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Jüdische Gemeinde legt Sanierungsprogramm auf

17.November 2010 | Pressemitteilung | Gemeinde

Neuordnung von Versorgungsansprüchen der Mitarbeiter

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin legt sich ein hartes Sparprogramm auf, um aus eigener Kraft eine Sanierung der Gemeindefinanzen zu erreichen. Zu diesem bereits im Jahr 2008 eingeleiteten Programm gehören die Effizienz- und Attraktivitätssteigerung der eigenen Bildungs- und Sozialeinrichtungen, der sozialverträgliche Abbau von Personal, der Verkauf von kostenintensiven Liegenschaften, Mehreinnahmen aus Mietverhältnissen, die Anpassung der Schulgelder und die Umstellung des Schulbussystems, vor allem aber eine nun anstehende Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung, die zu schmerzhaften Einschnitten bei den Ansprüchen der Mitarbeiterschaft führen wird.

Im Rahmen eines Pressegespräches bezeichneten die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, und der Finanzdezernent der Gemeinde, Dr. Jochen Palenker, die einzuleitenden Maßnahmen als alternativlos. „Wir müssen den Bestand der mehr als 300 Jahre alten und nach der Shoah wiederaufgebauten Gemeinde sichern und sie in einem zukunftsfähigen Zustand an unsere Kinder weitergeben“, so Lala Süsskind wörtlich.

Zum Hintergrund: Der Ende Januar 2008 ins Amt gewählte Vorstand fand bei seinem Amtsantritt eine schwierige und unübersichtliche Situation der Gemeindefinanzen vor. In einem ersten Schritt sorgte der Vorstand für die Fertigstellung und Verabschiedung der über mehrere Jahre aufgestauten Bilanzen. In einem zweiten akuten Schritt wurde im April 2008 die betriebliche Altersversorgung für künftige Mitarbeiter geschlossen, was andere jüdische Gemeinden und auch der Zentralrat der Juden in Deutschland bereits Jahre zuvor vollzogen hatten.

Bereits 2005 hatte die Senatskanzlei des Landes Berlin festgestellt, dass die Jüdische Gemeinde zu Berlin ihren Mitarbeitern in Sachen betrieblicher Altersversorgung Renten zahlte und Zusagen gemacht hatte, die in ihrer Höhe nicht dem Staatsvertrag entsprachen. Frühere Vorstände der Jüdischen Gemeinde hatten es versäumt, Anpassungen an die Veränderungen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBL) vorzunehmen. In der Folge musste ein erheblicher Teil der Zusatzrenten von der Gemeinde selbst finanziert werden, ohne dass sich die damals Verantwortlichen die finanziellen Konsequenzen vor Augen geführt hatten. Darüber hinaus hatte bereits Anfang 2008, nach Amtsantritt des heutigen Vorstandes, der Senat einen ersten Rückforderungsbescheid über 500.000,- € erlassen.

Exakte Zahlen liegen nun vor

Der 2008 ins Amt gekommene Vorstand gab ein Gutachten bei einer spezialisierten Unternehmensberatung in Auftrag, das nunmehr vorliegt und die dramatischen finanziellen Folgen dieser Versäumnisse schonungslos aufzeigt:

- zum einen kann die angekündigte Rückforderung des Berliner Senats aus den Überzahlungen der Pensionsleistung in Millionenhöhe eingegrenzt werden

- zum anderen führen die Zusagen der Gemeinde an ihre ehemaligen Mitarbeiter zu stetig wachsenden Ausgaben für Versorgungslasten auf 750.000,- € im laufenden Jahr (was mehr als die Hälfte der Gemeindesteuereinnahmen sind), mit in den nächsten Jahren dramatisch steigender Tendenz.

