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»Politik der Nadelstiche« gefordert
01.Januar 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Politik
Eine internationale Iran-Konferenz des Mideast Freedom Forum Berlin
Es war eine schallende Ohrfeige für die internationale Staatengemeinschaft, als Irans Präsident Machmud Achmadinedschad am 29. November 2009 ankündigte, zehn weitere Anlagen zur Urananreicherung bauen zu lassen. Seine Ankündigung gilt als Trotzreaktion auf eine neue Resolution der Internationalen Atomenergiebehörde, die eine stärkere Kooperation des Iran und einen Baustopp für die Urananreicherungsanlage bei Ghom verlangt.
Unter dem Motto »Time to act« haben Wissenschaftler aus Deutschland, dem Iran, Israel und den USA gleichzeitig ein Ende des iranischen Atomprogramms gefordert. Mehr als 150 Teilnehmer, darunter Hochschullehrer, Experten für Außenpolitik und Exil-Iraner, trafen sich Ende November zu einer internationalen Iran-Konferenz des Mideast Freedom Forum Berlin. »Der entscheidende Punkt ist, dass es nicht um die Technik geht, sondern um die Ideologie, die damit verbunden wird. Und da haben wir nur in Iran eine Ideologie des Messianismus, der Apokalypse, des Antisemitismus. Es gibt kein anderes Land der Welt, das offen erklärt, ein UN-Mitgliedsland (d.h. Israel) auslöschen zu wollen«, sagte der Hamburger Politikwissenschaftler Matthias Küntzel. In seinem neuen Buch »Die Deutschen und der Iran – Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft« malt er ein Horrorszenario: Einen iranischen Atomschlag gegen den Judenstaat. »Israel ist nicht mehr« lautet die fiktive Schlagzeile vom 6.12.2011 in Küntzels Abtraum. Dass dieser Horror Realität werden könnte, befürchtet auch Gerald Steinberg von der Bar-Ilan-Universität in Israel. »Es ist sehr leicht vorstellbar, dass Hisbollah-Führer sich in Zukunft dafür entscheiden, Israel wieder anzugreifen, in der Erwartung, dass die iranische Atombombe sie beschützen wird. Wir könnten eine größere nukleare Krise im Nahen Osten erleben, ohne die Fähigkeit, sie friedlich zu beenden. Wenn Iran in den nächsten sechs bis zwölf Monaten sein Atomprogramm fortsetzt, wird Ägypten sicherlich nachziehen, vielleicht auch Saudi-Arabien, Syrien und Algerien. Wir werden einen Nahen Osten mit fünf oder sechs Atomwaffenstaaten haben.« Und Michael Spaney, Sprecher der Kampagne »Stop the Bomb«, sagt: »Das Problem betrifft nicht nur Israel, sondern die komplette internationale Gemeinschaft.«
Zu den Unterstützern von »Stop the Bomb« gehören Elfriede Jelinek, Leon de Winter, Elie Wiesel und Henryk M. Broder, die Spitze des Zentralrats der Juden und Lala Süsskind. In einer Internet-Petition fordern mehrere tausend Unterzeichner ein Verbot der Hisbollah in Deutschland, eine Unterstützung der iranischen Opposition und deutsche Handelssanktionen. Die Bundesrepublik ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Irans. Für die Deutschen, so Matthias Küntzel, wären schärfere Sanktionen durchaus zu verschmerzen. »2005, als die Geschäftsbeziehungen zum Iran am höchsten waren, hat der Anteil der deutschen Exportindustrie nach Iran 0,6 Prozent des Gesamtanteils der deutschen Exporte weltweit ausgemacht.«
Den Einwand, dass Russland und China schärfere Sanktionen nicht mittragen würden, ließen die Referenten nicht gelten. Deutsche Firmen, sagen sie, unterhielten seit Jahren so intensive Beziehungen zum Iran, dass man dort auf deutsche Ersatzteile angewiesen sei. Selbst einseitige deutsche Sanktionen könnten das Regime also empfindlich treffen. Immanuele Ottolenghi, Leiter des Transatlantic Institute in Brüssel führte aus, der Iran importiere 40 Prozent seiner Technologie aus Europa. Um das Mullah-Regime durch Sanktionen zu beeinträchtigen, müssten diese umfassend sein und Teil einer Gesamtstrategie. Ein Systemwechsel im Iran sei durchaus im Interesse des Westens: »Es ist ein Fehler, den Iranern ständig zu erzählen, dass man ihr Regime nicht stürzen will. Alle Optionen müssen auf den Tisch.« Auf dem diplomatischen Parkett sei eine Politik der Nadelstiche angebracht. Beispielsweise schlug Ottolenghi vor, Straßen in Europa nach Neda Agha-Soltan zu benennen, der jungen Frau, die am 20. Juni 2009 in Teheran bei Protesten gegen die Wahlfälschungen getötet worden war und zur Märtyrerin der Opposition wurde.
Die Podien der Iran-Konferenz waren hervorragend besetzt, die Diskussionen informativ und das Publikum ausdauernd. Matthias Küntzel bedauerte allerdings, dass kein Vertreter des Auswärtigen Amtes anwesend war und die Teilnehmer mit ihren Ansichten »unter sich« blieben.
Ayala Goldmann
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