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Gutes tun und Gutes leben
01.Februar 2013 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Die Gemeinde dankte ihren ehrenamtlichen Helfern, unter ihnen der 83-jährige Peter Bogomolnij
Ist ein einzelner Mensch, so ungewöhnlich er auch sein mag, wirklich imstande, die Welt zu verändern? Ebenso oft denken wir, dass die Mühen nicht mehr sein können als ein winziger Tropfen auf einem heißen Stein. Und doch irren wir uns glücklicherweise ebenso oft. Ein Mensch kann unglaublich viel bewirken, wenn er bereit ist, seine Lebensenergie und -wärme mit der Welt um ihn herum zu teilen.
Für solche Menschen spielt auch das Alter keine Rolle. Dank scheinbar unerschöpflicher Lebensenergie fällt es Peter Bogomolnij auch mit seinen 83 Jahren nicht schwer, ganze Säle voller begeisterter Zuhörer mit seinen Gedichtrezitationen zu unterhalten sowie mit guter Laune anzustecken. Ein Mensch, der die Erfahrungen seines langen und nicht gerade einfachen Lebens gerne mit allen teilt, wie er auch stets zur Stelle ist, wenn Hilfe benötigt wird.
Wie viele andere Mitglieder der Gemeinde wurde Bogomolnij, Jahrgang 1929, in der Ukraine geboren, in einer kleinen jüdischen Siedlung in der Oblast Winnyzja. Nach dem frühen Tod des Vaters blieb er mit Mutter und zwei Geschwistern allein. »Sie hatte es sehr schwer«, erinnert sich Bogomolnij, »aber sie hat versucht, uns alles zu geben, was unter diesen Umständen möglich war. Eine Erziehung, die in erster Linie menschlich war.« Diese mütterliche Wärme wurde das größte Erbe Bogomolnijs. Ein guter Mensch sein – dies blieb die Devise seines gesamten Lebens und bedeutete in erster Linie, die Probleme anderer so ernst zu nehmen, als wären es die eigenen.
Und dies sind sicher nicht nur leere Worte: Hinter ihnen steht alles, was Bogomolnij nach seiner Einwanderung 1992 tat und tut. »Oft zitiere ich Friedrich Schiller«, erzählt er. »Ich habe für meine Wohltätigkeitsarbeit im Dezember im Roten Rathaus ein Ehrenabzeichen des Senats bekommen. Das war eine große Überraschung für mich, wahrscheinlich sogar für alle! Bei der Zeremonie habe ich ebenfalls Schiller zitiert. Es ist nur meine Meinung, aber für mich sind diese Worte das Schönste und Wertvollste, was die Weltliteratur hervorgebracht hat: Seid umschlungen, Millionen! Diesen Gedanken kann man nicht besser ausdrücken. Es sind ganz wunderbare Worte.«
Die Verleihung jenes Ehrenabzeichens ist nicht nur ein Indiz für die Entwicklung der Gemeinde; vielmehr ist dieser Erfolg ein Hinweis auf eine gelungene Integration in die deutsche Gesellschaft. Erfolge wie diese lassen sich nur durch aktives Interesse an den Sorgen und Nöten der Nächsten erreichen, durch das sich Menschen wie Peter Bogomolnij auszeichnen. »Bereits in Rostock (unmittelbar nach der Einwanderung) habe ich Neuankömmlingen geholfen. Die Polizei schickte sie schon zu mir – gehen Sie ins Zimmer 812 im Asylantenheim, dort wohnt ein Herr Bogomolnij, der hilft Ihnen mit der Sprache.« Und so entstand der Ruf eines Menschen, der stets bereit ist zu helfen. »Ich schätze, das hat mit meiner Familie zu tun. Sogar als ich ganz klein war, half ich gerne jedem, der mich zum Beispiel nach dem Weg fragte. Ich machte das gern, für mich war das selbstverständlich… Hier begann ich irgendwann, alle möglichen Klubs zu besuchen. Den Klub »Massoret«, dann half ich, Veranstaltungen zu organisieren, hielt Vorträge, half mit Informationen aus… Schließlich kamen die Leute von selbst.«
