Beitragssuche
Grußwort des Vorsitzenden
01.Juni 2017 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Liebe Gemeindemitglieder!
Was macht ihr in Zukunft mit den zusätzlichen Millionen in der Kasse?
Oft wurde uns in letzter Zeit diese Frage gestellt. Gemeint sind die Mittel, die der Senat der Gemeinde in diesem Jahr zusätzlich überwiesen hat. Die Antwort ist einfach und ernüchternd: In Zukunft lässt sich mit dem Geld nicht viel machen, denn es ist schon weg - fast komplett aufgebraucht!!! »Wofür?«, ist gleich die nächste Frage. Selten fragt jemand:
Woher kommt das Geld eigentlich?
Dabei ist der Blick zurück so wichtig, damit so ein Verlust nie wieder entsteht. Die Millionen setzen sich aus Nachzahlungen des Berliner Senats zusammen. Der Senat hat der Gemeinde lange Zeit zu wenig Mittel überwiesen. Oft gibt es Kopfschütteln darüber, wie über Jahrzehnte (!!!) nicht aufgefallen sei, dass die Jüdische Gemeinde zu wenig Finanzmittel erhalten habe. Dreimal haben Gerichte geurteilt und der Gemeinde Recht zugesprochen: Alles, was wir in den letzten Jahren zu wenig bekommen haben, wurde nachgezahlt. Ausgezahlt wurde nachträglich ab dem Zeitpunkt, ab dem wir als Vorstand die Ansprüche unserer Gemeinde geltend gemacht haben.
75 Prozent des Geldes sind für überfällige Gehaltserhöhungen schon weg.
Lehrer und Erzieher an jüdischen Einrichtungen haben über 12 Jahre keine Gehaltserhöhungen erhalten. Auf ihrem Gehaltsauszug ist die Zeit stehen geblieben. Dennoch wurde die Atmosphäre in unseren Schulen und Kindergärten immer familiärer. Deshalb sind unsere Schulen und Kitas beliebter denn je und wachsen in erfreulichem Ausmaß. Heute lernen mehr als 300 Kinder an der Heinz-Galinski-Grundschule, die vor genau 30 Jahren eröffnete – mit 25 Kindern wohlgemerkt! Es war an der Zeit, die Lehrergehälter zu erhöhen. Der Vorstand hat für die Lehrerinnen und Lehrer, sowie die Erzieherinnen und Erzieher ein höheres Gehalt erkämpft. Und trotz der Erhöhungen verdienen unsere Lehrer und Erzieher immer noch weniger als ihre Kollegen im öffentlichen Dienst.
Der Senat zahlt einem Lehrer an einer Privatschule weniger Geld als einem Lehrer an einer öffentlichen Schule. Es entsteht eine Gehaltslücke, die in der Regel durch private Schulgebühren geschlossen wird.
Nicht nur unser Lehrerkollegium erhält vom Senat weniger Geld für seine Arbeit. Alle Lehrer und Erzieher an Privatschulen in Berlin erhalten vom Senat weniger Gehalt als ihre Kollegen an öffentlichen Schulen. Der Senat beteiligt sich an den Gehältern der Lehrer in privaten Schulen immer nur anteilig. Und trotzdem kommen viele Lehrer an Privatschulen am Ende des Monats auf mindestens das gleiche Gehaltsniveau wie ihre Kollegen an öffentlichen Schulen. Unsere Lehrer schaffen es nicht auf dieses Niveau. Da stellt sich die Frage nach dem Warum. Ganz einfach: 93% eines Lehrergehalts an Privatschulen werden vom Staat bezahlt. Diese 93% machen aber nur 2/3 der Gesamtkosten einer Schule aus. Die restlichen Ausgaben müssen im Optimalfall durch Schulgebühren finanziert werden.
Unsere Schulen gehören zu den günstigsten Privatschulen Berlins.
