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Lienekes Hefte

01.Dezember 2014 | Beiträge – jüdisches berlin | Jugend

Eine erstaunliche Geschichte des Überlebens

Jacqueline van der Hoeden, 1933 in Utrecht als jüngstes von vier Kindern geboren, wurde von der Familie stets Lieneke gerufen. Heute lebt Lieneke, die jetzt Nili Goren heißt, als Mutter von drei Kindern und Großmutter von sechs Enkeln in Israel.

Die 81jährige Nili Goren besuchte kurz vor den Herbstferien das Jüdische Gymnasium, um Schülerinnen und Schülern von ihrem bemerkenswerten Überleben in den von den Nationalsozialisten besetzten Niederlanden zu berichten.

Während diese Gesprächs wurden immer wieder Seiten aus »Lienekes Heften« gezeigt, deren bunte Illustrationen und fantasievollen Beschreibungen die jugendlichen Zuhörer besonders beeindruckten. Diese insgesamt neun Hefte schrieb und illustrierte ihr Vater, Jacob von der Hoeden, ein Tierarzt und Dozent an der Utrechter Universität, in der Zeit, die Lieneke während der deutschen Besatzung bei unterschiedlichen nichtjüdischen Familien verbrachte.

Zunächst lebte Lieneke mit ihrer älteren Schwester Rachel bei der Familie Cooymans. Als diese Familie verdächtigt wurde, Juden zu begünstigen, mussten sich die Schwestern trennen. Lieneke kam zu Dr. Hein Kohly in ein kleines Dorf, wo sie sogar Post von ihrem Vater erhalten konnte. Kohly erhielt über geheimen Verbindungen die illustrierten und zu kleinen Heften gebundenen Briefe des Vaters, die Lieneke jeweils nur einen Tag lang behalten durfte; danach wurde das Heft vernichtet, sagte man der kleinen Lieneke. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bekam Lieneke jedoch unerwartet alle Briefe von Kohly ausgehändigt. Er hatte sie in einer Dose unter einem Apfelbaum im Garten versteckt und es nach eigener Aussage »nicht übers Herz gebracht«, die Briefe zu vernichten, denn »sie waren zu schön, um sie zu verbrennen«.Schon kurz nach Kriegesende sah Lieneke ihren Vater und ihre Geschwister wieder, mit denen sie nach Israel auswanderte. Die Mutter war während der Zeit in den unterschiedlichen Verstecken gestorben.

Ihr typisch niederländischer (Spitz-)Name, in Verbindung mit ihren blauen Augen, den guten Beziehungen des Vaters und dem Mut der befreundeten Familien, die sie versteckten, habe sie vermutlich vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten bewahrt und ihr Leben gerettet, sagte Nili Goren später. Die Familien, bei denen die Geschwister versteckt lebten, wurden von Yad Vashem als »Gerechte unter den Völkern« geehrt.

2007 veröffentlicht die französische Schriftstellerin Agnès Desarthe erstmals »Lienekes Hefte« zusammen mit ihrer Geschichte. 2009 erschien eine deutsche Übersetzung beim Berliner Verlagshaus Jacoby & Stuart. Die Geschichte inspirierte die Wiener Schauspielerin Chris Pichler, das Leben von Lieneke auf die Bühne zu bringen. Am 20. Oktober trug sie im Rahmen einer szenischen Lesung Auszüge aus den Briefen vor und schilderte die abenteuerlichen Umstände ihrer Entstehung und ihres Weges bis zur Übergabe an das Kindermuseum Yad LaYeled in Israel.

Die Lesung wurde von Schülerinnen und Schülern des Jüdischen Gymnasiums unter der Leitung ihres Musiklehrers Boris Rosenthal musikalisch umrahmt

Lienekes Hefte