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Shimon Peres zu Besuch in der Gemeinde
26.Januar 2010 | Redaktioneller Beitrag | Gemeinde
Rede der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, am 25. 1. 2010 anlässlich des Besuchs des Staatspräsidenten Israels, Shimon Peres, im Centrum Judaicum
Sehr geehrter Präsident Schimon Peres,
sehr geehrter Botschafter Yoram Ben-Zeev,
sehr geehrte Präsidentin des Zentralrates, Charlotte Knobloch,
sehr geehrte Repräsentanten der Jüdischen Gemeinde,
sehr geehrte Mitglieder und Freunde,
es ist uns eine Freude und eine große Ehre, hier in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin den Friedensnobelpreisträger und Präsidenten des Staates Israel als unseren Gast begrüßen zu können. Das ist eine positive Geste für die jüdische Gemeinschaft und sie steht sicher im Zusammenhang mit der außergewöhnlichen Person Schimon Peres.
Schimon Peres ist einer der dienstältesten und sicherlich der weltweit bekannteste noch lebende Staatsmann Israels. Ein halbes Jahrhundert lang hat er Politik gestaltet, und maßgeblich dazu beigetragen dass sich der Staat Israel auch in schwersten Zeiten weiter aufbauen, demokratisch entwickeln und gesellschaftlich reifen konnte. In Würdigung seiner menschlichen Integrität und seiner politischen Autorität wurde Shimon Peres am 13. Juni 2007 (für sieben Jahre) zum neunten Staatspräsidenten Israels gewählt. Mit dieser Wahl stärkt Israel sein Ansehen in der Welt!
Erlauben Sie mir, Ihnen noch einige Informationen zum Lebensweg von Schimon Peres zu geben: Er ist 1923 in Polen geboren worden. 1934 wanderte er mit seiner Familie nach Palästina aus. Erste politische Schritte machte er zwischen 1941 und 1945 in der Histadrut, der israelischen Gewerkschaft, und wurde Generalsekretär ihrer Jugendbewegung. Er war Mitglied der Hagana, der Vorgängerorganisation der Israelischen Streitkräfte, erwarb sich Verdienste im Unabhängigkeitskrieg und erhielt erste Regierungsverantwortung übertragen. Von da an machte er kontinuierlich seinen Weg an die Spitze der Israelischen Politik.
Shimon Peres hat einen bedeutenden Anteil an der guten Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen. So war er es, der 1957 mit dem damaligen deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ein förmliches, aber geheim gehaltenes Abkommen schloss. Es heißt, er habe für Israel lebensnotwendige Rüstungsgüter organisiert und sei außerdem der Vater des israelischen Atomprogramms.
Aber Schimon Peres war nie ein Falke. Im Gegenteil: 1982 war er gegen die Invasion in den Libanon und behielt insofern recht, als dieser Einmarsch Israels Bild in der Welt von dem eines Angegriffenen zu dem eines Angreifers wandelte.
Schimon Peres Maxime lautet bis heute, dass man die Probleme im Nahen Osten nur politisch, nicht militärisch lösen könne. Dafür erhielt er 1994 zusammen mit Jassir Arafat und Jitzchak Rabin den Friedensnobelpreis für seine Verdienste im Oslo-Friedensprozess.
Im Zentrum des Besuchs des Präsidenten des Staates Israel in Deutschland steht seine Rede am 27. Januar vor dem Deutschen Bundestag anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Damit wird Schimon Peres als Person geehrt, aber vor allem als Vertreter des Staates der Juden. Deutschland setzt damit bewusst ein Zeichen seiner Verantwortung für das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte – die Vernichtung von sechs Millionen Juden. Dieses Zeichen wird von den Juden in aller Welt gesehen und gewürdigt.
Wir sehen Zeiten entgegen, in denen die Überlebenden dieser Katastrophe nicht mehr unter uns sein werden. Umso mehr freuen wir uns, dass heute Abend an der Seite des Präsidenten einige von ihnen hier zu Gast sind. Ihre Rolle als authentische Mahner, die das Andenken wach halten können, muss auch in Zukunft wahrgenommen werden. Es müssen neue Formen des Erinnerns gefunden werden. Dabei darf der Holocaust-Gedenktag nicht zur reinen Routineveranstaltung werden.
In diesem Jahr hat der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ein markantes Datum: es ist 65 Jahre her, dass das Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde, und alle Augen richten sich auf die diesjährigen Feierlichkeiten. Die wenigen erhaltenen Bilder von ausgemergelten Menschen, die die Befreier kaum lebensfähig vorfanden, rütteln immer wieder auf.
Aber auch in den kommenden Jahren darf nicht vergessen werden, wie sich eine Gesellschaft, die als kulturell hoch stehend und weltweit anerkannt galt, aus Berechnung und aus ideologischem Hass in brutaler, menschenverachtender Weise an einem ganzen Volk vergriffen hat.
