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»Ich glaube, dass es nach mir aussieht«
01.Mai 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Orte
Zu ihrem 100-jährigen Bestehen wird in der Max-Liebermann-Villa die Jubiläumsausstellung »Die Idee vom Haus im Grünen« gezeigt
Die Ausstellung stellt mit einer Vielzahl von Objekten die Geschichte der Sommervilla Max Liebermanns (1847–1935) am Wannsee und ihrer Verankerung in der Landhaus-Bewegung um 1900 vor. Unter den Leihgaben, die erstmals hier gezeigt werden, sind auch Werke wichtiger Zeitgenossen des Malers wie Lovis Corinth, Max Slevogt, Lyonel Feininger und Wilhelm Trübner. Die Gemälde, die ähnliche Motive wie die Gartenbilder des jüdischen Malerfürsten zeigen, belegen anschaulich, dass der Traum von einem »Refugium« im Grünen geradezu eine Modewelle unter den gutsituierten Bürgern der Zeit war.
Ein Landhaus, wie es sich wohlhabende Städter damals bauten, sollte auch Max Liebermanns Sommervilla werden. Lange hatte der Berliner Maler von einem solchen Ort geträumt – mit großem Garten und Bäumen, in deren Schatten er seine Modelle posieren lassen wollte. 1910 verwirklichte er schließlich diesen Traum am Wannsee. »Ille terrarum mihi praeter omnes angulus ridet« (»Von allen Ländern lächelt jenes Eckchen der Erde mich an«) zitierte der Bildungsbürger Liebermann standesgemäß Hölderlin, um Freunden sein neues Domizil zu beschreiben.
Martin Faass, heute Leiter des Hauses, und die Kunsthistorikerin Angelika Wesenberg schreiben dazu: »Das Haus im Grünen ist in der Kunst- und Kulturgeschichte der Zeit um 1900… Statussymbol des gehobenen Bürgertums und zugleich Ausdruck der lebensreformerischen Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit der Natur.« Ganz im Sinne der damals aufkommenden »Reformbewegung«, die eine »natürliche Lebensweise« mit einer »Harmonie zwischen Individuum und All in Natürlichkeit und Gesundheit verwirklichen sollte«, so Janos Frecot über den Zeitgeist.
Der Maler Liebermann achtete bei der Haus- und Gartengestaltung sehr auf die Blickachsen. Er legte sie bewusst so an, dass sie von einem Ende des Gartens, durch die Fenster seines Hauses hindurch, über die ganze Länge des Seegrundstückes bis auf die glitzernde Wasseroberfläche reichten. Anregungen für die Gestaltung bekam Liebermann vom Fachmann für Reformgärten und Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark. Aber auch Liebermann selber plante liebevoll detailliert seinen Garten. »…künstlerisches Sehen heißt nicht nur optisches Sehen, sondern auch Erschauen der Natur… Nur wer den Odem Gottes in der Natur spürt, wird in Wirklichkeit lebendig gestalten können, nur der Pantheist, und darin scheint mir der Grund für die unbegrenzte Verehrung zu liegen, die Goethe Zeit seines Lebens für Spinoza empfunden hat« sinniert Liebermann, als er seinen Garten schuf.
Dieser Garten, den der Maler auf über 200 seiner Bilder als Motiv wählte, beeindruckt auch heute noch durch seine durchdachte Eleganz und seinen gleichzeitig schlichten, freundlichen Charakter. Anders als in englischen Landschaftsgärten gibt es hier klare geometrische Unterteilungen durch kleine Zierhecken. »Klein-Versailles« nannte der Maler seine Sommervilla scherzhaft. »Sehen Sie sich doch mal mein ›Schloss am See‹ an, übermütig sieht’s nicht aus wie Lenbachs oder Stucks Paläste, aber ich glaube, dass es nach mir aussieht«, schrieb er und distanzierte sich so von den gewollt protzigen Anlagen seiner Malerkollegen.
