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Nachruf auf Shlomo Tichauer sel. A.
01.November 2022 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Shlomo Tichauer sel.A. wurde 1935 in Tel Aviv geboren. Seine Eltern kamen ursprünglich aus Polen, lebten dann aber in Deutschland. 1932/33 wanderten sie ins damalige Palästina aus.
Shlomos Vater war ein politisch sehr interessierter Mensch. Nach der Lektüre von »Mein Kampf« wusste er, dass die Familie in Deutschland keine Zukunft mehr hatte. Das Interesse für Politik hat Shlomo Tichauer wohl von seinem Vater geerbt – so wie auch die Liebe zur jüdischen Tradition.
Die schönste Zeit während seiner Kindheit verbrachte Shlomo im Kibbutz Maayan Zvi. Schon immer liebte er den Gordon Beach in Tel Aviv und den dortigen Pool, in dem er schwamm, wann immer er in Tel Aviv war.
Überhaupt Israel – im Herzen blieb Shlomo Tichauer immer ein stolzer Israeli. Auch als er später nach Berlin zog, wo er viele Jahre lang Vorsitzender der Zionistischen Organisation war und von wo aus er in den 1990er-Jahren Solidaritätsreisen nach Israel organisierte, so etwa während des Irakkrieges.
Nach seinem Militärdienst in Israel zog Shlomo Tichauer 1957 nach Europa – zuerst nach Paris, um ein geisteswissenschaftliches Fach zu studieren. Der Vater hatte aber andere Pläne für seinen Sohn und schrieb ihn im gleichen Jahr in Berlin für Maschinenbau ein. Als folgsamer Sohn entsprach Shlomo Tichauer dem Wunsch seiner Eltern.
Er beendete sein Studium 1966, wurde dann Dozent an der TFH, 1980 Gutachter und eröffnete sein eigenes Büro. Er war sehr gut in seiner Arbeit, mochte sie auch, war ein beliebter Professor, es war aber nie seine Passion.
1971 lernte er bei einem Besuch in Buenos Aires seine Frau Liliana kennen und lieben. Im selben Jahr wurde standesamtlich geheiratet, 1972 heiratete das Paar in der Synagoge Libertad im Beisein von Kantor Leible Schwartz. Shlomo und Liliana bekamen zwei Söhne, Gabriel und Rafael.
Shlomo Tichauers Passion war ganz bestimmt seine Liebe zum Judentum. So führte ihn bereits im Jahre 1957 einer seiner ersten Wege in die Synagoge Pestalozzistraße, die ihm seitdem zeitlebens seine synagogale Heimat blieb.
Shlomo Tichauer verband eine lebenslange Freundschaft mit unserem früheren Okerkantor Estrongo Nachama. Darüber hinaus war er viele Jahre lang als Gabbai unserer Synagoge tätig. Egal, was geplant wurde – die Hohen Feiertage verbrachte er immer in unserer Synagoge und las dort häufig die Haftara vor, so auch noch vor wenigen Wochen vor Rosch Haschana. An Rosch Haschana selbst konnte er dies aufgrund seiner Krankheit leider nicht mehr tun.
Seinen hebräischen Namen konnte ich mir immer gut merken: Shlomo ben Jitzchak, so wie der größte unserer Kommentatoren: Raschi. Denn Shlomo Tichauer war Lehrer und Kommentator für Generationen von Kindern unserer Gemeinde. 1963, nachdem eine Religionslehrerin ausfiel, bestimmte der frühere Gemeindevorsitzende Heinz Galinski, dass Shlomo nun den Unterricht übernehmen sollte – und dies tat er dann bis zum Jahr 2000 mit großem Engagement und großer Freude.
Mit vielen seiner Schüler blieb er auch später noch in Kontakt. Er unterrichtete nicht nur die Kinder in West-Berlin und der Pestalozzistraße, sondern auch Kinder der anderen Synagogen, und zusammen mit Rabbiner Stein sel.A. unterrichtete er auch in Ost-Berlin. Hierauf war er zurecht immer stolz. Auch zeigt sich darin sein ausgleichender Charakter. Shlom Bajt und Ehrlichkeit waren sein Motto, gemäß dem Vers aus Kohelet: »Tov Shem mischemen tov« – »Besser ein guter Name als gutes Öl«.
Im Zentrum aber, neben all seinen öffentlichen Tätigkeiten, stand die Familie. Eine Familie, in der jüdische Tradition gepflegt wurde und die sein Rückhalt war. Denn all das hätte er ohne seine Frau Liliana nicht schaffen können. Sie hielt ihm mit ihrer Liebe und Hilfe den Rücken frei und hat ihn in der letzten Zeit auch aufopferungsvoll gepflegt.
Shlomo Tichauer sel.A., Shlomo ben Jitzchak, ging am 13.10.22 / 18. Tischri 5783, Chol Ha-Moed Sukkot in seine Welt und wurde unter großer Anteilnahme der Gemeinde am 19.10.22 / 24. Tischri 5783 auf dem Friedhof am Scholzplatz zu seiner ewigen Ruhe gebettet.
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und insbesondere die Synagoge Pestalozzistraße sind Shlomo Tichauer sel.A. zu ewigem Dank verpflichtet.
»Sein Name wird zum steten Segen genannt werden in unserer Mitte. Die Weisen leuchten wie des Himmels Glanz, und die zum Wohle der Gesamtheit gewirkt, wie die Sterne für und für«.
T’hi secher zaddik baruch!
Gemeinderabbiner Jonah Sievers
jüdisches berlin
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