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JOM KIPPUR 5782
01.September 2021 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Gedanken zum Versöhnungstag von Gemeinderabbiner Jonah Sievers
Auch dieses Jom Kippur wird nicht so sein, wie wir es vor der Pandemie kannten und trotzdem bleibt die Aufgabe für uns gleich: In uns zu schauen und unser Verhalten des vergangenen Jahres zu überprüfen.
Die amerikanische Professorin für jüdische Bildung Erica Brown erzählt die Geschichte von einer Gemeinde, die sich für Kol Nidrej in der Synagoge versammeln will, aber vom Rabbiner mit den Worten: »Leider kann heute keiner hinein, da es schon voll ist«, nicht in die Synagoge gelassen wird. Doch die Mitglieder entgegnen, dass dies nicht sein könne, denn man würde doch durch die Fenster genau erkennen, dass die Synagoge leer sei! Der Rabbiner antwortet: »Die Synagoge ist schon gefüllt mit allen Schwüren und Versprechen, die ihr nicht gehalten habt. Es gibt keinen Platz mehr für andere Dinge oder Personen!«
In diesem Sinne werden auch wir Jom Kippur beginnen: Mit einer Erinnerung an alle nicht gehaltenen Versprechen und Schwüre des vergangenen Jahres. Wenn wir ehrlich mit uns sind, werden wir feststellen, dass es eine ganze Menge sind. Die Wichtigkeit des Tages wird durch das symbolische Bet Din und die Torahrollen unterstrichen.
Auch wenn die meisten von uns die vielen im Kol Nidrej genannten Formen von Schwüren und Versprechungen nicht genau verstehen, so sind wir doch durch die Musik und das Wissen, um was es an diesem Abend gehen wird, tief bewegt. Dieser Abend unterstreicht ein weiteres Mal die Wichtigkeit von Worten. Erica Brown weist darauf hin, dass auch, wenn wir uns an leere Worte, an nicht gehaltene Worte erinnern, dennoch Worte alles sind, was wir an diesem heiligen Tag haben. Den leeren Worten stellen wir die Worte der Teschuwa, die Worte, mit denen wir unsere Rückkehr beginnen wollen, gegenüber. Dabei sind wir verpflichtet, unsere Vergehen auch dann laut auszusprechen, wenn wir allein auf einer Insel wären. Die Ohren müssen hören, was der Mund ausspricht. Es soll nicht nur ein innerer Dialog sein, denn es verhält sich anders, wenn wir unsere Taten auch noch wirklich hören müssen. Das Verdrängen fällt dann doch deutlich schwerer!
Warum aber nutzen wir so häufig unsere Worte für Schwüre und Eide, obwohl wir wissen, dass wir sie oft nicht halten werden. Vielleicht tun wir das, um uns extra anzuspornen. Hierbei sollten wir aber immer bedenken, dass unsere Tradition eher vorsichtig mit Schwüren und Eiden umgeht. Hier sei nur auf den Schwur des Jiftach verwiesen.
Achten wir auf unsere Worte, die scharf wie eine Waffe sein können, und wenn unbedacht benutzt, viel Schaden anrichten. Selbst, wenn wir unsere Worte, kurz nachdem wir sie ausgesprochen haben, bereuen, sind sie nicht mehr einzufangen. Sie gleichen einem Pfeil, der, kurz nachdem er die Sehne verlassen hat, auch nicht mehr zurückgeholt werden kann.
Nutzen wir diesen Jom Kippur deshalb um so mehr, um erst mit unseren Worten und dann mit Taten zum Ewigen zurückzukehren.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gebenschtes neues Jahr 5782.
G’mar Chatima Tova
Jonah Sievers
jüdisches berlin
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