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Interview mit Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner

30.Juni 2016 | Redaktioneller Beitrag | Gemeinde

Der Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin zur Jüdischen Gemeinde betont den partnerschaftlichen und freundschaftlichen Geist dieser gegenseitigen Beziehungen. Was heißt dies in der Praxis?

Die Jüdische Gemeinde und die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten pflegen enge Beziehungen. Regelmäßig trifft sich unsere Arbeitsebene, der Beauftragte für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, zum Austausch mit Vertretern der Gemeinde. Aber auch ich und der Vorsitzende pflegen einen engen Kontakt. Hat einer von uns Sorgen oder Nöte, nehmen wir das Telefon in die Hand und rufen uns an. Probleme werden so schnell geklärt, Lösungen gefunden.

Haben sich die Beziehungen zur Gemeinde durch das Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom März dieses Jahres verändert?

Ja. Das Urteil hat das bewirkt, was beide Seiten brauchten: Klarheit. Über uns schwebte die ganze Zeit drohend das Schwert des Rechnungshofes. Es war unklar, wie der Staatsvertrag gedeutet werden musste. Nun wissen wir es und können auf Basis dieser Rechtssicherheit gemeinsam die Zukunft planen.

In der Presse war zu lesen, dass die SPD-Fraktion angeblich eine Änderung des Staatsvertrages in Betracht zieht. Gibt es tatsächlich Überlegungen, den seit Jahrzehnten bewährten Staatsvertrag anzutasten?

Derzeit besteht im Senat keine Absicht, den Vertrag zu ändern. Die in der Presse zitierte Abgeordnete vertritt scheinbar auch in der Fraktion eine Einzelmeinung. Ich sehe momentan auch keine Veranlassung, den Staatsvertrag anzufassen. Das Urteil hat uns die notwendige Rechtsklarheit gebracht, die uns handlungsfähig macht. Das Land Berlin und die Jüdische Gemeinde können auf dieser Grundlage die beiderseitigen Beziehungen in freundschaftlichem und konstruktivem Geiste fortführen sowie gemeinsam auch in der Zukunft das wachsende, jüdische Leben in dieser Stadt befördern und gestalten.

 

Die Jüdische Gemeinde weist die Verwendung der erhaltenen Zuschüsse gemäß dem Staatsvertrag jährlich durch eine von einem vereidigten Wirtschaftsprüfer geprüfte Rechnung nach. Ist die Kontrollfunktion der Senatskulturverwaltung dadurch ausreichend gesichert?

An den grundsätzlichen Überprüfungsmöglichkeiten durch das Land hat auch das Urteil nichts geändert. Nach wie vor werden die Ausgaben der Gemeinde durch einen von der Gemeinde beauftragten Wirtschaftsprüfer geprüft und der sachgemäße Umgang von diesem testiert. Durch unsere Verwaltung werden ebenfalls Überprüfungen durchgeführt (etwa im Hinblick auf das Besserstellungsverbot bei den Pensionsleistungen). An dieser Praxis wird sich nichts ändern.

 

Wie fördert der Berliner Senat die Wiedererstarkung Jüdischen Lebens in Berlin?

Das wachsende vielfältige jüdische Leben ist ein Pluspunkt für die Stadt. Für Berlin grenzt es – und dieses Wort muss man nicht scheuen – immer noch an ein Wunder, dass heute wieder jüdisches Leben in der Stadt erblüht. Berlin ist zu einer Stadt jüdischer Einwanderung geworden, auch durch den Zuzug von über 20.000 jungen Menschen aus Israel. Der Senat fördert jüdisches Leben, egal welcher religiöser Ausrichtung – ob orthodox oder liberal. Wir haben in der Stadt die größte Jüdische Gemeinde in Deutschland, die wichtige Integrationsarbeit leistet. In diesem Jahr feiert etwa die Heinz-Galinski-Grundschule ihr 30jähriges Bestehen. Mit über 1200 Sitzplätzen gilt die vor einigen Jahren wiedereröffnete prachtvolle Synagoge in der Rykestraße übrigens – neben der großen Synagoge in Budapest – als größte in Europa. Darüber hinaus werden in diesem Jahr wieder die Jüdischen Kulturtage stattfinden.

 

Zurzeit verhandelt die Jüdische Gemeinde mit dem Senat über eine neue Sicherheitsvereinbarung. Sind angesichts der aktuellen Sicherheitslage Kürzungen in diesem Bereich überhaupt vorstellbar?

Der Schutz der Jüdischen Gemeinde und ihrer Einrichtungen ist dem Land Berlin außerordentlich wichtig. Er wird daher durch die Sicherheitskräfte der Polizei auf einem sehr hohen Niveau rund um die Uhr gewährleistet. Daher hat es auch seit Jahresbeginn 2016 hinsichtlich dieser Gewährleistung keinerlei Veränderungen gegeben. Die Gefährdungslage wird durch die Polizei und den Zentralen Objektschutz ständig überprüft und die Maßnahmen entsprechend angepasst.

 

Die Jüdischen Kulturtage finden dieses Jahr vom

5. bis 13. November statt. Wie wichtig ist dieses Festival für Berlin?

Ich fand es schade, dass die Gemeinde im vergangenen Jahr auf die Jüdischen Kulturtage verzichtet hat. Die Kulturtage sind ein Höhepunkt im Kulturkalender Berlins. Sie spiegeln die wunderbare Bandbreite jüdischer Kunst und die Aktivitäten jüdischer Künstler in unserer Stadt wieder und bieten die Gelegenheit, sich mit ihrem Einfluss auf die Berliner Kultur auseinanderzusetzen. Dies soll auch – nach unserem Wunsch – wieder so werden.

 

Ihr persönlicher Wunsch an den Vorstand der Jüdischen Gemeinde?

Der Vorstand und ich pflegen einen guten Kontakt. Die Gemeinde gibt jedoch für Außenstehende derzeit ein heterogenes Bild ab. Ich würde mir daher wünschen, dass die Einbindung der Opposition durch den Vorstand und die Einbindung des Vorstands durch die Opposition stärker zum Tragen kommt. Natürlich muss man immer in demokratischen Systemen um den richtigen Weg ringen, wichtig ist dabei aber der Respekt voreinander. Das ist in der Politik genauso wichtig wie in der Gemeinde.

 

Interview mit Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner