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Grußwort des Gemeindevorsitzenden

02.April 2024 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde

Liebe Gemeindemitglieder,
am 27. Februar hat das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland (ZdJ) der Jüdischen Gemeinde zu Berlin die Stimmberechtigung in den Organen des Zentralrats entzogen. Indem der Zentralrat nun rund einem Zehntel seiner Mitglieder das Mitwirkungsrecht verweigert, kann er wohl schwerlich weiterhin für sich in Anspruch nehmen, als Gesamtvertretung des deutschen Judentums gegenüber Staat und Gesellschaft zu agieren. Die Gefahr einer Spaltung des Zentralrats wird damit verstärkt.

Wir bedauern, dass der Zentralrat hier so verantwortungslos und destruktiv handelt. Gerade in der jetzigen Situation, in der die jüdische Gemeinschaft vermehrt antisemitischen Attacken ausgesetzt ist, ist es fatal, Streitereien so in die Öffentlichkeit zu tragen, anstatt für Geschlossenheit und Solidarität unter den Jüdischen Gemeinden zu sorgen.

Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass der Zentralrat offensichtlich überfordert ist im Umgang mit Deutschlands vielfältigster jüdischer Gemeinde:

• Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hält Wahlen ab - der Zentralrat will sie untersagen und annullieren.

• Eine Vertreterin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wird von der Mehrheit des Zentralratsdirektoriums in das Zentralratspräsidium gewählt – die Zentralratsführung entzieht ihr das Stimmrecht.

• Die Jüdische Gemeinde zu Berlin übernimmt nach langer Untätigkeit des Zentralrats die Trägerschaft des Abraham Geiger Kollegs (AGK) – der Zentralrat blockiert die Zahlungen und möchte selbst die Leitung der Rabbinerausbildung übernehmen.

Gerade in Bezug auf die Übernahme des AGK durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat eine Vielzahl der Berliner Rabbiner der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ARK) erklärt: »Unter der Obhut der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dank der unermüdlichen Arbeit vieler ist es gelungen, wieder ein Klima zu schaffen, das es ermöglicht, positiv in die Zukunft zu blicken. So wurde zunächst durch die neue Trägerin die komplette Leitung oberhalb der Verwaltungsebene neu berufen. Es wurde eine neue Compliance Struktur mit Unterstützung einer der renommiertesten Kanzleien in Deutschland ausgearbeitet. Sodann wurde entsprechend des neuen Konzeptes ein ständiger Ausschuss durch die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegründet, welcher in Zukunft die grundlegenden Entscheidungen treffen soll und mit Vertretern aller relevanten Akteure des Liberalen Judentums sowie mit Vertretern der Belegschaft und der Studierenden besetzt wird. (…) Auch wurde ein Studentenwohnprojekt durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin ins Leben gerufen, durch welches es den Studierenden ermöglicht wird, bezahlbaren Wohnraum in Berlin in den Objekten der Gemeinde für die Dauer ihres Studiums zu nutzen. Ferner ist ein Praktikumsprogramm, bei dem die Studenten alle für Rabbiner und Kantoren relevanten Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin durchlaufen, in Planung. Im Sinne der Transparenz wurde auch eine Ombudskanzlei beauftragt. Die Einlassungen des Zentralrats der Juden in Deutschland haben dieser Arbeit einen schweren Schaden zugefügt.«

Ebenso ist die Androhung des Bundesministeriums des Innern, des Landes Brandenburg und der Kultusministerkonferenz, die Zuwendungen an das AGK einzustellen und den Zentralrat der Juden dabei zu unterstützen, eine eigene liberale Ausbildungsstätte einzurichten, ein Angriff auf das liberale Judentum. Nach der Übernahme des AGK haben wir erfolgreich alle internen Strukturen optimiert und damit das AGK wieder zukunftsfähig gemacht.

Wir weisen daher die Initiative des Zentralrats, dem AGK mit Hilfe des Staates die finanzielle Existenz zu entziehen, mit Nachdruck zurück. Angesichts der aktuellen Entwicklungen und der Gefahren, die Jüdinnen und Juden heute auch in Deutschland drohen, ist der vom Zentralrat initiierte und von staatlichen Institutionen aufgenommene Konflikt für das jüdische Leben schädlich und stört die jetzt so notwendige innere Gemeinsamkeit.

Wir sind daher für die einhellige Unterstützung der internationalen Spitzenorganisationen des liberalen Judentums dankbar. So betont die Liberale Weltunion, eine der wichtigen Strömungen des Judentums, in einem Brandbrief an die zuständigen politischen Institutionen in Deutschland explizit die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin bei der Gestaltung der Zukunft des AGK. »In der gezielten Absprache der staatlichen Gremien mit dem Zentralrat sieht die Weltunion eine massive Verletzung der Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Angelegenheiten«, so Rabbiner Sergio Bergman, Präsident der Weltunion und Rabbinerin Lea Mühlstein, Vorsitzende des europäischen Zweigs der Weltunion.

Auch der liberale Flügel der Allgemeinen Rabbinerkonferenz protestiert gegen die »unzulässige« Einmischung des Zentralrats in die Gültigkeit der Rabbinerordination. »Mit seinen Bemühungen, eine neue Ausbildungsstätte unter seine Kontrolle zu bringen, macht sich erstmals weltweit eine Institution daran, die Autonomie der Rabbinerausbildung zu kompromittieren«, so die liberalen ARK-Rabbiner.

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist gemeinsam mit den uns unterstützenden internationalen Spitzenorganisationen des liberalen Judentums jederzeit bereit, Gespräche zu führen und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu diskutieren. Wir sind aber nicht bereit, die Existenz des unabhängigen und nur dem liberalen Judentum verpflichteten AGK in Frage zu stellen.

All diese Vorgänge zeigen jedoch, wie hilflos der Zentralrat im Umgang mit der Berliner Großgemeinde ist. Doch diese gehäuften Gängelungen durch den Zentralrat kann und wird die Jüdische Gemeinde zu Berlin nicht akzeptieren. Sie wird sich gegen das anhaltende Mobbing des Zentralrates mit allen ihr verfügbaren Mitteln wehren.

Schon jetzt sind zahlreiche, insbesondere kleinere, jüdischen Gemeinden mit dem Handeln des Zentralrates und der verkrusteten Ämterhäufung in seinen Strukturen nicht einverstanden. Die Wahl eines Berliner Gemeindemitglieds in das Zentralratspräsidium hat doch gerade deutlich gezeigt, dass eine Mehrheit der Delegierten im Direktorium des Zentralrats den eingeschlagenen Kurs und die wertvolle Arbeit der Berliner Gemeinde schätzt und unterstützt.

Die jüdische Gemeinschaft benötigt gerade jetzt einheitliche Stimmen, Zusammenhalt und Hoffnung, um zukünftig wieder gemeinsam Normalität zu schaffen. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin war und ist immer offen für Gespräche. Aber es war der Zentralrat, der vor Monaten einseitig den Gesprächsfaden aufgekündigt hat.

Der Zentralrat hat zwar jetzt versucht, die Stimme Berlins zum Schweigen zu bringen. Aber das Ergebnis wird sein, dass die Stimme der Berliner Gemeinde in Zukunft noch viel stärker zu hören sein wird – sowohl im Zentralrat als auch außerhalb des Zentralrats.

Liebe Gemeindemitglieder,
ich wünsche Ihnen ein fröhliches und friedvolles Pessachfest
im Kreise Ihrer Lieben! Chag pessach kascher vesameach!
Ihr Dr. Gideon Joffe

Grußwort des Gemeindevorsitzenden