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Grußwort des Gemeindevorsitzenden
01.Oktober 2015 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Liebe Gemeindemitglieder,
in Deutschland ist man als Vorsitzender einer Jüdischen Gemeinde quasi täglich mit der dunkelsten Vergangenheit konfrontiert. Einladungen zu Gedenkveranstaltungen, Diskussionsrunden, Buchvorstellungen, Ausstellungseröffnungen, Zeitungs-, Radio- und Fernsehberichte, solidarische und verleumderische Briefe, Faxe, E-Mails, vor allem aber der tägliche Kontakt mit Gemeindemitgliedern, die die Schoa überlebt haben, tragen dazu bei, dass auch zu den schönsten Anlässen ein Teil der Aufmerksamkeit stets den sechs Millionen ermordeten Juden und ihren Familien gewidmet bleibt.
Einer dieser schönen Anlässe war die wunderbar gestaltete Einschulung der ersten Klassen der Heinz-Galinski-Grundschule. 60 Erstklässler kommen seit einigen Wochen in den Genuss, die Wärme, das außerordentliche Engagement und die Professionalität der Lehrerschaft unserer Grundschule nun tagtäglich erleben zu dürfen. Begrüßt wurden unsere neuen Schüler auch von den Zweitklässlern, die Lieder auf Deutsch, Englisch und Hebräisch sangen.
Das Bild von 60 jüdischen Erstklässlern in Berlin, die von ebenso vielen jüdischen Zweitklässlern begrüßt wurden, ließ meine Gedanken auch – wie in den Jahren zuvor – zu den 1,5 Millionen von den Nazis ermordeten Kindern schweifen. Gedanklich in die Gegenwart zurückkommend, habe ich mir gedacht, wie sehr sich die Bundesrepublik in den letzten 70 Jahren doch gewandelt hat.
Nunmehr ist die Rettung »ein Meister aus Deutschland«. Wessen Herz bleibt unberührt, wenn man sieht, wie verzweifelte Mütter mit ihren hilflosen Kindern sowie ums Überleben kämpfende Männer ins sichere Europa und vor allem nach Deutschland fliehen – und zumeist mit offenen Armen empfangen werden.
Die Entwicklungen der letzten Zeit bedeuten für den Vorstand der Jüdischen Gemeinde zweierlei: Auch wir müssen einen Beitrag zur Hilfe leisten. Da wir eine kleine Organisation sind, wird dieser Beitrag eher ein symbolischer Tropfen auf den heißen Stein sein. Wir werden jedoch verdeutlichen, dass sich auch die Jüdische Gemeinde dafür einsetzt, Menschen in lebensbedrohlichen Notlagen unbürokratisch zu helfen, und zwar unabhängig davon, welchem Glauben sie angehören.
Gleichzeitig dürfen wir aber die mit der massiven Flüchtlingswelle einhergehenden Gefahren für die jüdische Gemeinschaft nicht außer Acht lassen. Denn eines steht fest: Eine Vielzahl der Flüchtlinge stammt aus Ländern, in denen der Antisemitismus zur Staatsräson gehört. Zudem warnen Sicherheitsbehörden, dass auch Terroristen im Flüchtlingsgewand nach Europa streben. Folglich müssen wir uns in Zukunft für eine Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen in den jüdischen Einrichtungen einsetzen. Die Sicherheitsvereinbarung zwischen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Land Berlin muss an die neuen Begebenheiten angepasst werden. Denn natürlich benötigt die Jüdische Gemeinde jetzt mehr Sicherheitspersonal.
Wir sind zuversichtlich, dass das Land Berlin den schwierigen Spagat zwischen Willkommenskultur und Sicherheit schaffen wird und auch zukünftige 1. Klassen der Heinz-Galinski-Schule freudig und unbeschwert von den 2. Klassen begrüßt werden können.
Liebe Gemeindemitglieder,
ich wünsche Ihnen und Ihren Familien
Chag Simchat Tora sameach!
Ihr Dr. Gideon Joffe
jüdisches berlin
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