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Schawuot und „Chessed“
01.Mai 2017 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Eine der schönsten Momente, die ich in der Geschichte Abrahams gelesen habe, war, als unser Vorvater die unendliche »Chuzpe« (Frechheit) hatte, mit Gott zu feilschen. Worum ging es? Nun, Gott hat Engel zu Abraham gesandt, um ihn zu besuchen, bevor diese Engel nach Sodom und Gomorrha gingen, um diese beiden Städte, die heillos versündigt waren, zu zerstören.
Und Abraham, zu diesem Zeitpunkt bereits fast ein 100-jähriger, kurz nach seiner Beschneidung, hatte nichts Besseres zu tun, als mit Gott eine Diskussion anzufangen, um diese Städte zu retten. Er fragte Gott, wie viele Gerechte nötig seien, um eine Stadt vor der Vernichtung zu bewahren. Und so ging die Diskussion zwischen Abraham und Gott immer weiter, die Zahl der Gerechten wurde immer geringer in ihrer »Verhandlung«. Doch entkommen konnte zum Schluss nur Lot mit seiner Frau und seinen Töchtern, die sich aus Sodom und Gomorrha errettet haben.
Derjenige, der jedoch fasziniert, ist Abraham. Denn die Liebe in seinem Herzen, selbst zu solchen Mitmenschen, die nur böse waren, schien endlos zu sein. Darum geht Abraham in die Geschichte ein, als einer mit der größten »Chessed« (Nächstenliebe) in seiner Seele. Seine »Chessed« ist an der Gastfreundschaft zu erkennen, die er jedem hat zuteilwerden lassen, und am Umgang mit seinen Mitmenschen. Er galt und gilt bis heute als großes Vorbild und dank seiner Liebe ist der Funken der »Chessed« nie aus dem jüdischen Volk verschwunden. Doch warum betrachten wir diese Geschichte zu Schawuot? Was hat die Tora mit »Chessed« zu tun?
Zu unserem schönen Feiertag, ist es mehr denn je wichtig, uns unserer Aufgaben und Pflichten bewußt zu werden. Darum ist der Schawuot-Feiertag immer eine gute Möglichkeit zu reflektieren, sich rück zu besinnen. Und ich denke, es ist deshalb kein Zufall, dass dieser Feiertag mit dem Buch Ruth verknüpft ist. Denn Ruth ist eine Nachkommin von Lot. Und obwohl bei allen Nachkommen von Lot die »Chessed« verloren gegangen zu sein scheint, ist sie bei Ruth wieder aufgeflammt.
Ruth, eine Moabiterin, ein Erzfeind Israels, mit denen man niemals eine Verbindung eingehen durfte, wird zur Urmutter König Davids. Wie konnte das sein? Die Tora warnte uns vor Ammonitern und Moabitern. Sie waren der Legende nach schlimmer als Ägypter und alle unseren anderen Peiniger. Sie verwehrten uns in der Wüste ihre Gastfreundschaft und durch ihren Frevel ist es uns für immer verboten, mit diesen Völkern einen Bund einzugehen.
Und doch wurde eine von ihnen die Urmutter unseres großen Königs David. Denn sie besaß etwas, was dieses Gesetz des Ewigen aushebeln konnte: »Chessed«.
Eine unserer wichtigsten Aufgaben war und ist es, Gott in seinen Eigenschaften nachzueifern. Und diesem Beispiel folgte Ruth. Ihre Schwiegermutter zu liebe nämlich war sie bereit, alles aufzugeben, ihre Herkunft, ihre Sicherheit, ihre gewohnte Umgebung und ihre Religion.
Es heißt, dass die Welt auf »Chessed«, auf der Nächstenliebe, aufgebaut ist. Darum ist Matan Tora, die Übergabe der Tora, ein so wichtiger Zeitpunkt für uns, doch ohne »Chessed« in unserer Seele hat er keinen Bestand und wir keine Zukunft. Denn nur durch Nächstenliebe werden die Gebote und Verbote der Tora in unserer Seele verankert. Und darum ist Ruth ein so perfektes Beispiel dafür. Sie schafft durch Chessed das Unmögliche: Eine Moabiterin, eine Fürstentochter, eine Feindin Israels.
Der Brauch an Schawuot milchige Speisen und besonders Käsekuchen zu essen, beruht übrigens auch auf dem Gebot der »Chessed«: Die Tora wird mit Milch verglichen: »Wie Milch und Honig liegt dir die Tora unter deiner Zunge.« (Hohelied 4,11). Der Gedanke an Milch und Honig, an ein Land, dass uns dies alles bieten kann, wird oft mit dem Land Israel verglichen und der Bedingung der Annahme der Tora. Aber auch Verse wie: »Du sollst nicht kochen das Lamm in der Milch seiner Mutter.« (Ex. 23:19 und 34:26), erinnern und ermahnt uns daran, wie wir Gebote erhalten haben, die mit der Tora als auch dem Talmud, überliefert wurden, um »Chessed« schwächeren Kreaturen, auch Tieren gegenüber, auszuüben.
Chag Sameach!
Ihr Rabbiner Boris Ronis
jüdisches berlin
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