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Pessach 5779
01.April 2019 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Zu Pessach sind wir aufgefordert, eine unserer wichtigsten Charaktereigenschaften zu trainieren, eine Eigenschaft nämlich, die ein gemeinschaftliches Zusammenleben erst ermöglicht: Die Empathie. Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, um an ihrer statt zu fühlen, was sie fühlen. So ist die Kernaussage von Pessach nicht nur, dass wir die Sklaverei hinter uns gelassen haben, sondern die Aufforderung in der Haggada lautet auch: B’chol dor wa-dor chjaw adam lirot et atzmo, k’ilu hu jaza mimizrajim – dass man sich in jeder Generation so ansehen möge, als ob man selbst aus Ägypten ausgezogen wäre.
Obgleich wir dieses Gebot jedes Jahr lesen, ist es für viele von uns eine große Herausforderung. Wir leben in Freiheit, ja viele von uns sind in Freiheit geboren und haben nie wirkliche Unfreiheit kennengelernt. Zudem richtet sich die Aufforderung an alle: Nicht-Gelehrte oder Gelehrte – alle müssen vom Auszug berichten. Wir müssen uns ausnahmslos in die Lage versetzen, als ob wir selbst Sklaven gewesen wären.
Eine Variante dieses Satzes findet sich bei Maimonides. Bei ihm heißt es, dass man so aussehen muss, als ob man aus der Sklaverei ausziehen würde.
Natürlich sind sich diese Aussagen ähnlich. Bei beiden geht es um das Einfühlungsvermögen, aber Maimonides Variante geht noch weiter, indem sie nicht nur auf einen inneren Prozess rekurriert, sondern auch auf Äußerliches abzielt.
So wundert es nicht, dass es in einigen sephardischen Gemeinden Bräuche gibt, die den Sederabend noch aktiver erleben lassen. Hierzu gehört es, mit Mazza auf den Schultern um den Sedertisch zu laufen, um so die Flucht aus Ägypten zu symbolisieren. Oder: sich mit Frühlingszwiebeln zu schlagen, die die Schläge der ägyptischen Aufseher symbolisieren.
Auch wenn uns diese Rituale auf den ersten Blick vielleicht wundersam oder gar spaßig erscheinen, so zwingt uns die Betrachtung verschiedener Bräuche nebst ihrer rabbinischen Grundlagen, darüber nachzudenken, dass unserer Empathie auch Taten folgen sollten, dass sie Auswirkungen auf unser Handeln haben sollen. Das Verstehen des Anderen, das sich Einlassen und die damit verbundene Akzeptanz, dass die Welt nicht schwarz oder weiß, sondern meistens grau ist, bildet die Grundlage hierfür.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein koscheres Pessach
Rabbiner Jonah Sievers
Der Sederabend im Schnelldurchlauf
Viele glauben, dass ein Seder eine komplizierte Angelegenheit ist. In der Tat dauert er lange und auch die Vorbereitungen für Pessach sind oft sehr anstrengend, aber sein Ablauf selbst ist nicht kompliziert. Zum Glück gibt es heute eine Vielzahl an Haggadot mit Erklärungen und Umschrift, die es auch dem Ungeübten ermöglichen, einen traditionellen Sederabend zu halten.
Bevor der Seder beginnen kann, benötigt man einen Sederteller. Auf diesen legen wir:
_ drei Mazzot
_ Maror und Chaseret, zwei Arten von Bitterkräutern,
_ Karpas, ein Gemüse, das nicht zu den Bitterkräutern gehört (zB. Petersilie),
_ Zeroa, ein Knochen, der an das Opfer im Tempel erinnert, und
_ Bejtza, ein hartgekochtes Ei als Erinnerung an das Chagiga-Opfer.
Falls keine Familientradition besteht, folgen Sie einfach der Anordnung, die häufig auf den Sedertellern vorgegeben ist, oder die Sie in Ihren Haggadot vorfinden.
Im Laufe des Sederabends werden vier Becher Wein (oder Traubensaft) getrunken, die an die vier Stufen der Erlösung aus Ägypten erinnern. Der Abend gliedert sich in:
1. KADESCH (Kiddusch)
Wir sagen den Kiddisch für den Feiertag. Nur am ersten Abend wird auch noch das Schehechijanu eingefügt. Der 1. Becher wird angelehnt getrunken.
2. URCHAZ (Händewaschen)
Der Leiter des Seders wäscht sich die Hände ohne einen Segensspruch. Dies erinnert daran, dass man seine Hände waschen muss, wenn man Gemüse ißt, das in Wasser getaucht wurde und noch feucht ist.
3. KARPAS (Vorspeise)
Ein Gemüse wird in Salzwasser getaucht, in Erinnerung an die Tränen, die von den versklavten Vorfahren in Ägypten vergossen wurden.
4. JACHAZ (Brechen des Mazza)
Der Leiter des Seders nimmt die mittlere der drei Mazzot und bricht sie. Das größere Stück wird als Afikoman aufbewahrt.
5. MAGGID (Erzählung)
An dieser Stelle folgt der wichtigste Teil des Abends. Verschiedene Texte aus der Tora und den Midraschim werden vorgelesen und erörtert. Am Anfang dieses Abschnittes steht das bekannte Lied »Ma nischtana?«, in dem vier Fragen gestellt werden. Der Abschnitt endet mit dem ersten Teil des Hallel, gefolgt von einem Segensspruch über die Errettung aus Ägypten.
Der 2. Becher wird angelehnt getrunken.
6. ROCHZA (Händewaschen)
Jetzt werden die Hände mit einem Segensspruch gewaschen, so wie es vor jedem Essen mit Brot (hier Mazza) üblich ist.
7. MOZI MAZZA (Segen über Mazza)
Die oberste und unterste Mazza wird genommen und hierüber zuerst der Segensspruch »ha-motzi lechem min ha’aretz« gesagt, danach folgt ein Segensspruch bezüglich des Gebots Mazza zu essen.
8. MAROR (Bitterkraut)
Man nimmt Maror, taucht es in Charoset und isst es, nachdem man den Segensspruch gesagt hat.
9. KORECH (Sandwich)
In Erinnerung an den Brauch Hillels, der Maror zwischen zwei Mazzastücke legte und aß, wird ein Mazzasandwich zubereitet.
10. SCHULCHAN ORECH (Gedeckter Tisch)
Endlich, mögen einige sagen, folgt das Essen.
11. ZAFUN (Afikoman)
Das Afikoman wird verteilt. Traditionell das letzte Essen, das man am Sederabend zu sich nimmt.
12. BARECH (Tischgebet)
Es folgt das Tischgebet.
Der 3. Becher wird angelehnt getrunken.
Darauf wird die Tür geöffnet und der Becher für Elijahu den Propheten gefüllt.
13. HALLEL
Der zweite Teil des Halles wird gesagt.
Der 4. Becher wird angelehnt getrunken.
14. NIRZAH
Zum Abschluss gibt eine ganze Reihe traditioneller Pessachlieder, die jetzt gesungen werden können.
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