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Jüdische Bildung für das 21. Jahrhundert
01.Dezember 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Jugend
Mirjam Marcus, Dezernentin für Schule, Jugend und Erziehung über die aktuellen Gemeindeangebote für Kinder und Jugendliche
Frau Marcus, fangen wir bei den Kleinsten an. Wieviele Kinder besuchen den Gemeindekindergarten?
Wir haben festgestellt, dass von allen Gemeindemitgliedern im entsprechenden Alter 31 % in unsere Kita gehen (siehe auch Kasten auf dieser Seite). Wir sind die größte jüdische Einrichtung in der Stadt und uns gibt es am längsten, schon seit kurz nach der Schoa und der Bau in der Delbrückstraße ist von 1970. Daher haben wir auch den größten Zulauf.
Wird die Kita also vergrößert?
Nein, aber wir bauen um. Der Hort ist ausgelaufen und dadurch sind Räume frei geworden. Die bauen wir jetzt zu einer Krippe um. Es kann auch bald losgehen, da wir dabei nicht auf Spendengelder angewiesen sind. Der Senat stellt uns aus dem Investitionsprogramm für den Ausbau der Betreuung von unter Dreijährigen etwa 368.000 Euro zur Verfügung, und wir leisten noch einmal zehn Prozent Eigenmittel. Nach dem Umbau können wir dann Kinder ab sieben Monate aufnehmen, was bisher nicht möglich war. Dazu werden wir auch neue Erzieher einstellen.
Wann ist das soweit?
Erst muss noch eine Bauausschreibung stattfinden. Der Umbau selbst dauert dann etwa sechs Wochen. Spätestens zum Frühjahrsanfang soll alles fertig sein.
Was gibt es Neues in der Heinz-Galinski-Schule?
Seit diesem Schuljahr haben wir morgens und abends erweiterte Öffnungszeiten und in dieser Zeit werden neben der Hausaufgabenbetreuung auch diverse sportliche und andere Aktivitäten angeboten. Weiterhin freuen wir uns sehr, dass ab Februar Dr. Noga Hartmann als neue Schulleiterin zu uns kommt, die früher schon mal an unseren Schulen unterrichtet hat. Und wir haben trotz Schulgelderhöhung und Wegfall der Schulbuszulage nur 12 Kinder weniger als im letzten Jahr.
Können Sie mehr zum Schul- und Busgeld sagen?
Fast die Hälfte unserer Grundschulkinder muss von der Gemeinde massiv bezuschusst werden, weil ihre Eltern nur den Mindestsatz von 33 Euro monatlich zahlen können; den Höchstsatz von 253 Euro zahlen nur 14 %. In der Oberschule ist die Situation etwas besser, hier zahlen immerhin 35 % diesen Satz, belasten die Gemeinde also weniger. Verglichen mit anderen Privatschulen sind unsere Sätze aber immer noch relativ niedrig. Was den Schulbus betrifft, haben wir jetzt ein anderes System eingeführt, das die Gemeinde etwas entlastet. Wir mussten einfach die Notbremse ziehen und auch hier den Elternanteil erhöhen, wobei wir unter 100 Euro geblieben sind. Viele Eltern sind auch auf den begleitenden BVG-Bus zur Waldschulallee umgestiegen. Oder sie bringen ihre Kinder selbst; dazu haben wir bessere Öffnungszeiten eingeführt, zum Beispiel den Früh- und Spätdienst. Es gibt auch Eltern, die sich privat organisiert haben. Allerdings wird der Schulbus natürlich preiswerter, je mehr Kinder ihn nutzen. Insgesamt sind wir froh, dass die meisten Eltern verstanden haben, dass es nicht anders ging und dass die Wertschätzung der jüdischen Schulen trotzdem so hoch ist, dass sie weiter besucht werden. Wir haben in diesem Jahr drei Klassen unter den neuen Bedingungen eingeschult. Wir sind aber dabei, das Bussystem weiter zu optimieren.