Auch Zuwanderer, wie eine Dame aus Kiew: »Sie bekam irgendwann Schwierigkeiten mit dem Sozialgericht. Ich hatte mich nie mit so etwas beschäftigt, aber ich fand, dass man nicht länger warten konnte. Also telefonierte ich dem Richter hinterher, ich fragte ihn: Ist es tatsächlich denkbar, dass ich so etwas im Land von Schiller und Beethoven erlebe? Er beruhigte mich dann und meinte, dass alles schon gut werde. Und tatsächlich gewannen wir den Fall! (…) Mit der Zeit wurden es dann mehr und mehr Leute, die sich mit der Bitte um Hilfe an mich wandten. Ich ging dort hin wie zum Musikunterricht. Ich versuche stets mein Bestes, auch bei schwierigen oder sehr schwierigen Fragen. Und wissen Sie was? Ich fühle mich wunderbar, wann immer wir eine Frage oder ein Problem lösen können. Sogar das Atmen fällt dann leichter. Was könnte besser sein?«
Tatsächlich würden diese Aktivitäten für weit mehr als einen Menschen ausreichen. Erst recht, wenn dieser Mensch bereits 83 Jahre alt ist und langsam Probleme mit dem Sehvermögen bekommt… aber so sieht es Bogomolnij nicht. Er schafft es nicht nur, Menschen zu helfen, sondern findet nebenbei auch noch Zeit für anderes: Schach etwa. »2002 belegte ich unter den Senioren berlinweit den dritten Platz!« Auch sein einzigartiger Humor hilft Bogomolnij, seine Energie und Lebensfreude mit anderen Menschen zu teilen und dies hilft wiederum diesen Menschen.
Am 6. Dezember empfing die Jüdische Gemeinde besondere Gäste: eben jene Menschen, die ständig bereit sind, anderen mit Freude zu helfen. Es war ein Abend der Dankbarkeit, der zu Ehren aller ehrenamtlichen Helfer organisiert wurde und uns erlaubte, die Wichtigkeit ihrer Taten von neuem zu würdigen und ihnen zu danken. Alexandra Babes, die Sozialdezernentin, bezeichnete die Freiwilligen in ihrer rührenden Rede als besondere Menschen, Schüler von Aaron. »Sie liebten ihre Nächsten und begleiteten sie durchs Leben«. Auch unsere Freiwilligen führen diese Tradition mit Liebe und Achtung fort, bemerkte Alexandra Babes. »Täglich begeben sie sich auf Anweisung unserer Sozialabteilung helfend zu Bedürftigen und Gebrechlichen. Sie erledigen diverse Aufgaben: Begleiten ihre Schützlinge zu Ärzten, kümmern sich um die Einkäufe, kochen, backen und vieles mehr. Ohne sie wäre unsere Gemeinde und insbesondere unsere Sozialabteilung viel unvermögender.«
Nicht nur Bogomolnij, jeder der Freiwilligen verdient seine Auszeichnung. «Ich bin eine von euch«, bemerkte die ebenfalls anwesende Repräsentantin Asja Gorban: »Schon seit 19 Jahren helfe ich im Hermann-Strauß-Heim. Ich bin fast 80 Jahre alt, fühle mich aber wie 40, wenn ich mich engagiere.« Vermutlich sind Jugend und geistige Fitness ja auch die größten Auszeichnungen, mit denen die Freiwilligen geehrt werden.
Es ist nicht einfach, für diese Menschen ein Geschenk zu finden – was, wenn nicht ein angenehmer Abend unter interessanten Menschen, untermalt von schöner Musik. »Wir schätzen Ihre Arbeit und Ihre Zeit ungemein… als Zeichen der Dankbarkeit präsentieren wir Ihnen den Auftritt zweier wunderbarer Musiker, Marina und Mikhail Koljushny«, so sagte der Koordinator der Freiwilligen Igor Singer an jenem Abend treffend.
Nun bleibt nur eins: Mögen die Freiwilligen ein langes und erfülltes Leben haben, das ihnen die Liebe und Mühe zurückgibt, mit der sie stets so bereitwillig helfen.
Sevil Huseynova
jüdisches berlin
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