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Sieben auf einen Streich
01.Dezember 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Jugend
Argentinische Schüler zu Gast in der Jüdischen Oberschule
Jeden Monat besuchen eine Million Touristen aus dem In- und Ausland die Bundeshauptstadt. Im November gehörten auch sieben Argentinier dazu, die eine weite und beschwerliche Anreise auf sich nahmen, nur um an einem kalten Montagmorgen in die Schule zu gehen.
Alejandra Nothardt, Deutschlehrerin aus Resistencia im Norden Argentiniens, begleitete fünf ihrer Schüler auf einer Studienreise durch Deutschland, die Ende November ihren Höhepunkt fand, als die kleine argentinische Gruppe auf der Messe für Firmensimulation in Freiburg ihre (virtuelle) Firma »Maderas del Monte«, die nur eine von 3000 Übungsfirmen in 35 Ländern weltweit ist, präsentierte.
Die Schüler aus Resistencia lernen nicht nur, wie man eine Firma aufbaut und leitet, sondern sie lernen auch seit zwei Jahren Deutsch, welches sie bei der Firmensimulation direkt anwenden müssen, denn es wird auch der internationale Handel simuliert. Unterstützt wird dies durch die PASCH-Initiative am Goethe-Institut Buenos Aires. PASCH steht für »Schulen: Partner der Zukunft« und ist eine Initiative des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz der Länder.
Um ihre eher theoretischen Sprachkenntnisse in der deutschen Praxis zu testen, kamen die 17- bis 18-Jährigen auf ihrer Studienreise auch nach Berlin und besuchten die Jüdische Oberschule. Die Schüler der 9. Realschulklasse der JOS warteten bereits mit einer Menge Fragen auf die Gäste, die eine Woche lang am Unterricht teilnahmen. In allen Unterrichtsstunden, die sie zusammen mit ihren Gastgebern aus der 9R absolvierten, bemühten sich die vier Schülerinnen und ein Schüler, so viel wie möglich zu verstehen. Aber ihre große Chance sahen sie im Deutschunterricht, den sie auch dazu nutzten, ihr Land, ihre Provinz Chaco, ihre Stadt und ihre Schule zu präsentieren. Mit vielen Bildern, echtem Mate-Tee und der unvermeidlichen Dulce-de-Leche-Creme stellten sie den Berliner Jugendlichen ihre Heimat vor und beantworteten anschließend die zahlreichen Fragen. Die intensive Diskussion der doch sehr unterschiedlichen Lernbedingungen – die Argentinier lernen mit bis zu 45 Schülern in 80 Minuten langen Unterrichtsstunden – weitete sich bald in ein jugendtypisches Vergleichen von Musikrichtungen und Kleidungsstilen aus, was schließlich zu kleinen Tanzeinlagen führte, um zu zeigen, dass Argentinier noch mehr als nur Tango tanzen.
Gastón, Rocio, Carla, Denniese und Carolina besuchten die JOS mit ihren Lehrern Federico Roibón (3.v.r.) und Alejandra Nothardt(2.v.r.)., Foto: Lucas Ardanza
Die Deutschlehrerin Alejandra Nothardt beobachtete erfreut, dass ihre Schülerinnen und Schüler die Herausforderung der fremden Sprache zunehmend sicherer und mit immer mehr Freude meisterten, denn deshalb sind sie nach Deutschland gekommen. Im Gespräch erfuhren die Berliner unter anderem, dass es auch im Norden von Argentinien Minderheiten wie Türken, Russlanddeutsche und Mennoniten gibt. Dabei stellten sie mehr als einmal fest, dass die argentinischen Gäste eine jüdische Schule nicht als eine Besonderheit betrachten, sondern einfach als eine von vielen konfessionellen Schulen. »Das ist neu, dass Besucher nicht nur den jüdischen Teil unserer Schule sehen wollen«, fasste ein Schüler die Gedanken aller zusammen.
Während des Projekttages zum 9. November besuchten die Gäste das Jüdische Museum und vor allem die argentinischen Lehrer zeigten sich sehr interessiert zu erfahren, dass der 9. November, der weltweit wohl mehrheitlich als Tag des Mauerfalls wahrgenommen wird, an der JOS seit mehreren Jahren in allen Klassen als Projekttag zum Gedenken an die Reichspogromnacht begangen wird.
So wie der Projekttag eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart schafft, so erlebten die argentinischen Gäste ihren Berlin-Aufenthalt als ständigen Spaziergang durch die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt. Faszinierte sie anfangs noch der historische Standort der Schule, berichteten sie später ganz selbstverständlich von ihrer Fahrt mit dem 100er Bus vorbei an den Sehenswürdigkeiten in Mitte oder ihren Entdeckungen auf dem Heimweg vom Potsdamer Platz.
Beim Besuch im Bundestag, den der ehemalige JOS-Schüler Jonas Fegert organisiert hatte, zeigten sich die Argentinier ein weiteres Mal überrascht, wie eng Schüler und Lehrer der JOS zusammenarbeiten. Und die Tatsache, dass sie den Erklärungen im Bundestag fast ohne Übersetzung folgen und Fragen selbstbewusst auf Deutsch stellen konnten, zeigt, wie viel sie auf ihrer Sprachreise bereits gelernt haben.
Außenminister Westerwelle nennt als Ziele des PASCH-Projektes, das 2008 weltweit startete, dass Verantwortung, Partnerschaft, Dialog und Bildung die zentrale Ressourcen in der globalisierten Welt seien, die es zu entwickeln gelte. Und diese großen Ziele setzten die Jugendlichen, die sich im November in der JOS trafen, bereits im Kleinen um.
Hauke Cornelius
jüdisches berlin
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