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Porträt eines Porträtisten
01.Juni 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Menschen
Der Maler Michail Schnittmann stellt im Jüdischen Gemeindehaus aus
»Minjan« hieß eine Ausstellung von Michail Schnittmann, die zehn – großformatig gemalte – Juden darstellte. In der aktuellen Ausstellung sind es osteuropäische Juden des 19. Jahrhunderts und Gesichter seiner Zeitgenossen. Und auch in seinem Wilmersdorfer Atelier hängen zahllose Porträts; sogar seine Vision der Prophezeiungen Ezechiels hat bei aller Abstraktion den biblischen Cherubim menschliche Züge verliehen.
Schon in seiner Abschlussarbeit an der Kunstfachhochschule seiner Heimatstadt Odessa stellte Schnittmann Menschen in den Mittelpunkt. Das Bild zeigte drei Jungen, die, dem Betrachter das Gesicht zeigend, rückwärts ein scheinbar grenzenloses Meer betreten. Der junge Künstler verarbeitete so den tödlichen Unfall dreier Kosmonauten, der sich kurz zuvor ereignet hatte. Ob die Prüfungskommission diesen realistischen, aber nicht sozialistisch-optimistischen Hintergrund erkannt hat? Die Diplomnote »Eins« deutet eher auf ein »Nein«. Zum Studium ging Michail Schnittmann mit seiner Familie dann nach Tbilissi, wo es eine Akademie der Künste gab. Er schwärmt regelrecht von dieser Zeit: ein interessantes Studium, freundliche Menschen, die ihn immer zuerst auf Georgisch angesprochen hätten. Wenn er auf Russisch erklärte, er sei kein Georgier, sondern Jude, war die Freude groß. Mit dem richtigen Hut bekleidet, sieht er zudem aus wie der legendäre georgische Maler Pirosmani, was seine Beliebtheit im Kaukasus noch erhöhte. Aber der junge Schnittmann kam nicht in Versuchung, lange darüber nachzudenken, wo er leben und wirken wollte. Die sowjetische »propiska« (Ortszuordnung) holte ihn nach Odessa zurück in die jüdische Umgebung, aber auch zu der antisemitischen Stimmung, die von Jahr zu Jahr wuchs.
Die Stadt am Schwarzen Meer war und ist immer noch seine Heimat, obwohl nur die Familie seiner Mutter Sofa aus Odessa stammt. Sein Großvater väterlicherseits, Abraham, wurde in Schlesien geboren, ging mit seinen Eltern nach England, wo er aufwuchs, und emigrierte nach 1917 aus Überzeugung, der neue Bolschewikenstaat sei »gut für uns Juden«, nach Russland. Die Schwestern dieses Großvaters waren es, die sich um Michails Bildung kümmerten: ihm Englisch beibrachten und ihm die ersten Zeichenutensilien schenkten. Vieles in der Kunst musste Michail selbst entdecken und erlernen. Oder war alles eine Frage des Talents? Er winkt ab: »Es gibt eine Menge Regeln und Handgriffe, die den Weg zu einem guten Bild leichter machen«. Alles, was er selbst entdeckt und erarbeitet hat, gibt er seinen Schülern weiter, meist an der Volkshochschule. Dort unterrichtet Michail Schnittmann seit 18 Jahren. Sehr gern würde er nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder, am allerliebsten Kinder und Eltern zusammen unterrichten.
Jährliche »Pflichtveranstaltung« für den Maler ist die Wohltätigkeitsauktion der WIZO, wo sich die von ihm gespendeten Bilder gut verkaufen, Porträts natürlich. Und ein Selbstbildnis von Michail Schnittmann? »Im Moment bin ich mit anderen Menschen beschäftigt«, sagt er, »aber vielleicht komme ich in Zukunft auch zum Autoporträt«. Zunächst einmal aber, ab 11. Juni, stellt er seine Porträts im Foyer des Gemeindehauses aus.
Irina Leytus
Bilder-Ausstellung
»Unterwegs« von Michail Schnittmann
11. 6. – 24. 10. 2010
Foyer des Jüdischen Gemeindehauses, Fasanenstraße 79 / 80, 10623 Berlin
Mo–Do 10–18 Uhr, Fr + So 10–15 Uhr, Vernissage: Do 10.6. 19 Uhr
jüdisches berlin
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