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Menschenrechte im Blick

01.Juni 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Gesellschaft

Zu seinem 100. Geburtstag richtete der »International Council of Jewish Women« seine 14. Europäische Konferenz in Berlin aus

»Mauern durchbrechen – jüdisches Leben bewahren« war das Motto der 14. Europäischen Konferenz des International Council of Jewish Women, zu der über 150 Frauen aus 23 Ländern Ende April nach Berlin gekommen waren. Im Großen Saal im Centrum Judaicum, wo sich einst die Frauenempore der Neuen Synagoge befand, diskutierten sie drei Tage lang über die Erneuerung jüdischen Lebens, die durch die politischen und sozialen Umbrüche 1989/90 vielerorts in Europa angestoßen wurde und die Herausforderungen, denen sich jüdische Frauen im Zuge dieser Entwicklung stellen. Zum Auftakt trafen sich die Teilnehmerinnen am ehemaligen jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße, von wo aus Tausende Berliner Jüdinnen und Juden nach Auschwitz und Theresienstadt deportiert wurden. Viele der Frauen, darunter Schoa-Überlebende, kamen sicherlich mit gemischten Gefühlen nach Deutschland.

Organisiert wurde die Tagung von der Vorsitzenden des Jüdischen Frauenbundes, Cornelia Maimon Levi, und der europäischen Vorsitzenden des ICJW, Liliane Seidman. In dem ambitionierten Programm ging es um Fragen jüdischer Identität, Bildung und Erziehung, Migration und Integration, Frauenrechten und Feminismus. Die Eröffnungsrede hielt Beate Klarsfeld, die über ihr Engagement bei der Aufklärung und Verfolgung von NS-Verbrechen sprach.

Berlin, die Stadt, die Ost und West vereinigt, die Zerstörung und Erneuerung, Erinnerung und Wiederbelebung symbolisiert, stand im Mittelpunkt des Interesses. Judith Kessler und Toby Axelrod sprachen über jüdisches Leben heute, Iris Weiss machte mit jüdischer Sozialarbeit in Vergangenheit und Gegenwart bekannt, das Museum Stille Helden und das Anne-Frank-Zentrum stellten ihre Arbeit vor und verschiedene thematische Führungen durch das Jüdische Museum gaben Einblick in die deutsch-jüdischen Geschichte.

Besorgnis riefen Berichte über die zunehmende Diskriminierung von Frauen im öffentlichen Raum hervor. Auch die Ausführungen der Vertreterin aus Ungarn über zunehmenden Antisemitismus beunruhigten. Die Tagungsteilnehmerinnen sprachen sich dafür aus, dass der ICJW geeignete Maßnahmen unternimmt, um die Frauen in Israel und Ungarn zu unterstützen.

 

Auch die beiden Frauenbund-Pionierinnen Ruth Galinski (5.v.r.) und Inge Marcus (4.v.r.), beide heute 90 Jahre alt, ließen es sich nicht nehmen, den 100. Geburtstag des ICJW im Centrum Judaicum mitzufeiernFoto: Margrit Schmidt

Auch die Notlage der Agunot, der jüdischen Frauen, denen die Ehemänner die Scheidung verweigern, wurde diskutiert. Sharon Shenhav, Anwältin und Leiterin des International Jewish Women’s Rights Project des ICJW in Jerusalem, verwies darauf, dass dieses Problem, das die Rechte von Frauen und Kindern massiv verletzt, dringend einer Lösung bedarf. Der ICJW empfiehlt daher, überall, wo ein Fall einer Aguna bekannt wird, auf die Situation der betroffenen Frau aufmerksam zu machen und durch geeignete Maßnahmen den Ehemann unter Druck zu setzen.

Zum Abschluss der Tagung begingen die Teilnehmerinnen gemeinsam den 100. Geburtstag des ICJW. 1912 schlossen sich Vertreterinnen jüdischer Frauenorganisationen aus Europa und Amerika zum International Council of Jewish Women zusammen. Erste Präsidentin wurde Bertha Pappenheim, die 1904 den Jüdischen Frauenbund ins Leben gerufen hatte, der 1938 zwangsweise aufgelöst werden musste. In den 100 Jahren seiner Existenz hat der ICJW viel erreicht. Die anlässlich des Jubiläums herausgegebene Broschüre gibt einen beeindruckenden Überblick über die Aktivitäten in den einzelnen Ländern. Als Ehrengäste nahmen unsere Gemeindemitglieder Ruth Galinski und Inge Marcus, sichtlich bewegt, an den Feierlichkeiten teil. Sie gehören zu denjenigen, die den Jüdischen Frauenbund nach der Schoa wiederbegründeten und sich Zeit ihres Lebens dort, in unserer Gemeinde und im ICJW für die jüdische Gemeinschaft engagierten.

Lara Dämmig