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01.Juni 2023 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Jugend
Das Jüdische Gymnasium nimmt Abschied von seiner ehemaligen Schulleiterin Barbara Witting, sel. A.
Als die Oberstudiendirektorin Barbara Witting, sel.A., 2002 mit energischem Schritt ihre neue Wirkungsstätte in der Großen Hamburger Straße betrat, brachte sie nicht nur viel rheinischen Humor, sondern vor allem frischen Wind und neue Ideen mit. Schnell suchte sie das Gespräch mit jedem einzelnen Mitglied der Schulgemeinschaft, denn wichtig war ihr, »dass man sich kennenlernt, denn nur wenn man sich kennenlernt, kann man einander auch verstehen und versuchen zu verstehen«, wie sie in einem Interview 2022 sagte. Die besonderen Gegebenheiten der Schule mit einer großen Anzahl von Kindern aus nicht deutschsprachigen Familien, mit jüdischen und nicht jüdischen Schülerinnen und Schülern machte sie sich schnell zu eigen, immerhin kam sie mit vielen Jahren Berufserfahrung, davon 15 Jahre als Schulleiterin, aus Bergisch Gladbach nach Berlin.
Sie, die in ihrer eigenen Schulzeit erlebte, wie es sich anfühlt, das einzige jüdische Kind in einer Klasse zu sein, sah ihre Aufgabe auch darin, den Kindern und Jugendlichen die Entwicklung einer eigenen jüdischen Identität zu ermöglichen. Besonders lagen ihr daher diejenigen am Herzen, die an unsere Schule wechselten, weil sie in ihrer bisherigen Schullaufbahn Ausgrenzung erlebt hatten. Nicht wenige Absolventinnen und Absolventen erinnern sich daher noch nach Jahren daran, dass sie ihnen die Tür zum jüdischen Leben in Berlin geöffnet habe. Aber nicht nur diese Tür öffnet sie. Die nun seit vielen Jahren etablierten »Kultursplitter«, ein Abendprogramm, das es Schülerinnen und Schülern ermöglichte, zu zeigen, was sie – unabhängig vom Unterricht – zu leisten bereit waren, gehen auf ihre Idee zurück. Mit klassischer und moderner Musik, Tanz, Rezitation, Schauspiel zeigten Kinder und Jugendliche (und manch ein Lehrer oder eine Lehrerin), was in ihnen steckt, überraschten nicht selten Lehrer- sowie Schülerschaft und ehrten damit beim letzten »Kultursplitter« am 27. April 2023 unausgesprochen auch die Initiatorin dieser Veranstaltung. Erfahrungsgemäß ernten dabei die Aufführungen der 5. Klasse besonders viel Applaus. Dass das Jüdische Gymnasium seit 2003 einen grundständigen Zweig besitzt, ist auch dem unermüdlichen Einsatz der Schulleiterin zu verdanken, die in vielen Gesprächen alle Bedenken ausräumte und damit die Tür dafür öffnete, dass heute 500 Schülerinnen und Schüler das Jüdische Gymnasium besuchen. Bis zu ihrer Pensionierung 2014 betrat Barbara Witting pünktlich um 7.30 Uhr das Schulhaus und öffnete ihre Bürotür, die Schülern, Lehrern und Eltern immer offenstand. War die Tür geschlossen, wusste man, dass die Schulleiterin ihren Leistungskurs unterrichtete oder in einem Gespräch war. Diese immer offene Tür, im wörtlichen und im übertragenen Sinne, blieb auch vielen ehemaligen Schülern, die bei ihr im Verlauf ihrer Schulzeit nicht selten auch in privaten Dingen Rat suchten, im Gedächtnis. Einer, der momentan an der Sorbonne promoviert, erinnert sich noch gern daran, dass sie nicht nur dafür sorgte, dass er, der allein nach Berlin kam, überhaupt in die gymnasiale Oberstufe aufgenommen wurde, sondern in seiner leeren Wohnung auch ein Sofa hatte. Dies alles tat sie, ohne großes Aufheben darum zu machen. Sie setzte sich unermüdlich für die Schule ein und als der Realschulzweig 2012 geschlossen wurde, empfahl sie dem Schulträger nicht nur die Gründung einer jüdischen Sekundarschule, die es nun seit drei Jahren gibt, sondern sie sorgte auch durch zahlreiche Gespräche bei der Schulverwaltung dafür, dass aus der Jüdischen Oberschule das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn wurde. Über ihre Pensionierung hinaus blieb sie ihrer Schule als Vorsitzende des Fördervereins verbunden und unterstützte die Schule, die Lehrerschaft, aber vor allem die Schüler und Eltern. Am 29. April 2023 ist Barbara Witting, sel.A. verstorben und die Schulgemeinschaft, gegenwärtige und ehemalige Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern trauern um eine der ihren, die diese Schule wie keine zweite geprägt hat. Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie. May her memory be a blessing!
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