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Klaus mit der Fiedel, Heike mit dem Bass
29.Mai 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Philosemiten sind Antisemiten, die Juden mögen – oder? Ein Tagungsband wagt eine Annäherung an einen schwierigen Begriff
»Wir spielten in Würzburg ein Konzert, als gegen Ende sich ein leicht angesäuselter Mensch im Publikum erhob und eine kleine Rede spontan losließ, wie toll es doch wäre, dass man diese Musik heute wieder hören kann. […] Nach dem Konzert kam ich mit ihm ins Gespräch. Er meinte, wie toll es wäre, dass unsere Kulturen sich wieder annähern würden. Erst da wurde mir klar, dass er die ganze Zeit dachte, wir wären Juden. Als ich klarstellte, dass wir waschechte Gojim seien, schwieg er zunächst und wurde dann richtig patzig. Ich würde doch ganz jüdisch aussehen. Er sei jetzt richtig enttäuscht. Das Gespräch begann zu eskalieren. Er wurde immer ungehaltener und beschuldigte uns praktisch des Etikettenschwindels.«
In dieser hochnotpeinlichen Anekdote, die ein deutscher Klezmermusiker berichtet – und bei der einem das Lachen ausnahmsweise mal wirklich im Hals stecken bleibt –, stecken viele Aspekte dessen, was das Phänomen des Philosemitismus, wörtlich »Judenfreundschaft«, heutzutage vor allem in Deutschland ausmacht: einerseits die vielen Nichtjuden, die sich immer ein wenig zu wohlwollend und oft romantisierend mit »der« jüdischen Kultur oder »dem« Judentum beschäftigen oder gar identifizieren, und der dabei häufig postwendend mitgelieferte stereotype Antisemitismus andererseits. Jeder, ob jüdisch oder nicht, kennt diese Trias á la »jüdischer Witz – jüdische Geschäftstüchtigkeit – jüdische Gelehrtheit«, und doch ist der Philosemitismus eine äußerst schwierig zu greifende Angelegenheit. Denn gibt es überhaupt etwas, das der gojische Klezmer, der evangelikale Israelsympathisant, der linke Antideutsche und der Rechtspopulist, der Israel und die Juden als Verbündete im Kampf gegen den Islam betrachtet, gemeinsam haben? Erst recht stellt sich diese Frage unter historischer Perspektive: Was haben antike Judäophilie bei den Griechen, Luthers zeitweiliger Philosemitismus und die Bewunderung für Juden in Teilen der klassischen deutschen Philosophie gemein? – Um hier für Aufklärung zu sorgen und die eher zerstreuten Arbeiten zum Thema zusammenzuführen, veranstalteten Forscher aus Europa, Israel und den USA vor zwei Jahren am Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum eine internationale Konferenz unter dem Titel »Geliebter Feind, gehasster Freund – Antisemitismus und Philosemitismus in Geschichte und Gegenwart«. Gerade ist der gleichnamige Tagungsband mit den 31 Beiträgen sowie einem reichhaltigen Anhang erschienen. Das Themenspektrum erstreckt sich dabei von Versuchen, einen einheitlichen Begriff des Philosemitismus trotz der Vielfalt seiner Erscheinungsformen zu entwickeln, über die erwähnten historischen Formen der Judenfreundschaft bis zum politischen, religiösen und kulturellen Philosemitismus weltweit. Ein Hauptanliegen vieler Beiträge besteht darin, die Möglichkeiten einer genauen Grenzziehung zwischen Anti- und Philosemitismus zu bestimmen – mit erwartbar ernüchternden Ergebnissen. So wie nach Jean Améry der Antisemitismus im Antizionismus wie das Gewitter in der Wolke steckt, so steckt auch im Philosemitismus immer die Möglichkeit, den erst einmal idealisierten »Gesamtjuden« auch gleich wieder herabzuwürdigen, sobald er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Das dem zugrunde liegende Problem ist nach Meinung aller Autoren natürlich diese Idealisierung selbst: ob Anti- oder Philosemit, für beide müssen die