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Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2011 (2)

27.Januar 2011 | Redaktioneller Beitrag | Gemeinde

Grußwort des Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung, Michael Joachim zu einem Vortrag von Prof. Dr. Donald Abenheim (Monterey/CA) "Bundeswehr, Tradition und Umgang mit Rechtsradikalismus"

Ich danke Ihnen sehr dafür, dass heute ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin im Rahmen der Potsdamer Vorträge zur Militärgeschichte eingeladen wurde, ein Grußwort zu sprechen. Es ist ein ermutigendes Zeichen für  Verständnis und Vertrauen im Umgang zwischen der Bundeswehr  und der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

Kein Geheimnis dürfte es sein, dass noch immer eine größere Zahl deutscher Juden ein ambivalentes Verhältnis zur Bundeswehr hat. Die Gründe liegen wohl zumeist in den jeweiligen Familienbiographien mit ihren schrecklichen Erfahrungen in der jüngeren  deutschen Geschichte und dem eher zögernd vorgenommenen Traditionsbruch der Bundeswehr mit der Wehrmacht in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Obwohl in der Bundeswehr als so genannte "Parlamentsarmee" der Soldat als Staatsbürger in Uniform geschaffen wurde, blendeten noch etliche Traditionalisten in Deutschland die Verbrechen der Wehrmacht im 2. Weltkrieg aus und fixierten sich auf die militärischen Sekundärtugenden wie Kameradschaft, Mut und Tapferkeit. Die Stichworte Traditionsvereine und Namensgebungen von Kasernen in den frühen 50ern mögen hier ausreichen, das zu beschreiben.

Umso mehr erstaunt es, dass schon sehr bald nach Gründung der Bundeswehr jüdische Soldaten als Zeit- oder Berufssoldaten beitraten und ihren Wehrdienst leisteten. Es ist inzwischen Allgemeingut, dass die Bundeswehr ein Teil der pluralistischen deutschen Gesellschaft ist und die Wehrdienstleistenden u.a. durch Artikel 17a GG in ihren bürgerlichen Grundrechten geschützter sind, als jemals zuvor in der deutschen Armeegeschichte. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Zentrale Dienstvorschrift 10/1 "Innere Führung- Selbstverständnis und Führungskultur der Bundeswehr" aus dem Jahr 2008. In Verbindung mit der Entwicklung der deutschen Demokratie im Rahmen der Europäischen Union sowie der bestehenden Bündnisse ist es wohl dieser Schutz, der es jüdischen Deutschen erleichtert hat, sich nicht in jedem Falle der Wehrpflicht zu entziehen, was durch eine Abmachung zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Bundesverteidigungsministerium unproblematisch gewesen wäre.

Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Juden gegenwärtig in der Bundeswehr dienen, aber es sind deutlich mehr als vermutet, die sich als Deutsche jüdischen Glaubens dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform verpflichtet fühlen. Das wird aus meiner Sicht vor allem durch folgende Aspekte begünstigt: Zum Einen gibt es die von mir bereits erwähnten Grundsätze der Bundeswehr, in denen Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Ethnien als Elemente verankert sind. Zum Anderen fördern die Bemühungen der Bundeswehrführung, die Geschichte jüdischer Soldaten in den deutschen Armeen  sowie den Umgang mit der eigenen Geschichte aufzuarbeiten, die Bereitschaft  junger Juden, in der Bundeswehr zu dienen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ausstellung  "Juden in deutschen Streitkräften" als auch an Bücher zur Geschichte jüdischer Soldaten in den Armeen, wie  z.B. das von Michael Berger "Eisernes Kreuz und Davidstern", die das MGFA verdienstvoller Weise organisiert bzw. unterstützt hat.

Einen hohen Stellenwert hat für uns Juden das 1998 begonnene jährliche Austauschprogramm zwischen jungen deutschen und israelischen Offiziersanwärtern, weil es viel Vertrauen in die Stabilität und Solidität der Beziehungen zwischen den Streitkräften und Regierungen beider Länder herstellt. Die Jüdischen Gemeinden begrüßen die Gründung des Bundes jüdischer Soldaten" vor knapp fünf Jahren sehr. Dieser Bund widmet sich der Aufgabe, das Andenken an die jüdischen Soldaten in den deutschen Armeen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik zu bewahren.

Trotz dieser durchaus positiven Entwicklungen will ich aber nicht verschweigen, dass es doch erhebliche Irritationen gibt, wenn sich beispielsweise ein Nahostexperte wie der Marburger Islamwissenschaftler Prof. Steinbach, Oberst der Reserve und der Bundeswehr eng verbunden, zur Lage in und um Israel äußert. Da hört bzw. liest man z.B., dass die Hamas seiner Meinung nach definitiv keine Terrororganisation sei oder die Zahal, die israelischen Verteidigungsstreitkräfte, gegen die Hamas brutal vorgehen und die Palästinenser massakrieren. Und genauso verstört uns die Tatsache, dass ein Mitarbeiter des MGFA in Dresden, und somit ein Angehöriger  der Bundeswehr, ein Buch bei dem rechtsextremen Verlag Deutsche Stimme der NPD  herausgibt. Da vermissen wir schon Differenzierung und Sensibilität, vor allem angesichts des historischen Erbes und der Anzahl jüdischer Soldaten in der Bundeswehr.

Das Thema des heutigen Abends hat aus meiner Sicht im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Bundeswehr eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Mit dem bevorstehenden Aussetzen der Wehrpflicht im Rahmen der Bundeswehrreform und der Umwandlung in eine Freiwilligenarmee könnte die Zahl Wehrwilliger mit rechtsreaktionärem bis rechtsradikalem Gedankengut zunehmen. Ihnen würde es nun leichter fallen als früher, an überkommene Wehrmachtsvorstellungen anzuknüpfen und Geschichtsrevisionismus zu betreiben. Dieser  möglichen Herausforderung sollten sich Bundeswehr und Zivilgesellschaft bewusst sein und gegebenenfalls schnell und angemessen reagieren. Besondere Aufmerksamkeit und engagiertes Einwirken gegen solche Tendenzen werden nötig sein, damit Juden auch in Zukunft die Bundeswehr als einen Teil unserer Demokratie ansehen.

Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2011 (2)