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Mit einem lachendem und einem weinenden Auge
01.April 2020 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Jugend
Kultursplitter im Jüdischen Gymnasium
Als Barbara Witting 2002 die Leitung unserer Schule übernahm, brachte sie von ihrer alten Wirkungsstätte zahlreiche Ideen mit. Eine davon stieß zunächst auf Fragen: Kultursplitter? Wieso Splitter? Die Splitter oder doch nur einer? Der Begriff Kultur war dabei nicht strittig, gab es doch an der Schule neben den »kulturellen Ausgestaltungen«, die Schüler*innen unter Leitung von Boris Rosenthal und Ulla Berhanu regelmäßig in der ganzen Stadt übernahmen, bereits Rezitationswettbewerbe und »Russische Abende«. Die »Kultursplitter«, denn die Diversität der Beiträge verlangt zwingend den Plural, ließen die jährliche Veranstaltung schnell zu einer werden, für die es regelmäßig keine Sitzplätze mehr gab. Ein Feuerwerk von Einzel- und Gruppendarbietungen brachte dann die Aula zum Kochen: Lateinamerikanische Tänze, Bauchtanz, Jazzdance, aber auch Akrobatik, Gedichte in sieben Sprachen und unzählige Szenen und Sketche. Es gab legendäre Auftritte von Mr. Brill in seinem unnachahmlichen English. Und wer erinnert sich nicht an die naturwissenschaftlichen Theaterstücke von Juliane Schellhas, die uns mitnahmen auf eine Reise durch den Körper. Nicht zu vergessen die musikalischen Highlights: Soli am Klavier, am Cello, auf der Klarinette, auf der Harfe, ein Solo für sechs Hände auf einer Gitarre… Für klassische Gitarre wurde sogar ein Gaststar aus der Grundschule engagiert, bevor er (Benjamin Fischer) endlich Schüler unserer Schule wurde. Bands fanden sich zusammen, alle, die Talent unter Beweis stellen wollten und konnte, traten auf.
Das alles wäre ohne die vielen Lehrer*innen, die die jungen Menschen ermutigten und vorbereiteten, nicht möglich gewesen. Aber so wie jedes Theater einen Intendanten für das große Ganze braucht, und so wie eine Inszenierung eine Regie benötigt, brauchten auch die Kultursplitter jemanden, der dem Ganzen Richtung und Konzept gab: Ulla Berhanu gelang es nicht nur jedes Jahr aufs Neue, die Kolleg*innen zu motivieren, Schüler*innen darin zu unterstützen, ihr zum Teil verborgenes oder geheim gehaltenes Talent zu Gehör zu bringen. Am 26. Februar überraschte deshalb auch Orel (7a) nicht nur seine Deutschlehrerin damit, dass er hervorragend Geige spielen kann. Es gelang sogar, einen Mathematiklehrer dazu zu bewegen, Alicia (9c) auf der Gitarre zu begleiten.
Jedes Jahr wieder brachte Ulla Berhanu eine grandiose Show auf die Bühne, die kaum erahnen ließ, wie viel Arbeit dahintersteckt. Moderator*innen (in diesem Jahr Hannah und Maidin) mussten ausgebildet werden, Texte geschrieben und die Präsentation geprobt werden. Durchdachte Planung, Flexibilität und Nerven wie Drahtseile, das beschreibt Ulla Berhanu nicht einmal annähernd. Ihre Auftritte mit Brecht-Songs sind genauso legendär wie die »Roten Rosen«, die sie für die Abiturienzia gesanglich regnen ließ. Wie sie selbst bei den letzten Kultursplittern sagte, wäre ihr das ohne die Unterstützung ihrer Kolleg*innen, allen voran Boris Rosenthal sowie Svetlana Satareva, die mit den Auftritten ihrer Russischgruppen jedes Programm bereicherte, nicht möglich gewesen. Deshalb dankte sie diesen stellvertretend für alle Beteiligten und machte auch deutlich, was ihr besonders am Herzen liegt: Schüler*innen über den Unterricht hinaus dazu befähigen, sich selbst mehr zuzutrauen.
Auch diese letzten Kultursplitter gingen irgendwann zu Ende. Wie immer war der Abend gefüllt mit Musik, mit Gedichten und Sketchen in verschiedensten Sprachen, mit Auftritten der Siegerin von »Jugend musiziert!« in Berlin, Lija (10b), mit der Abiturientin Charlotte am Cello, die ihre Schwester Pauline (Kl. 5) auf der Geige begleitete, mit »Señorita« in der Piano-Version (David, 7c) und last but not least mit dem Känguru von Marc-Uwe Kling. Auch dieses verabschiedet sich mit seinem Partner Marvin ins Abitur. Die auftretenden Künstler*innen wurden mit viel Applaus und Bravo-Rufen gewürdigt. Aber all dies wurde in den Schatten gestellt vom lang anhaltenden, rauschenden Beifall und minutenlangen Standing Ovations, als sich Ulla Berhanu ein letztes Mal verbeugte. Eine mehr als verdiente Würdigung ihres jahrelangen Engagements für dieses Kulturformat, das nun in der einen oder anderen Form neu erfunden werden will. Es gibt mit Merle Dörbaum eine engagierte neue Musiklehrerin und neben ihr zahlreiche junge Kolleg*innen, die neue Ideen und frischen Wind auf die Bühne der Aula bringen könnten. Der Mathematiklehrer David Fleischmann hat mit seiner Gitarre bereits gezeigt, was möglich ist, wenn man über die Grenzen seines Fachs hinausschauen kann und will. Denn »jedem Ende wohnt eine neuer Anfang inne«.
Hauke Cornelius
jüdisches berlin
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