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Hilfe für die Seele
01.Februar 2022 | Beiträge – jüdisches berlin | Gesellschaft
Eine multikulturelle Arzt- und Psychotherapiepraxis führt das Werk von Dr. Werner Platz sel. A. fort
Dr. Werner Platz war als einer der renommiertesten Gerichtsgutachter, Suchtmediziner und Psychiater bekannt, aber auch als Repräsentant bzw. Vorstandsmitglied und Sozialdezernent der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er hat ESRA, die erste psychosoziale Beratungsstelle für NS-Verfolgte gegründet und die »Psychiatrische Institutsambulanz« in Reinickendorf, die vor allem Geflüchteten und jüdischen Zuwanderern viele Jahre erfolgreich geholfen hat – eine Arbeit, die Dr. Platz in seiner Privatpraxis in Halensee weitergeführt hat. Nach seinem Tod (siehe unseren Nachruf im jb 231, 2/2021) hat das Team seiner Praxis beschlossen, sein Werk fortzuführen.
Nun, zum ersten Todestag von Werner Platz, anläßlich seiner »Jahrzeit«, kann das Stammteam der Arzt- und Psychotherapiepraxis, bestehend aus seiner Witwe Constantine Antonopoulou, seinem Sohn Thorsten Platz, Elena Lombach und Dr. Sergej Iljin samt Sekretärinnen und Sozialarbeiter, auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Wie schon in Reinickendorf kommen auch in die verkehrsgünstig am Ende des Ku‘damms gelegenen Praxis Patienten aus allen Teilen der Stadt. Denn hier wird neben Deutsch auch Russisch, Griechisch und Englisch gesprochen, und mit Hilfe eines Dolmetschers Beratung auf Arabisch und Farsi angeboten und auch so mancher Antrag, etwa für eine Kur oder einen Behindertenausweis, ausgefüllt. Im Sinne von Werner Platz ist das Credo des Teams, unkonventionell, flexibel und mit »niedrigschwelligen« Angeboten Hilfe für Menschen zu leisten, die »Probleme im System haben«, wie Elena Lombach es ausdrückt. Das Team arbeitet von 10 bis 18 Uhr durch, versucht kurzfristig Termine zu ermöglichen, und eine familiäre Athmosphäre zu schaffen. Auch deswegen sieht es hier nicht ganz so steril und unterkühlt aus wie in anderen Praxen, und manchmal geht die Sprechstunde abends auch länger als vorgesehen. Denn wie wichtig die soziale Komponente und die Kommunikation in der eigenen Sprache für ein Minimum an Vertrauen ist, gerade, wenn es um intime Dinge geht, hat schon Werner Platz immer betont, wie sein Sohn Thorsten erzählt. So wie die aus Griechenland stammende Constantine Antonopoulou sich beispielsweise um Geflüchtete aus dem Mittelmeerraum kümmert, die sich teilweise jahrelang in Griechenland aufgehalten haben und die Sprache sprechen, sind auch Sergej Iljin und Elena Lombach einst als jüdische Zuwanderer nach Deutschalnd gekommen, und wissen, wie angstbesetzt und anrüchig der Psychiatriebegriff in Russland war, dass russischsprachige Therapeuten hierzulande Mangelware sind. Es ist aber vor allem für ältere und traumatisierte Menschen entscheidend, ob sie sich in ihrer Muttersprache unterhalten können und viele Patienten blieben unbehandelt, gäbe es Einrichtungen wie die ihrige nicht. Die Probleme und Symptome, mit denen die Patienten in die Praxis kommen, sind mannigfaltig: Depressionen, Schlafstörungen, Einsamkeit, Alkoholmissbrauch, Phobien, Internet- oder Spielsucht. Aktuell ist daneben die Corona-Pandemie eine große Herausforderung für das Team. Depressive Menschen beispielweise sind anfälliger als andere für Panikattacken und Suizidgedanken, erzählt Elena Lombach, die als Verhaltenstherapeutin versucht, Bewältigungsstategien mit ihren Patienten zu erarbeiten. Der Großteil der Hilfesuchenden leidet jedoch an posttraumatischen Belastungsstörungen nach schrecklichen Erlebnissen – Krieg, Folter, Vergewaltigung oder wie im Falle jüdischer Patienten einer KZ-Erfahrung oder des Schweigens über sie in der nächsten Generation. Auch viele Geflüchtete, ob Afghanen oder Kurden, sind schwer traumatisiert, glauben sich hier weiterverfolgt oder spielen mit Suizidgedanken, weil ihnen eine Abschiebung droht. Werner Platz hat sich immer dafür eingesetzt, dass Traumata (an)erkannt werden, gerade weil Unbeteiligte nicht in der Lage sind, sie zu beurteilen. Er wäre sicher stolz darauf, wie seine »Erben« diese Arbeit weiterführen. JK Private Arzt- und Psychotherapiepraxis (vormals PD Dr. med. Werner E. Platz) Storkwinkel 4, 10711 Berlin, Ecke Kurfürstendamm Telefon: (030) 67948252, E-Mail: weplatz@web.de
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