Stimmt es, dass die Jüdische Oberschule total voll ist?
Ja. Dort sieht es sehr gut aus. Wir haben phantastische Kunsträume und sind wirklich toll ausgestattet. Das Problem ist allerdings, dass die Schule nur für 250 Schüler konzipiert ist und wir zu wenig Platz und auch noch keine konkrete Lösung parat haben. Aber eines ist sicher: Wenn demnächst über ein Konzept für das Ahawah-Gebäude in der Auguststraße entschieden wird, muss es auch eine Raumlösung für unsere Oberschule beinhalten.
Wie gestalten sich die Angebote im Freizeitbereich?
Hier haben wir das altbewährte Jugendzentrum für die 6- bis 18-Jährigen und beginnen gerade mit dem Klub »Bambinim« für Familien mit Babys und Kleinkindern zusammenzuarbeiten, der vom »Joint« finanziert wird. Wir feiern beispielsweise zusammen Chanukka im Gemeindehaus. Das Jugendzentrum selbst wird jeden Sonntag von etwa 50 Kindern besucht, außerdem gibt es ein tägliches Angebot an Chugim sowie Mini-Machanot an Wochenenden und ein Daycamp in den Ferien. Kinder an das Jugendzentrum zu binden, ist nicht einfach; sie müssen heute viel mehr in viel weniger Zeit leisten als früher und sind nachmittags länger in der Schule. Es gibt mehr Ganztagsschulen, was ich begrüße, aber das bedeutet auch, dass Kinder weniger Zeit haben, ins Jugendzentrum zu kommen. Und den Madrichim geht es ähnlich. Natürlich soll das Jugendzentrum ein Ort sein, wo Kinder auch in der Woche hingehen können, aber der Schwerpunkt wird in Zukunft mehr im Ferien- und Wochenendbereich liegen.
Können Sie uns etwas zum Religionsunterricht sagen?
Unabhängig von der ganzen »Pro Reli«-Diskussion wollen wir nächstes Jahr auf alle Fälle wieder einen zentralisierten Religionsunterricht für Kinder von Mitgliedern anbieten, die in keine der jüdischen Schulen gehen. Die Rabbiner unserer Gemeinde wurden vom Schulausschuss bereits gebeten, ein Unterrichtskonzept zu erstellen. Wir haben ja bereits Religionsunterricht an externen Schulen, nämlich für 81 Schüler an der Grunewaldschule und für 37 Schüler an der Kennedy-Schule. Wir möchten aber auch die jüdischen Schüler an anderen Schulen erreichen.
Was ist für Sie am wichtigsten in der Jugendarbeit?
Der Bildungsauftrag, den die Gemeinde hat. Wir haben ja früh angefangen, weil wir die Möglichkeiten hatten, die Nachfrage und die Gebäude. Erst die Grundschule, dann die Oberschule, weil immer mehr jugendliche Zuwanderer kamen. Nun müssen wir all diese Einrichtungen weiter festigen und ausbauen. Man könnte sogar bilinguale Klassen einrichten, schließlich ist der kulturelle Hintergrund da. Wir sind auf einem guten Weg und werden den weiter gehen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, aber man muss immer nach vorn schauen, neu evaluieren, sich damit auseinandersetzen, wie jüdische Bildungsinhalte in der heutigen Zeit transportiert werden können, wo die Bedürfnisse sind und danach fragen, wie sich Juden heute identifizieren können. Die jüdischen Einrichtungen müssen ihr jüdisches Profil stetig weiter ausformen und entwickeln und auch noch deutlicher nach außen darstellen. Denn unsere Jugendeinrichtungen sind genau die Orte, wo wirkliche Integration stattfindet, wo nämlich, wie auch schon bei meinen eigenen Kindern, einheimische und zugewanderte Jugendliche selbstverständlich miteinander lernen und leben und zu ihrer jüdischen Identität finden können.
JK
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