Beitragssuche
Spannungsreich
01.Dezember 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Die Sammlung Sebbag aus Tel Aviv ist im Haus Huth am Potsdamer Platz zu Gast
Die Doron Sebbag Art Collection aus Tel Aviv ist mit zeitgenössischer israelischer und internationaler Kunst nach Berlin gekommen: in das Haus Huth am Potsdamer Platz. Dort präsentiert die Daimler Contemporary mit der Reihe »Private/Corporate« seit zehn Jahren internationale Sammlungen, ergänzt mit Kunstwerken aus den eigenen Beständen.
Für Doron Sebbag aus Tel Aviv, kunstliebender Chef eines Personalmanagement-Unternehmens mit einer Sammlung von mehr als 1000 Werken, steht die Freundschaft mit den Künstlern im Vordergrund – und das gute Gespür für moderne Kunst. Gemeinsam mit seiner Frau Adi Sebbag forscht er ständig nach neuen Trends. Schon mehrfach konnte die Sammlung in Israel öffentlich gezeigt werden. Nun sind ausgewählte Werke auch in Berlin zu sehen.
Die Kuratorin Tal Yahas hat rund 40 Arbeiten von 23 Künstlern ausgewählt. Themen sind Archäologie, Archiv und Vergänglichkeit – unter anderem sind Werke der israelischen Künstler Dalia Amotz, Avner Ben-Gal, Ofri Cnaani, Ori Gersht, Doron Rabina und Guy Zagursky zu sehen. 20 Werke aus der Daimler Kunst Sammlung, fast alles Neuerwerbungen, stehen denjenigen aus dem Sebbag-Besitz zur Seite, so Arbeiten der Israelis Amit Berlowitz und Maja Zack.
Zu Schwerpunkten zusammengefasst, treten einzelne Kunstwerke in Dialog miteinander. So korrespondieren in den meist luftigen Räume im vierten Stock des hundert Jahre alten Gebäudes die Arbeiten mehrerer Künstler: Vom Österreicher Hermann Nitsch ist eine Leinwand zu sehen. »Relikt der 50. Aktion« aus dem Jahr 1975 zeigt eine abstrakte Blutlache, geronnen zu einem großen Fleck in verschiedenen Braunschattierungen.
Sigalit Landau (Jahrgang 1969), die nur zwei Jahre nach ihrem Abschluss an der Bezalel Academy of Art in Jerusalem 1997 nominiert wurde, Israel bei der Biennale in Venedig zu vertreten, lässt hier nun eine Fiberglas-Figur von der Decke hängen, deren Körper ohne Hülle, also ohne Haut, erscheint. Während diese beiden Werke das Prozesshafte von Verletzungen thematisieren, scheint bei Peter Buggenhouts »Gorgonenhaupt« der Vorgang schon abgeschlossen zu sein. Das Resultat hat sich zu einem schockierenden braun-schwarzen Konglomerat aus Pferdehaar, Blut, Holz, Plastik und Hausstaub verfestigt. Dem gegenüber gestellt ist ein reinliches Großfoto »The Keys« von 2010. Ilit Azoulay, Jahrgang 1992 und ebenfalls Bezalel-Absolventin, fügt Fundstücke aus dem Alltag zusammen. Für eine andere Arbeit, »At the appearants of things«, kombiniert die Künstlerin ein Schwarzweißfoto von 1928 mit Weberinnen und grellgrünen pflanzlichen Elementen. Die Frauen stehen dabei auf einer Treppe im Bauhaus Weimar. Das Werk zeigt Ilit Azoulays enge Beziehung zur Architektur.
Elham Rokni wurde 1980 im Iran geboren und immigrierte im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie nach Israel. In der Zeichnungsserie »Spaces« bearbeitet sie ihre Herkunft und widmet sich orientalischen Mustern, wie sie von Fliesen und Fassaden aus dem arabischen Raum bekannt sind. In »Blue Space« setzt sie blaue, weiße und grüne Flächen zu einer Art Architektur zusammen. Man glaubt, in den gewölbten Raum einer Moschee zu blicken. Holzbarrieren markieren den traditionellen Platz des Kalifen, dahinter liegt der Mihrab, eine Gebetsnische.
