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»Kein gewöhnliches Match«

01.Dezember 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Israel

Immer wieder sind israelische Sportler Boykotten ausgesetzt – vor allem im arabisch-islamischen Raum, aber auch in Europa

Als sowohl der finanzielle als auch der Imageschaden bereits beträchtlich war und die Zukunft des internationalen Tennisturniers in Dubai außerdem in Frage stand, gaben dessen Organisatoren sowie die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate schließlich nach: Der israel­ische Tennisprofi Andy Ram erhielt doch noch ein Visum und konnte Ende Februar dieses Jahres bei den Dubai Open an den Start gehen. Seiner Landsfrau Shahar Pe’er war zuvor die Einreise in den Golfstaat verweigert worden. Die offizielle Begründung der Veranstalter vor Ort für diese Entscheidung lautete: »Wir wollen den Sport nicht po­litisieren, aber wir müssen nach den Vorgängen in der Region sensibel sein.« Der Gaza-Krieg bewege, so hieß es, »nach wie vor viele Menschen im Nahen Osten«. Es habe Grund zu der Annahme bestanden, dass die Teilnahme der Spielerin aus dem jüdischen Staat die Fans »aufgebracht hätte«. Die Organisatoren sorgten also nicht etwa für den Schutz der Filzballkünstlerin, wie es sich gehört hätte, sondern ließen sie stattdessen außen vor – einzig und allein, weil sie Israelin ist.

Die Entscheidung, Shahar Pe’er kein Visum zu gewähren und damit einen Boykott gegen sie zu verhängen, stieß auf heftige Kritik. Das Simon-Wiesenthal-Center forderte sogar den Abbruch der Veranstaltung und erklärte: »Wenn man Israelis aussperrt, kann man das Turnier auch gleich Dubai Apartheid Open nennen.« Die Profiorganisation der Tennisspielerinnen (WTA) belegte die Organisatoren schließlich mit einer Strafe von 300 000 Dollar – der höchsten Geldbuße, die sie jemals gegen eines ihrer Mitglieder verhängt hat. Zudem mussten die Organisatoren in den Emiraten Pe’er für 2010 eine Wildcard – also eine automatische Startberechtigung – gewähren. Allen israelischen Tennisprofis muss zudem mindestens acht Wochen vor den Wettkämpfen die Einreise garantiert sein. »Wir werden nicht erlauben, dass sich diese Situation wiederholt – weder in den Vereinigten Arabischen Emiraten noch irgendwo anders auf der Welt«, sagte WTA-Chef Larry Scott.

Der Fall Pe’er blieb nicht die einzige antiisraelische Boykottaktivität im Tennis zu Beginn dieses Jahres. Auch das Davis-Cup-Spiel zwischen Schweden und Israel in Malmö Anfang März war davon betroffen. Wochenlang hatte ein politisches Bündnis namens Stoppa Matchen (»Stoppt das Match«) alles daran gesetzt, die Begegnung zu verhindern. Zu den Unterstützern zählten die Anführer der Linkspartei, die Sozialdemokraten, der Sozialdemokratische Frauenbund, die Sozialisten und die Kommunistische Partei. Ein Teil dieser Parteien gehört der linken Mehrheit im Malmöer Stadtrat an. Und diese Mehrheit erklärte, man werde die Davis-Cup-Spiele unter Ausschluss des Publikums durchführen. Man könne die Sicherheit der israelischen Spieler nicht garantieren. Ilmar Reepalu, sozialdemokratischer Stadtratsvorsitzender, gab jedoch einen Einblick in die eigentlichen Gründe für den Ratsbeschluss: »Meiner Meinung nach sollte man generell nicht gegen Israel spielen«, sagte er der Tageszeitung Sydsvenskan. Denn die Davis-Cup-Partie sei eine »Provokation für die in Malmö lebenden Araber« und daher »kein gewöhnliches Match«, sondern »ein Match gegen den Staat Israel«.

Der schwedische Tennisverband sowie Politiker der konservativen und liberalen Parteien übten am Vorhaben, vor leeren Rängen zu spielen, und an den Tiraden gegen Israel scharfe Kritik. Die Vorsitzende des schwedischen Sportverbands, Karin Mattsson Weijber, sprach von einem »inakzeptablen Beschluss«. Das von einer konservativen Mehrheit regierte Stockholm erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, das Spiel in der Hauptstadt stattfinden zu lassen, sagte aber schließlich doch wieder ab: Die Vorbereitungszeit sei zu knapp. Der Tennis-Weltverband ITF zog es vor zu schweigen.

