschiedlichen religiösen Richtungen an, die eine Vielzahl von Fachrichtungen repräsentieren. Diese Beiratsmitglieder sind zugleich die Gutachter, die die Empfehlungen für unsere Stipendiaten aussprechen. Ich hoffe, dass unser Beirat auch als Forum jüdischer Akademiker auf die Gesellschaft ausstrahlt. Dass das Studienwerk so schnell Gestalt angenommen hat, ist vor allem Rabbiner Walter Homolka zu verdanken. Er betreut den geistigen Nachlass von Ernst Ludwig Ehrlich und hat diese Initiative mit auf den Weg gebracht.
Und wie groß ist Ihre Zielgruppe?
Laut Zentralrat der Juden gibt es zurzeit 8 000 jüdische Studierende deutscher Staatsbürgerschaft, die an einer deutschen Hochschule eingeschrieben sind. Statistisch gesehen sind 12 % davon Begabte, 2 % Hochbegabte. Da die Zentralwohlfahrtsstelle in den kommenden Jahren mit leicht rückläufigen Abiturientenzahlen rechnet, veranschlagen wir, dass wir 2010 etwa 50 Stipendiaten in die Grundförderung aufnehmen und 20 Promotionsstipendien vergeben können. Zur Förderung gehören auch die Betreuung durch Mentoren und interdisziplinäre Sommerakademien, die den Zusammenhalt zwischen den Stipendiaten stärken sollen. Bewerben können sich alle EU-Bürger, also auch Israelis oder Amerikaner mit einem zweiten Pass, die in Deutschland an einer anerkannten Hochschule eingeschrieben sind. Monatlich gibt es 585 Euro Grundförderung beziehungsweise 1 050 Euro für Promovierende. Dazu kommt Büchergeld. Diese Fördergelder müssen nicht zurückgezahlt werden. Wir hoffen aber, dass die Stipendiaten auf andere Weise etwas an die jüdische Gemeinschaft zurückgeben werden, indem sie beispielsweise Verantwortung in ihren Gemeinden übernehmen.
Sie haben den Zentralrat erwähnt. Ist er am Studienwerk beteiligt?
Selbstverständlich. Das neue Studienwerk ist in der Mitte unserer jüdischen Gemeinschaft verankert. Dass Charlotte Knobloch die Schirmherrschaft dafür übernommen hat, ist das Beste, was uns passieren konnte. Mit dem Vizepräsidenten Dieter Graumann, dem Kultusdezernenten Nathan Kalmanowicz und Generalsekretär Stephan Kramer sind neben der Zentralratspräsidentin gleich mehrere Persönlichkeiten vertreten, die nach außen hin meinungsbildend wirken. Das spricht für große Unterstützung. Auf Gemeindeebene sieht es ähnlich aus. So gehören ja auch die Schuldezernentin unserer Gemeinde, Mirjam Marcus, und Elvira Grözinger, die an der Universität Potsdam unterrichtet, dem Beirat an.
Am 11. November wird das Studienwerk feierlich eröffnet. Wann beginnt die eigentliche Arbeit?
Eigentlich kann es sofort losgehen. Für den Februar 2010 sind die ersten Auswahlgespräche vorgesehen. Es spricht also nichts dagegen, sich schon jetzt für ein Stipendium zu bewerben.
Mit Benno Bleiberg sprach Hartmut Bomhoff.
Das ELE-Studienwerk
Leistungsstarke, verantwortungsbewusste Studierende werden in Deutschland bislang von elf weltanschaulich und politisch unterschiedlich ausgerichteten Begabtenförderungswerken gefördert. In diesen Kreis der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützen Einrichtungen wird nun auch das »Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk« (ELES) aufgenommen, das der Förderung begabter jüdischer Studierender und Promovierender aller Fachrichtungen an deutschen Hochschulen dienen soll. Die Schirmherrschaft hat Charlotte Knobloch übernommen.
Benannt ist das Studienwerk nach dem Religionswissenschaftler und Historiker Ernst Ludwig Ehrlich (1921–2007), für den Lernen und Lehren die Essenz des Judentums war. Der gebürtige Charlottenburger war einer der vier letzten Schüler von Leo Baeck an der Berliner Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums. 1943 gelang ihm die Flucht in die Schweiz. Als Student in Basel war er immer wieder auf finanzielle Hilfe angewiesen. 1958 wurde Ehrlich mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet; 1962 bis 1965 war er als jüdischer Berater an der Vorbereitung der Konzilserklärung Nostra Aetate beteiligt. Nach 1989 widmete er sich insbesondere der Erneuerung jüdischen Lebens in Mittel- und Osteuropa und der Rabbinerausbildung am Abraham Geiger Kolleg. Diesen Monat erscheinen seine gesammelten Aufsätze unter dem Titel »Ernst Ludwig Ehrlich: Von Hiob zu Horkheimer« beim Verlag Walter de Gruyter in Berlin.
Der Festakt zur Eröffnung des ELES durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung und durch seine Schirmherrin, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, findet am 11. November um 15 Uhr in der Jüdischen Oberschule statt.
Weitere Informationen: www.ELES-studienwerk.de
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