Es ist kein Geheimnis: Die Einnahmen an unseren Schulen durch Schulgelder sind extrem niedrig. Sie reichen bei weitem nicht, um sowohl die fehlenden 7% der Lehrergehälter zu ergänzen und außerdem Schulhof und Gartenpflege, Gebäudereinigung, Baumaßnahmen, Stromkosten, Schulbusse, Ferienbetreuung und, und, und zu finanzieren. Deshalb muss die Jüdische Gemeinde jedes Jahr ca. 300.000 Euro zusätzlich aus eigener Tasche finanzieren. Viele Eltern zahlen bei uns als Schulgeld für ein ganzes Jahr weniger als Eltern an anderen Privatschulen pro Monat bezahlen müssen. Wir können guten Gewissens behaupten: Wir betreiben eine der preisgünstigsten Privatschulen Berlins. Das hat auch seinen Grund. Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, allen Kindern unserer Gemeinde eine jüdische Bildung zu ermöglichen. Natürlich könnten wir darüber nachdenken, das Schulgeld anzuheben. Aber wir wissen alle: Es sind nur wenige Mitglieder in der Lage, ein viel höheres Schulgeld zu bezahlen. Ein großer Teil der Eltern kann nicht viel mehr als den Mindestsatz aufbringen. Dieser liegt aktuell bei monatlich 33 Euro.
Der Vorstand steht vor einem Dilemma: Sollen wir die Gehaltserhöhungen der Lehrer durch Schulgelderhöhungen finanzieren? Damit würden wir viele sozial schwächere Kinder von der Schule ausschließen. Belassen wir es bei den kleinen Schulgeldbeiträgen, können wir mit den Gehältern an öffentlichen Schulen nicht mithalten.
Überall fehlen Lehrer
Mit den wenigen Schulgeldeinnahmen ist es für die klamme Jüdische Gemeinde eine große Herausforderung, gute Lehrer und Erzieher zu finden und zu halten. Unsere Wettbewerbssituation ist schwer. Da gibt es nichts schönzureden. Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. 1900 Lehrer hat der Berliner Senat im letzten Jahr eingestellt und jedem Dritten davon fehlt eine Lehrerausbildung. Händeringend sucht der Senat nach Lehrern und Erziehern in Berlin. Und wir suchen den Arbeitsmarkt im Schatten des besser zahlenden Senats ebenfalls ab. Diese Aufgabe ist für Schul- und Personalleitung zwar kein Honiglecken. Aber sie lösen sie schon seit Jahren hervorragend. Zum Ende eines jeden Jahres scheiden in der Regel eine Handvoll Kollegen aus, meistens aufgrund von Rentenansprüchen, weil sie ins Ausland gehen oder, weil sie sich beruflich umorientieren - so auch in diesem Jahr. Erfreulicherweise liegt uns auch in diesem Jahr inzwischen eine Reihe von qualifizierten Bewerbungen vor.
Lehrerinnen und Lehrer arbeiten gern an Privatschulen, weil sie gegenüber öffentlichen Schulen Vorteile haben.
Trotz geringerer Gehaltsaussichten sind unsere Schulen für Lehrer attraktiv: Wir haben in den Jüdischen Schulen und Kindergärten ein großartiges Kollegium, das trotz aller Nöte zusammenhält. Bei uns gibt es mehr Ferien, d. h. es gibt reguläre Schulferien und darüber hinaus eine Vielzahl jüdischer Feiertage, an denen die Schulen geschlossen bleiben. Auch unsere kleineren Klassengrößen schonen die Nerven der Lehrer, die an öffentlichen Schulen nicht selten am Burn-Out-Syndrom erkranken. Diese Pluspunkte steigern die Lebens- und Arbeitsqualität unserer Lehrerinnen und Lehrer.
Nach drei Gerichtsrunden mit drei Urteilen zugunsten der Gemeinde und nach der erstmals nach 12 Jahren durchgeführten Gehaltserhöhung für Kita und Schule ist klar: Endlich boxt ein Vorstand wieder die Interessen seiner Mitarbeiter durch.