Diese Entwicklung wird – sofern nicht gehandelt wird – in absehbarer Zeit zur Handlungsunfähigkeit und Insolvenz der Jüdischen Gemeinde zu Berlin führen. Finanzdezernent Dr. Palenker wörtlich: „Es bleibt uns nichts anderes übrig als die Notbremse zu ziehen. Wir sind angetreten und gewählt worden, um die Gemeinde in Ordnung zu bringen. Dass dieses Ziel nicht nur mit bitteren Wahrheiten verbunden ist, sondern auch mit schmerzhaften Einschnitten, war jedem klar. Was jedoch noch nicht deutlich war, ist das tatsächliche und unabweisbare Ausmaß dieser Einschnitte.“

Dazu zählt nun das Nachvollziehen der zahlreichen Änderungen der VBL in einem großen Schritt, was für heutige Mitarbeiter mit einer Reduzierung ihrer Rentenansprüche verbunden ist. „Natürlich werden wir diesen harten Schritt mit einer Härtefallreglung flankieren, um besonders für die Empfänger niedriger Einkommen extreme Härten zu vermeiden. Schließlich hat eine Religionsgemeinschaft aus ihrem Selbstverständnis heraus eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiter “, so Dr. Palenker weiter. Nichtsdestotrotz werden die zukünftigen Rentner noch eine längere Zeit deutlich mehr erhalten als vergleichbare Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von der VBL.

Repräsentantenversammlung muss zustimmen

Zur Durchführung dieses Schrittes benötigt der Vorstand eine Zweidrittelmehrheit in der Repräsentantenversammlung. Außerdem sucht er eine Verständigung mit dem Vertrauensrat, der Vertretung der Mitarbeiter der Gemeinde, um insbesondere Härtefallregelungen für die zukünftig in den Ruhestand gehenden Mitarbeiter gemeinsam zu entwickeln. Dr. Palenker betonte, dass die angestrebte Neuordnung die heute bereits in Rente befindlichen Mitarbeiter nicht betreffen wird. Sie beziehe sich ausschließlich auf noch aktive Mitarbeiter, wobei folgender Grundsatz gelte: Je länger jemand bei der Gemeinde gearbeitet hat, umso weniger ist er betroffen. Umgekehrt: Wer noch nicht so lange bei der Gemeinde gearbeitet, wird stärker betroffen sein.

Analog zur VBL wird zukünftig zusätzlich zur arbeitgeberseitigen Altersvorsorge eine freiwillige beitragsgestützte Komponente eingebaut. Hierzu ist mit anderen jüdischen Organisationen das Jüdische Versorgungswerk gegründet worden. Als Mitinitiator des Versorgungswerks verwies Dr. Palenker darauf, dass damit eine Variante für die Entgeltumwandlung geschaffen wurde, bei der die Selbstvorsorge der Mitarbeiter durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin durch Zuschüsse unterstützt wird.

Hinsichtlich der angekündigten Rückforderung des Senats in Millionenhöhe steht die Gemeinde in Verhandlungen. Sie hat hierbei auch eigene Gegenforderungen aus anderen Sachverhalten ins Gespräch gebracht.

Gemeinde wird zukunftssicher gemacht

Die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind unterstrich, die früheren Vorstände der Gemeinde hätten mit den Rentenzusagen in bester Absicht gehandelt, dabei aber die Finanzierbarkeit zu wenig im Auge gehabt. Ein großer Teil der Mitarbeiter seien jüdische Menschen aus Teilen der früheren Sowjetunion, die erst spät eine Erwerbsbiografie in Deutschland hätten aufbauen können. Diesen Menschen fühle man sich verpflichtet. Hier insbesondere solle die Härtefallregelung greifen.

Der Vorstand sei aber nicht nur den einigen hundert Mitarbeitern verpflichtet, sondern auch und vor allem den über 11 000 Mitgliedern. Schließlich ist die Jüdische Gemeinde zu Berlin kein Selbstzweck, sondern hat als Einheitsgemeinde die Aufgabe, die Infrastruktur für jüdisches Leben in all seiner Breite zu schaffen und zu erhalten. Mit den bereits betätigten Investitionen in eigene Einrichtungen wie den Schulen, der Kita, den Dienstgebäuden und den Senioreneinrichtungen habe man begonnen, die Gemeinde für die nächsten Jahre zukunftsfest machen. Mit der Neuordnung der Versorgungsregelungen, so Süsskind, müsse man die Gemeinde vor dem drohenden wirtschaftlichen Absturz bewahren und für künftige Generationen erhalten.

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