Viel puristischer erscheinen die Schwarzweißfotografien des weltberühmten Robert Mapplethorpe, dem es zu verdanken ist, dass die Fotografie heute der Malerei als ebenbürtig betrachtet wird. »Tunnel« heißt das Abbild der charakteristischen Grotte der Sibylle von Cuma in der Nähe von Neapel. Die Mythologie vermutete in der Höhle den Eingang in die Unterwelt. Die Sibylle schaute in die Zukunft und sagte oft drohendes Unheil voraus.
Auch Günther Förg, 1952 geboren in Füssen, fotografierte die Grotte, »Cumae III«, diesen höhlenartigen Gang, durch den Sibylle den sagenhaften Aeneas in die Unterwelt führte. In Vergils Geschichte über den griechischen Helden heißt es: »Ausgehöhlt ist Kumaes Fels zur riesigen Grotte; breit ziehn hundert Schächte hinab, der Mündungen hundert, hundertfältigen Lauts dröhnt auf der Spruch der Sibylle«.
Der englische Künstler Damien Hurst, bekannt für seine umstrittenen Werke mit konservierten Tierkadavern, ist in der Ausstellung vertreten mit »Unforgiving«. Auf einer Tafel sind Abertausende von Fliegen eingeschlossen in Harz. Von weitem erscheint es als monochrom schwarzes Tafelbild. Wie ein Memento Mori erinnert es an die Vergänglichkeit allen Lebens.
Geradezu sperrig kommt die Installation der Braunschweigerin Madeleine Boschan daher. Ein antennenartiges Gerüst trägt zwei aufgefächerte Jalousien und Neonröhren, Titel des Werkes: Ius primae noctis. Damit spielt sie auf das Recht der Lehnsherren an, ihre Sklavinnen zu entjungfern. Die Künstlerin sagt dazu: »Meine Arbeiten formieren sich aus disparaten Fundstücken. Gefundenes wird neu zusammengesetzt und durch farbliche Eingriffe in Beziehung zueinander gebracht. Die einzelnen Bauteile verlieren ihre alltäglichen Gebrauchswert, so dass eine Jalousie nicht länger für schützende Intimität steht, sondern geradezu für ihren Verlust.«
Spannungsreich und inhaltsschwer sind die drei Schwarzweißfotografien der 1955 geborenen israelischen Künstlerin Efrat Shvily. Ihr Titel »Rehavia« bezieht sich auf die Gartenstadt gleichen Namens in Jerusalem, errichtet 1923. Die Bilder entstanden als Teil des »Jerusalem Photo Project« im Jahr 2009. Die Bilder dokumentieren das Verblühen der einst wohlhabenden und gepflegten Stadt im Grünen. Auch hier findet der Besucher wieder das Vanitas-Symbol der Vergänglichkeit. Die Natur überwuchert die Architektur. Die Gebäude sind durch Büsche und Bäume wie von einer Patina überzogen. Die vor 90 Jahren angelegten Pflanzen der Grünflächen machen sich selbstständig, ringen mit den Mauern um Vorherrschaft und lassen eine leise Schauerromantik entstehen.
Judith Meisner
_»Private/Corporate VII –The Doron Sebbag Art Collection, Tel Aviv, and the Daimler Art Collection, Stuttgart/Berlin« – bis 1. April 2013 im Haus Huth an der Alten Potsdamer Straße 5. Der Eintritt ist frei.
jüdisches berlin
2012_24 Alle Ausgaben
- Dezember 2024
- November 2024
- Oktober 2024
- September 2024
- Juni 2024
- Mai 2024
- April 2024
- März 2024
- Februar 2024
- Januar 2024
- Dezember 2023
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- September 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Januar 2018
- März 2021
- Februar 2021
- Mai 2020
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- September 2020
- Oktober 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- September 2019
- November 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Dezember 2018
- Januar 2019
- Mai 2015
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2015
- März 2015
- März 2018
- Februar 2017
- Februar 2018
- fileadmin/redaktion/jb197_okt2017.pdf
- September 2017
- Juni 2017
- April 2017
- November 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2017
- Dezember 2015
- November 2015
- September 2015
- Juni 2015
- Oktober 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Januar 2022
- Oktober 2014
- September 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012