Dutzende antiisraelische Aktivisten lieferten sich dann am ersten Tag der zweitägigen Davis-Cup-Begegnung Straßenschlachten mit der Polizei beim Versuch, die verschlossene Halle zu stürmen, in der das Spiel stattfand. Die Demonstranten warfen Steine und Feuerwerkskörper auf Polizeiwagen, als sie die Absperrungen durchbrechen wollten, durch die sie von der Halle fern gehalten werden sollten. Die Ausschreitungen brachen im Anschluss an eine antiisraelische Demonstration im Stadtzentrum von Malmö aus, an der 7000 Menschen teilgenommen hatten. Israel gewann das Tennisspiel vor leeren Rängen schließlich mit 3:2.

Boykotte gegen israelische Athleten gab es auch bei den letzten beiden Olympischen Spielen. In Athen weigerte sich 2004 der favorisierte iranische Judo-Weltmeister Arash Miresmaeili, gegen den Israeli Ehud Vaks anzutreten. Vaks kam kampflos eine Runde weiter, während Miresmaeili von der politischen Führung seines Landes gefeiert wurde: »Das großartige Handeln und die Selbstaufopferung unseres Champions, der auf eine sichere Olympiamedaille aus Protest gegen Massaker, Terror und Besetzung verzichtet hat, ist eine nationale Ruhmestat«, lobte ihn der damalige Staatspräsident Mohammad Khatami. Vize-Sportchef Ali Kafashian schlug vor, Miresmaeili mit einem speziellen Preis zu ehren. Der Judoka erhielt vom Nationalen Olympischen Kommitee des Iran schließlich eine Prämie von 5000 Dollar. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sperrte den Sportler; der Judo-Weltverband IJF verhängte jedoch keine Strafe gegen ihn oder seinen Verband. Offiziell war Miresmaeili wegen Übergewichts nicht zum Kampf zugelassen worden. Und eine Anhörung vor der IJF-Untersuchungskommission soll ergeben haben, dass Miresmaeili nie die Absicht zum Boykott des Wettbewerbs hatte. Das mutet eigenartig an; schließlich hatte Miresmaeili, Fahnenträger seines Landes bei Olympia in Athen, schon Tage vor dem Kampf angekündigt, gegen keinen Athleten aus Israel anzutreten. Mit seinem Boykott wolle er »gegen die israelische Haltung im Nahostkonflikt protestieren«.

Auch bei Olympia 2008 in Peking gab es einen antiisraelischen Boykott: Der iranische Schwimmer Mohammad Alirezaei erschien nicht zu einem Vorlauf in der Disziplin 100 Meter Brust, weil mit Tom Beeri auch ein israelischer Schwimmer im Becken war. Zunächst hatte das Nationale Olympische Komitee des Iran den Start von Alirezaei erlaubt, weil dieser auf Bahn eins und der Israeli auf Bahn sieben eingeteilt war und es sich damit nicht um ein direktes Duell gehandelt hätte. Am Ende blieb Alirezaeis Platz aber doch frei. Iranischen Angaben zufolge war der Sportler erkrankt. Das IOC glaubte dieser Begründung und sprach keine Sanktionen aus.

Ersichtlich wird an diesen Beispielen – die nur eine Auswahl darstellen –, dass die gegen Israel gerichteten Boykotte eine nicht unerhebliche politische Dimension haben. Vor Allem die Verbände aus arabisch-islamischen Ländern weigern sich immer wieder, ihre Sportler gegen israelische Athleten antreten zu lassen. Oft nehmen dabei die jeweiligen Regierungen beziehungsweise Regimes direkten Einfluss auf die Entscheidungen der Sportverbände und sorgen so für eine unmittelbare Verquickung von Sport und Politik. Die Nichtanerkennung Israels auf politischer Ebene führt dann auf sportlicher Ebene dazu, Wettkämpfe gegen Athleten und Mannschaften aus dem jüdischen Staat zu boykottieren oder gegen sie, wie im Falle der Tennisspielerin Shahar Pe’er, auch schon mal ein Einreiseverbot zu verhängen. Doch wie die Geschehnisse um das Davis-Cup-Spiel im schwedischen Malmö zeigen, beschränken sich antiisraelische Sportboykotte nicht auf den arabisch-islamischen Raum.         

Alex Feuerherdt

»Kein gewöhnliches Match«