Erstmalig nach 12 Jahren hat der amtierende Vorstand die Lehrergehälter in den Jahren 2014 und 2015 um durchschnittlich 15% erhöht. Damit wurden 2015 unsere Lehrer sogar etwas besser bezahlt als Lehrer im Land Berlin. Seitdem verdient ein in Deutschland ausgebildeter Lehrer an der Heinz-Galinski-Grundschule jährlich, inkl. Channuka-Geld, rund 54.200 Euro. Auf unserem Gymnasium verdient ein in Deutschland ausgebildeter Lehrer nach der besagten Gehaltserhöhung rund 60.900 Euro im Jahr, inkl. Channuka-Geld. Ab 2016 gab es weitere Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst. Die Lehrer an öffentlichen Schulen verdienen jetzt wieder ca. 7% mehr als unsere Lehrer. Einen ähnlichen Gehaltsunterschied gibt es auch bei unseren Erziehern. Es ist absolut verständlich und nachvollziehbar, dass unser Bildungspersonal diesen Gehaltsunterschied nicht gut findet. Auch wir beschäftigen uns seit Jahren mit diesem Problem. Eins ist klar: Wir werden bei der Frage der Schulgebühren und der Gehälter schnellstmöglich einen Kompromiss finden müssen, der für die Lehrer und die Eltern akzeptabel ist.
Neue Schulleitung für die Heinz-Galinski-Grundschule.
Nicht zuletzt brauchen wir eine attraktive Vergütung auch für eine Neubesetzung der Schulleitung der Heinz-Galinski-Grundschule. Die Schule wurde über Jahre von der Doppelspitze Soraya Koziner und Martina Godesa geleitet. Gemeinsamkeiten und Differenzen prägten jahrelang die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Gemeinde- und Schulleitung. Im letzten Jahr haben sich Differenzen gehäuft, die unüberbrückbar geworden sind, so dass die Entscheidung gefallen ist, getrennte Wege zu gehen. Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre. Gemeinsam haben wir viele neue Projekte an der Schule realisieren können. Beiden wünschen wir für ihre weiteren Lebenswege alles Gute. Die Stelle des Schulleiters wird schnellstmöglich neu besetzt.
Die Heinz-Galinski-Grundschule wächst jeden Tag und braucht mehr Platz.
Mit einer neuen Schulleitung wollen wir neue Ufer erreichen. Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler an landesweiten Vergleichstests in den Hauptfächern Deutsch und Mathe teilnehmen. Uns ist auch wichtig, unsere Schule besser mit den Berliner Bildungsgremien zu vernetzen. Unsere Schule sollte Teil des Bezirksschulbeirates werden, um zum Beispiel mehr über die Schulentwicklungsplanung des Bezirks zu erfahren oder über bezirkliche Maßnahmen zur Verbesserung des Zusammenwirkens der Schulen im Bezirk. Nur so kann die Heinz-Galinski-Grundschule in der Bildungsarbeit langfristig auch mit anderen guten Schulen mithalten. Vor allem wird es Zeit, mehr Raum für die Heinz-Galinski-Grundschule zu schaffen: Unsere schöne Schule wächst jeden Tag. Wenn ich bei meinen Terminen in der Grundschule junge Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schüler sehe, dann hege ich häufig einen Wunsch: Es wäre schön, wenn auch diese Kleinen in 20 Jahren ihre Kinder vertrauensvoll zu ihrer ehemaligen Klassenlehrerin oder ihrem ehemaligen Klassenlehrer zur Schule bringen würden. Ich bin überzeugt: Die Weichen dafür stellen wir jetzt!
Ihr Dr. Gideon Joffe
jüdisches berlin
2012_24 Alle Ausgaben
- Dezember 2024
- November 2024
- Oktober 2024
- September 2024
- Juni 2024
- Mai 2024
- April 2024
- März 2024
- Februar 2024
- Januar 2024
- Dezember 2023
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- September 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- Januar 2018
- März 2021
- Februar 2021
- Mai 2020
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- September 2020
- Oktober 2020
- Juni 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- September 2019
- November 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Dezember 2018
- Januar 2019
- Mai 2015
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2015
- März 2015
- März 2018
- Februar 2017
- Februar 2018
- fileadmin/redaktion/jb197_okt2017.pdf
- September 2017
- Juni 2017
- April 2017
- November 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2017
- Dezember 2015
- November 2015
- September 2015
- Juni 2015
- Oktober 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Januar 2022
- Oktober 2014
- September 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012