Besonders in der Zeit des Ersten Weltkrieges war dieser Rückzugsort für den Maler ein wichtiger Ort des Schaffens. Seine geliebten Inspirationsreisen nach Holland waren durch das Kriegsgeschehen unmöglich geworden und so »vertiefte (ich) mich mehr denn je in meine Arbeit und hätte mir am liebsten Scheuklappen zulegen mögen«, wie Liebermann rückblickend äußerte. Diese Jahre markieren auch das Ende seiner künstlerischen Beiträge zur Kriegspropaganda. Der stolze Preuße war ernüchtert und äußerte 1916 im Hinblick auf die schrecklichen menschlichen Verluste der ersten Kriegsjahre, »Hurrapatriotismus in der Kunst« sei die »ekelhafteste Form übersteigerten Patriotismus«. Er zog sich in seinen »hortus conclusus« als schützendem Gartenparadies zurück und versuchte, »möglichst viel zu arbeiten, um an die Misere nicht denken zu müssen«.
Ob sich der berühmte deutsch-jüdische Maler in seinem Sommerdomizil auch von antisemitischen Angriffen zurückziehen wollte, von denen er Zeit seines Lebens geplagt wurde? Von öffentlichen Ehrentiteln überhäuft, erhielt er doch auch Schmähbriefe der übelsten Art, darunter der in der Villa ausgestellte Brief, in dem ein Herr Seidl 1924 schrieb: »Leider ist es Ihnen durch Ihre vordringlichen, echt jüdischen Eigenschaften gelungen, die Direktorstelle einer deutschen Kunsthochschule zu besetzen, die gerade einem so schmierigen Juden wie Sie es sind, am allerwenigsten zukommt…«
Liebermann, Berliner Ehrenbürger und Präsident der Preußischen Akademie der Künste, legte am Tag nach der Bücherverbrennung im Mai 1933 alle öffentlichen Ämter nieder. Am 8. Februar 1935 starb er, 87-jährig, eines natürlichen Todes. Ihm, der immer ein offenes Haus für Freunde und Gäste gepflegt hatte, wurde auf dem jüdischen Friedhof Schönhauser Allee nur von wenigen Getreuen das letzte Geleit gegeben. Sein Haus am See sowie sein Stadthaus am Brandenburger Tor wurden der Familie durch »Arisierung« geraubt. Liebermanns Ehefrau Martha vergiftete sich 1943 unmittelbar vor der Deportation in ein Konzentrationslager. Aus ihrem im Museum ausgestellten letzten Brief spricht ihre fatale Verzweiflung.
Nachdem die Villa durch die Nutzung als Erholungsheim, Krankenhaus und Tauchsportklubhaus umgebaut und dabei auch der wunderbare Garten vollständig entstellt worden waren, gelang es der Liebermann-Gesellschaft 2002, Garten und Haus wieder nach den ursprünglichen Plänen zu gestalten und als Museum öffentlich zugänglich zu machen. Heute lädt das liebevoll gepflegte Ensemble wieder zu einem Besuch, einem Ausflug ins Grüne, ein. Auf der so oft vom Künstler gemalten Gartenterasse mit Seeblick kann man verweilen und Kaffee trinken, durch den Garten flanieren und natürlich im Inneren des Hauses die Gartenbilder des Großmeisters des Impressionismus und seiner Malerkollegen bewundern. Ein Audioguide (es gibt auch eine Version für Kinder) begleitet beim Haus- und Gartenspaziergang und lässt die Lebenswelt dieses bedeutenden deutsch-jüdischen Künstlers wieder lebendig werden.
Felice Naomi Wonnenberg
_Wechselausstellung »Haus im Grünen«
bis 15. 8. 2010, Mi–Mo 10–18 Uhr,
Do 10–20 Uhr. 6,-/4,-
Liebermann-Villa, Colomierstraße 3/Ecke Am Großen Wannsee, 14109 Berlin
S 1/S 7 bis Wannsee, dann zu Fuß (ca. 25 Min.) oder Bus 114 Richtung Heckeshorn, bis Liebermann-Villa
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