Juden etwas Besonderes sein, also entweder besonders verachtenswert und gefährlich oder besonders belesen und befähigt. Äußerst perfide ist diese Stereotypisierung dort, wo Juden für andere Zwecke vor den eigenen Karren gespannt werden sollen, wie es der Politologe Yves Patrick Pallade am Beispiel der europäischen Neuen Rechten zeigt. Extremistische und fast immer durchgängig antisemitische Parteien wie die British National Party, der belgische Vlaams Belang, Pro Köln oder die Liga polnischer Familien entdeckten in den letzten Jahren ihre unerwartete philosemitische Seite, um Seit an Seit mit den Juden und dem Staat Israel gegen die vermeintliche islamische Dominanz in Europa vorzugehen – ein sehr einseitiges und natürlich rein strategisches Bündnis, denn glücklicherweise lassen sich kaum Juden auf diese Kooperationsangebote ein, und der Antisemitismus dieser Gruppierungen ist bestenfalls kurz zurückgestellt, aber keineswegs verschwunden. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der christlichen Fundamentalisten, für die die Existenz Israels notwendige Bedingung für die Wiederkehr Jesu darstellt – dass dann aber natürlich alle, die sich nicht zu ihm bekennen wollen, schlechte Karten haben, wird bei allem Israelfahnen Schwenken und Spenden gern verschwiegen. Ebenfalls im Fokus vieler Beiträge steht der »offizielle« Philosemitismus in der Bundesrepublik, der sich aus der vielzitierten »besonderen Beziehung« dieses Landes zu den Juden und dem Staat Israel speist und für viele auf der Linken wie der Rechten eine ständige Provokation darstellt. So setzt sich Moshe Zuckermann in seinem Beitrag mit dieser politisch gewollten »Rücksichtnahme« auf jüdische Befindlichkeiten auseinander und weist kritisch auf deren Folgen, nämlich die in seinen Augen »lamoryant-narzistische« israelische Identifikation mit dem philosemitischen Klischee von den Juden als »ewigen Opfern« hin. Andererseits gibt es natürlich auch »gesunde« Erscheinungsformen des Philosemitismus. Lars Rensmann weist in seinem lesenswerten Artikel darauf hin, dass etwa ein positives Israelbild oder ein Interesse an jüdischer Geschichte ebenso wenig eine notwendige antisemitische Kehrseite hat wie die Frankophilie mit einem unterschwelligen Hass auf Franzosen einhergeht. Allerdings stehen die Chancen auf einen »normalen«, etwa der Frankophilie analogen Philosemitismus gerade in Deutschland und Österreich nicht gut, entwickelt doch gerade hier ein Teil der Bevölkerung aus einer kollektiven Schuldbewältigungsstrategie heraus eine relativ starke Sympathie mit »allem, was jüdisch ist« – ein Unterfangen, das sich jedoch häufig gerade als Abwehrstrategie erweist, wie Margit Reiter in ihrem Beitrag aus Österreich anhand von Interviews mit den »Kindern der Täter« zeigt. Der Gesamteindruck des Bandes ist zwiespältig. Einerseits sind die beschriebenen Erscheinungsformen, Entwicklungen und Folgen philosemitischer Einstellungen hochinteressant und jeder der Artikel lesenswert. Doch gerade der erste Teil, der sich um eine Begriffsbestimmung des Philosemitismus dreht, zeigt, dass diese kaum gelingen kann. Zu disparat sind die Arten und Gestalten des Philosemitismus, als dass man sie unter ein einziges Konzept subsumieren könnte. Das tut aber, wie das Buch selbst beweist, der Erforschung dieser Arten und Gestalten keinen Abbruch, im Gegenteil ist es gerade heute wichtig, diese fortzuführen, zu intensivieren und über Gegenstrategien nachzudenken. Denn wer solche Freunde wie den erwähnten Klezmerfan oder die französische Front National hat, braucht tatsächlich keine Feinde mehr.
Frank Lachmann
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