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Licht der Weisheit

01.Dezember 2018 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Feiertage

Gedanken zu Chanukka von Gemeinderabbiner Boris Ronis

Wer von uns kennt es nicht: eine Reise, sei sie beruflicher oder privater Natur – oft ist man da fremd, in einer neuen Stadt, einem neuen Land, einer neuen Kultur, mit Gewohnheiten, Sitten und Menschen, die man nicht kennt und die einem nicht vertraut sind. Man ist ein Fremder. Wir, die Kinder Israel, kennen solch ein Gefühl nur zu gut. Denn wir stammen aus vielen Teilen der Welt – sei es aus dem östlichen Teil Europas oder einem Teil Amerikas, vielleicht sogar kommen wir aus Israel. Und oft finden wir uns wieder in einem Land, in dem wir Teil einer anderen Kultur sind und trotzdem unser Judentum pflegen wollen. Häufig fällt uns das aber nicht leicht. Manchmal ist es ein Spagat, der unsere volle Aufmerksamkeit und Kreativität abverlangt.

Chanukka ist ein Fest, dass es einfacher machen will, in einem fremden Land unseren Pfad des Judentums fortzuführen. Das Fest ermöglicht uns, diesen Weg durch das Entzünden eines kleinen Lichtes zu gehen, das bereits seit vielen Generationen entfacht wird. Warum ist das aber so?

Die Antwort ist einfach: Wenn wir uns die Gebote für das Entzünden der Lichter ansehen, so stellen wir fest, dass wir die Chanukkia – unseren Chanukka-Leuchter – an zwei Stellen platzieren können: Einmal dort, wo sie unsere Mesusa beleuchtet (am Eingang) und/oder auf einem Fensterbrett, so dass man das Chanukka-Licht von Draußen sehen kann. Wozu soll das aber gut sein? Nehmen wir einmal an, und wir greifen den Gedanken des Fremdseins in einer fremden Stadt wieder auf: Viele von uns waren schon einmal in solch einer Lage – auf einer Reise. Man kennt niemanden. Über uns Menschen sagt man aber, dass wir doch die Gesellschaft anderer Menschen vorziehen. Nun sehen wir eine Chanukkia in einem Fenster eines Hauses leuchten. Was wissen wir somit? Hier wohnt ein jüdischer Mensch, der Chanukka feiert und hoffentlich einen Platz bei sich am Tisch hat. Somit ist die religiöse Pflicht, die wir erfüllen, nicht nur mit dem Gebot des »Lehadlik Ner schel Chanukka« – mit dem Entzünden der Chanukkia – erfüllt, sondern weitet sich in der Konsequenz aus: Wenn bei uns ein fremder Mensch, in einer für ihn fremden Stadt, an unsere Tür klopft und diese Person auf unsere Gastfreundschaft bauen kann. Und das geschieht durch ein einfaches Licht, dass wir am Abend anzünden. Dieses Licht weist somit einem Fremden in der Dunkelheit seinen Weg zu einem Ort, wo er nicht allein ist und das Gefühl bekommt, willkommen zu sein. Und hier schließt sich der Kreis: Wer in der Dunkelheit und Kälte nach Geborgenheit und einem warmen Ort sucht, der wird durch dieses Licht geleitet und einen Ort des Fests vorfinden.

Ein Midrasch geht da noch viel weiter und erzählt uns, dass die Feste von Chanukka und Purim auch in Zukunft gefeiert werden, wobei der Verweis in Richtung Messianische Zeit geht.
Beides sind Feste der gemeinsamen Freude und beide erinnern an einen Kampf gegen das Jüdische Volk. Purim erinnert uns an Haman, der alle Juden physisch vernichten wollte und Chanukka erinnert uns an die Hellenen, die uns mit ihren geistigen Werten unserer Identität berauben wollten. Sie verboten uns, Tora zu lernen und solche wichtigen und essenziellen Mizwot, wie die Brit-Mila (Beschneidung), zu erfüllen.
Es ist also eine einfach kleine Mizwa, die uns an uns erinnert – nämlich das Lichtzünden. Dieses Licht bringt uns zusammen. Denn Licht ist eine Quelle, mit deren Hilfe wir sehen können. Es bietet uns Wärme, gibt uns ein Gefühl der Geborgenheit und erinnert in diesem Fall, an unsere Herkunft: An die Makkabäer, die sich gewehrt und nicht haben aufhalten lassen, ihre Tradition weiter zu führen, ihre geistigen Werte beizubehalten und den Ewigen nicht aus ihrer Mitte zu lassen. Wir haben durch diese Werte nicht vergessen, wo wir herkommen und wer sie sind.
Deshalb ist das Wunder an Chanukka das Licht, das von Generation zu Generation zusammen gezündet wird und uns die Weisheit, den Willen und die Anmut unserer Tradition weitergibt. Darum ist Chanukka ein Fest der Freude und des Glücks. Ein immerwährender Quell, der uns speist und an die hohen geistigen und jüdischen Werte unserer Herkunft erinnert. Dieses Fest ermahnt uns aber auch, unser Judentum mit anderen Juden zu teilen und das Wissen und die Erfahrungen an die nächste Generation weiter zu geben.
Ich wünschen uns allen Chanukka Sameach und möge das Licht der Chanukkia uns immer an unsere Gemeinschaft erinnern!

Licht der Weisheit