Die Shoah hat bis heute ihre Auswirkungen. Die jüdische Gemeinschaft weltweit leidet darunter, dass eine ganze Generation Juden und damit religiöses und kulturelles Wissen vernichtet wurde.
Aber es hat sich wieder starkes jüdisches Leben entwickelt. Dafür steht die Gruppe israelischer Jugendlicher, die den Präsidenten auch begleitet und dafür stehen die Jugendlichen, die Sie hier auf der Bühne erleben werden – unsere Schülerinnen und Schüler der Jüdischen Oberschule mit ihrem Leiter Boris Rosenthal.
Und – sehr geehrter Herr Präsident - dass Sie im Vorfeld dieses so schmerzlichen Jahrestages hier zu uns, zur Jüdischen Gemeinde Berlin kommen, dass Sie darum baten, dass neben den Repräsentanten vor allem auch Mitglieder der Gemeinde anwesend sein sollen, wird von der jüdischen Gemeinschaft erfreut als ein Zeichen der Wertschätzung aufgenommen.
Es ist eine wohltuende Geste dafür, dass Israel nun soweit ist, Juden in Deutschland als echte Partner wahrzunehmen und Ihnen auf „Augenhöhe“ zu begegnen. Auch die Zusammenarbeit mit den für uns wichtigen Behörden in Deutschland findet auf Augenhöhe statt. Juden können hier angstfrei und ohne Schrecken leben. Wir werden gefördert, ernst genommen, in unseren Belangen unterstützt.
Das ermöglicht es uns, unsere Rolle als Unterstützer des Staates Israel in der deutschen Öffentlichkeit zu erfüllen. Ob wir es wollen oder nicht, werden wir von einem großen Teil der Bevölkerung ohnehin als Repräsentanten des Staates gesehen, manchmal sogar als israelische Staatsbürger. Mit Sicherheit werde ich demnächst gefragt werden, was mein Präsident denn heute gesagt hat, und damit wird weder Bundespräsident Horst Köhler noch Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch gemeint sein, sondern Sie, Herr Präsident.
Wir sind heute selbstbewusst genug um klar zu sagen: Wir sind gern in Deutschland. Die Bundeskanzlerin wurde nach der gemeinsamen Kabinettssitzung in der letzten Woche von den Israelis als „beste Freundin“ bezeichnet. Und wir haben hier in den Jahren seit Ende des Zweiten Weltkrieges, seit der Einwanderung vieler Juden nach Ende des Kalten Krieges und verstärkt seit dem Fall der Berliner Mauer zu schätzen gelernt, dass wir unsere Religion frei ausüben können, dass wir hier in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft leben und dass es uns möglich ist, ein friedliches, gutes Leben zu führen.
Unsere in Berlin von rund 5000 auf nun 11.000 angewachsene Mitgliederzahl ermöglicht vielseitiges, jüdisches Leben. Wir haben Synagogen, Schulen, Kindergärten, Senioren- und Jugendeinrichtungen, die für Jeden etwas bieten.
Das alles geschieht alles im Bewusstsein, dass es Israel gibt. Dieses Bewusstsein gibt uns die Ruhe, gelassen zu entscheiden, ob wir hier bleiben oder dort leben wollen. Die Geschicke Israels begleiten uns deshalb jeden Tag.
Wenn das Land in Not ist, steht die überwiegende Zahl der Juden in Deutschland solidarisch an der Seite Israels.
Wir werden aber auch deshalb nicht vergessen, wie eng wir mit Israel verbunden sind, weil wir immer wieder von außen daran erinnert werden:
Bei Angriffen auf Israel wie zur Zeit des Gazakonfliktes oder auf den Norden des Landes durch die Hisbollah manifestieren sich auch in Deutschland diese Konflikte in generellen Anfeindungen gegenüber jüdischen Einrichtungen, Institutionen und manchmal auch gegenüber jüdischen Bürgern.
In den großen Städten Deutschlands wurden deshalb während des Gazakonfliktes Sympathiekundgebungen für Israel organisiert. Leider wird das nach wie vor hauptsächlich als eine Aufgabe für Juden angesehen, wenige nichtjüdische Organisationen sind bei diesem Thema aktiv.
Ich denke, an dieser Stelle erfüllen wir eine wichtige Funktion für den Staat und für die Menschen in Israel. In dem vielschichtigen deutsch-israelischen Verhältnis haben die Juden in Deutschland stets Brückenfunktion inne gehabt. So waren Vertreter des Zentralrats immer an bilateralen Gesprächen zwischen Israel und Deutschland beteiligt.
Wir danken Ihnen deshalb sehr für Ihren Besuch und wünschen Ihnen eine weiterhin erfolgreiche und eindrucksvolle Visite in Berlin und Deutschland.
jüdisches berlin
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