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Grußwort des Vorsitzenden
01.Februar 2015 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Liebe Gemeindemitglieder,
die Ereignisse der letzten Wochen sind an keinem von uns spurlos vorübergegangen. In Paris sind 17 Menschen ermordet worden – vier von ihnen einzig und allein aus dem Grund, weil sie französische Juden waren. In Berlin werden Israelis zusammen geschlagen, einzig und allein aus dem Grund, weil sie israelische Juden sind und Antisemiten in Berlin schreien ihren Hass gegen deutsche Juden aus den Fenstern. Bislang ist – obwohl manche der Angriffe schon monatelang zurück liegen, keiner der Angreifer festgenommen worden – ebenso wenig wie die, die Rabbiner Alter im August 2012 tätlich attackiert haben. Zudem gehen Wissenschaftler davon aus, dass es eine erhebliche Dunkelziffer nicht angezeigter antisemitischer Delikte gibt.
Noch, ich betone: noch, ist es nicht so weit, dass Juden in der Bundesrepublik Deutschland ermordet werden, nur weil sie Juden sind. Damit es jedoch nicht dazu kommt, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die den demokratischen Rechtsstaat schützen.
Der große jüdische Gelehrte Hillel sagte einst: »Was dir zuwider ist, das tu‘ auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur Erläuterung, geh‘ und lerne sie!« – und mit Kants Kategorischem Imperativ wurde über 1 800 Jahre später das ebenfalls bereits im Christentum verankerte Prinzip der »Fremdenliebe« wieder zum Leben erweckt. Das Ergebnis des christlich-jüdischen Dialogs der letzten Jahrzehnte ist daher ein Austausch auf Augenhöhe. Vertraut und von Verständnis geprägt kann das Verhältnis der christlichen Kirchen zu den jüdischen Gemeinschaften in Deutschland heute beschrieben werden.
Meines Erachtens sollten wir uns gemeinsam stärker auf den Austausch mit der dritten monotheistischen Weltreligion, dem Islam, konzentrieren. Immer mehr Menschen dieses Glaubens kommen nach Europa und nach Deutschland. Sie müssen in die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen der europäischen Staaten integriert werden. Dafür braucht es vor allem die Akzeptanz der Bevölkerung. Diese zu erreichen, muss die Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte und der Politik sein.
Erschwert wird diese Aufgabe natürlich durch die weltpolitische Lage, die geprägt ist durch terroristische Anschläge islamischer Extremisten. Der oft zitierte Satz: »Nicht jeder Moslem ist ein Terrorist, aber die meisten terroristischen Anschläge werden von Moslems verübt«, beschreibt die aktuelle Gemütslage vieler Menschen. Der islamistische Terror verstellt die Sicht auf die in großer Mehrheit friedlichen moslemischen Gemeinden in Deutschland und Europa.
Der christlich-jüdische Dialog mit den moslemischen Gemeinden in Deutschland ist daher überfällig. Die christlichen Kirchen und die jüdische Gemeinschaft müssen gemeinsam einen Weg finden, die Radikalisierung junger Muslime zu verhindern. Die Arbeit allein den Sicherheitsbehörden zu überlassen, ist grundsätzlich falsch. Es wäre auch ein großer gesellschaftlicher Zugewinn für uns alle, wenn in absehbarer Zeit Christen, Juden und Moslems gemeinsam in aufrechter Haltung einen Weg gehen könnten, zugewandt in respektvollem Umgang und gemeinsam agierend gegen jedweden Terrorismus.
Liebe Gemeindemitglieder,
an dieser Stelle kann ich Ihnen berichten, dass der Vorstand in Absprache mit der Senatsinnenverwaltung und Polizei Maßnahmen ergriffen hat, die die Sicherheit in und vor unseren Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin erheblich verstärken. Leider müssen wir als Vorstand nun auch daran denken, wie wir die Wahrscheinlichkeit von Anfeindungen gegen Gemeindemitglieder reduzieren können. Aus diesem Grund werden wir das »jüdische berlin« zukünftig in einem neutralen Umschlag versenden. Allein diese – so makaber es klingt – »Sicherheitsmaßnahme« wird die Gemeinde zukünftig 12 000 Euro jährlich kosten. Mein besonderer Dank geht in diesem Zusammenhang an unseren Sicherheitskoordinator Yaakov Shancer und alle Sicherheitsmitarbeiter.
Abschließend möchte ich mich beim ehemaligen Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung, Rechtsanwalt Michael Rosenzweig, herzlich für seinen unermüdlichen Einsatz der letzten Jahre bedanken. Michael Rosenzweig ist ein außergewöhnliches politisches Talent. Sein rhetorisches Geschick und sein auf Ausgleich bedachtes Wesen waren eine Garantie dafür, die häufig turbulenten Sitzungen des Gemeindeparlaments dennoch stets in würdevollem Rahmen durchführen zu können. Aufgrund glücklicher persönlicher Umstände hat er entschieden, sein Mandat in der Repräsentantenversammlung aufzugeben. Laut Satzung hätte er wegen der Heirat mit einer Repräsentantin sein Mandat nicht aufgeben müssen. Umso mehr zolle ich ihm für seinen Entschluss größten Respekt, da er damit weiterhin dazu beiträgt, die positive Bilanz der KOACH-Fraktion aufrechtzuerhalten.
Lieber Michael, ich wünsche Dir, dass die Kinder, die der Ewige Euch schenken wird, in einer Zeit leben werden, in der die Kindergärten, Schulen und Synagogen der Jüdischen Gemeinde nicht mehr von der Polizei bewacht werden müssen. Du weißt ja: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.
Zu Tu BiSchwat wünsche ich allen Gemeindemitgliedern »Chag Sameach«.
Ihr
Dr. Gideon Joffe
jüdisches berlin
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