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Statement des Gemeindevorsitzenden

01.Juni 2024 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Gesellschaft

Dr. Gideon Joffe zur aktuellen Lage der Jüdischen Gemeinschaft

»Brennt Gaza, brennt Berlin« schmierten die Brandstifter in der Nacht zum 9. Mai, dem 79. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs, auf die Wände des Rathauses Tiergarten. Die jüdische Gemeinschaft kennt das Phänomen, dass, sobald ein Konflikt mit Israel eskaliert, Juden auch weltweit angegriffen werden. Und dies nicht erst seit dem bestialischen Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023. Nun aber wird deutlich, dass hier nicht nur Juden bedroht werden sollen, sondern die ganze demokratische Gesellschaft: Diese Leute wollen den Frieden in unserer Stadt und das Zusammenleben aller zerstören.
Umso wichtiger ist es, zu verstehen, dass Kampf gegen Antisemitismus erst in zweiter Linie ein Schutz für Juden ist, sondern vor allem eine Stärkung der Demokratie. Denn das Eintreten gegen Antisemitismus ist immer auch ein Eintreten für unsere Demokratie und gemeinsamen Werte. Und so ist der Mut der Mehrheitsgesellschaft, sich für die eigene Freiheit und demokratische Werte einzusetzen, gleichzeitig auch der beste Schutz für die jüdische Gemeinschaft.  Daher ist es unverständlich, wenn Studierende an Berliner Universitäten verklausuliert, aber unmissverständlich dazu aufrufen, Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, zu vernichten. Gleichzeitig haben über hundert Lehrende nichts Besseres zu tun, als in einem Schreiben diese Gewalttäter vor dem Rechtsstaat schützen zu wollen. Die Hochschulen sind in der Gefahr, zu Orten zu werden, an denen nicht mehr Demokratie gelernt, gelehrt und gelebt wird, sondern totalitäre Ideologien die Herrschaft übernehmen.
Juden, nicht nur in Berlin, sehen sich tagtäglich mit diesen totalitären und antidemokratischen Ideologien konfrontiert und meiden es oftmals, als Juden erkennbar zu sein. Dankenswerterweise hat die Politik diese Angriffe schnell verurteilt. Wir sind froh über die eindeutigen Reaktionen unseres Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner, von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ihrer Berliner Amtskollegin Ina Czyborra, und des Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, Walter Rosenthal.  Wir verzeichnen jedoch seit dem 7. Oktober einen signifikanten Anstieg antisemitischer Straftaten. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist angesichts der jüngsten Entwicklungen in dieser Stadt über die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger mehr als beunruhigt. Anders als in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts wissen wir allerdings Politik, Exekutive und Kirchen fest an unserer Seite. Es ist dennoch unerträglich, wenn in der Woche, in der am Jom Haschoa des Mordes an sechs Millionen Juden gedacht wird, jüdische Bürger auf den Straßen Berlins angegriffen und verletzt werden.  Auch im Kulturbereich schreitet die unsägliche Dämonisierung Israels - und damit auch die Ausgrenzung jüdischer Menschen weltweit - immer stärker voran. Daher ist es ein kleiner Lichtblick, dass der Beitrag der israelischen Sängerin Eden Golan beim diesjährigen European Song Contest mit zwölf Punkten vom deutschen Publikum die Bestwertung erhalten hat und so den fünften Platz belegte. Ein schönes Geschenk zum diesjährigen 76. israelischen Unabhängigkeitstag. Die Freude wird allerdings wieder dadurch getrübt, dass der deutsche Fernsehmoderator Israel auf eine Stufe mit Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine stellte.  Der Auftritt von Eden Golan und die Punkte, die an Israel vergeben wurden, wurden beim ESC-Finale immer wieder mit Pfiffen und Buhrufen quittiert. Schlimmer noch: Schon vor Beginn des Finales musste die Sängerin Hass und Mobbing über sich ergehen lassen. Es gab Morddrohungen gegen die 20-Jährige und sie durfte ihr Hotel nur unter Polizeischutz verlassen! Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, 
Dr. Felix Klein, hat dazu treffend festgestellt: »Es entspricht einem gängigen antisemitischen Muster, Israelis kollektiv in Haftung für Handlungen ihrer Regierung oder ihrer Armee zu nehmen, die sie oftmals selbst verurteilen. Hierunter leidet gerade die progressive israelische Kulturszene bereits jetzt erheblich und sieht sich zunehmender internationaler Isolation ausgesetzt.«
Für eine Demokratie ist es unerlässlich, den Irrsinn, dass Antisemiten im Kulturbereich mit Steuergeldern gefördert werden, durch ein gerichtsfestes Gesetz zu beenden. Wir unterstützen daher die parteiübergreifende Initiative, eine Antisemitismusklausel für zivilgesellschaftliche Vereine und Initiativen in Berlin in der Landeshaushaltsordnung gesetzlich zu verankern. Die bisherigen Regelungen sind dazu leider noch nicht eindeutig genug.

Statement des Gemeindevorsitzenden