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Neues Label: »Mädchenschule«
01.Februar 2011 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Orte
Die einstige Jüdische Mädchenschule soll ein Sammelbecken für Kunst und Kultur werden
Seit 1. Januar 2011 ist Michael Fuchs (Galerie Haas & Fuchs) Mieter der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße 11–13. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat, nachdem die RV mit 15 zu eins zugestimmt hatte, dem erfahrenen Galeristen – der bei Christie’s und Sotheby’s gearbeitet und die Aberbach Fine Art in New York geleitet hat – den Zuschlag für das seit 1996 leer stehende Gebäude erteilt. Fuchs hat sich mit seinem Finanzierungs- und Projektkonzept gegen den Mitbewerber, das »C/O Berlin«-Forum durchgesetzt, den expressionistischen Backsteinbau für 20 Jahre mit einer Option für weitere zehn Jahre gemietet und in der ersten Januarwoche auch gleich eine Pressekonferenz abgehalten. Das Medieninteresse war groß. Die Journalisten drängten sich in der ehemaligen Turnhalle zwischen Heizpilzen, Sprossenleitern und abblätternden Wänden, um von Fuchs und seinen Mitstreitern zu erfahren, was hier entstehen soll.
Michael Fuchs möchte ein »Sammelbecken für Kunst und Kultur« errichten. Verteilt über die vier Etagen soll es hier Galerien, Studios und Ateliers geben, einen großen Ausstellungsraum in der ehemaligen Aula, einen Buchladen für Kunst und Architektur, einen feinen Weinladen und ein Restaurant.
Im Parterre wird eine Dokumentation an die Geschichte des Hauses erinnern, das 1930 von Alexander Beer gebaut wurde, der auch das jüdische Waisenhaus in Pankow und die Synagogen Fraenkelufer und Prinzregentenstraße geschaffen hat und 1944 in Theresienstadt starb. Die Schule wurde 1942 von den Nazis geschlossen und das Haus als Krankenhaus genutzt; zuletzt beherbergte es die »Bertolt-Brecht-Oberschule«.
Der Charakter der Schule soll erhalten bleiben, das komplette Objekt wird »Mädchenschule« heißen, die »Aula« wird weiter »Aula« heißen und die »Turnhalle« (nun als Restaurant) – »Turnhalle«. Das gilt nicht nur für die Namen. Für die denkmalgerechte Sanierung und den Innenausbau der 3 300 Quadratmeter Nutzfläche konnte Fuchs Armand Grüntuch und Almut Ernst gewinnen, die auch an der Leipziger Straße und am Monbijouplatz gebaut haben. Grüntuch war bereits bei Norman Foster in London tätig und unterrichtet an der Universität der Künste. Er erläuterte den Journalisten, dass der Bau – der inzwischen erhebliche Schäden aufweist – behutsam und unspektakulär in seinen Urzustand zurückgeführt werden wird und dass sich unter anderem die 14 Klassenräume, die zwischen 50 und 80 Quadratmeter groß sind, ideal als Atelierräume oder für Workshops eignen.
Jochen Palenker, Finanzdezernent der Gemeinde, zeigte sich erleichtert. Nicht nur, dass man die
40 ooo Euro jährlich für die reine Erhaltung nun spare, sondern natürlich auch die Sanierungskosten, für die Fuchs etwa vier Millionen Euro berappen muss; im Gegenzug habe er günstige Mietkonditionen erhalten. Nach der Rückübertragung von der Jewish Claims Conference 2009 hatte die Gemeinde zwar gehofft, das Objekt als Erweiterung ihrer Oberschule selbst nutzen zu können, doch sei dies derzeit absolut nicht leistbar. Auf die Frage, ob man damit nicht ein »Herzstück« weggebe, antwortete Palenker: »Die Mädchenschule ist und bleibt Teil der Jüdischen Gemeinde. Ein Verkauf stand nie zur Debatte.« Selbst wenn Fuchs früher als geplant wieder aussteigen würde, hätte die Gemeinde dann ein wunderbar saniertes Objekt. »Unsere Aufgabe ist es, das Gebäude für unsere Nachfolger zu erhalten. Die müssen dann in spätestens 30 Jahren neu entscheiden, was sie weiter damit tun wollen…«. Mit dem Projekt Fuchs sei man auch dem Ziel näher gekommen, für das gesamte Ensemble, zu dem auch das ehemalige Jüdische Krankenhaus und die »Ahawah« gehören, eine tragfähige Lösung zu finden (möglicherweise zusammen mit dem von Berlin und Potsdam angedachten »Zentrum für Jüdische Studien«).
Zur Attraktivität des Ortes werden erheblich wohl auch die künftigen Gastronomiebetreiber beitragen. Stephan Landwehr, Boris Radczun und Jessica Paul vom szenebekannten »Grill Royal« in der Friedrichstraße – die ersten Untermieter – wollen hier »etwas Besonderes kreieren«. Ihnen schwebt neben dem geplanten Restaurant mit überdachtem Außenbereich im Innenhof eine Tages- und Nachtbar, eine Raucherlounge, ein Kochstudio und auch ein kleiner Bereich mit koscherer Gastronomie vor, in jedem Fall ein Gegenpol zur leicht heruntergekommenen Oranienburger Straße.
Wenn alles glatt läuft, soll die »Mädchenschule« Ende des Jahres öffnen.
Judith Kessler
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