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Großmeister von morgen

01.Februar 2010 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde, Jugend

Die Schachmannschaft u12 des TuS Makkabi Berlin ist zum ersten Mal Deutscher Meister geworden

Schach, eine langweilige Sportart? Dass dem nicht so ist, merkt man, sobald man sich mit den neuen deutschen Meistern in der Altersklasse »u12« (was soviel wie unter zwölf Jahren bedeutet) unterhält. Die Schachabteilung des einzigen jüdischen Sportvereins, TuS Makkabi Berlin e.V., hat das erste Mal in seiner Geschichte diesen Titel errungen. Stolz präsentieren uns die vier Spieler – Elina Lagunow (12), Philipp Lerch (12), Leonid Sawlin (10) und Raphael Lagunow (9) – und ihre (fast noch stolzeren) Trainer Grigori Gorodetski und Marcos Kiesekamp ihren Pokal. Im Dezember 2009 haben sie in Arendsee in Sachsen-Anhalt bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften den Titel »Deutscher Meister« geholt. Mit viel Disziplin, Konzentration und Teamgeist konnten sie sich unter 20 Mannschaften durchsetzen.

Doch wie kommt man zum Schachspielen? Die meisten Kinder hätten auch Eltern, die Schach spielen und die sie schon im frühen Kindesalter an das Spiel heranführten, so wie die beiden Geschwister Raphael und Elina Lagunow, deren Eltern beide – Vater wie Mutter – hochrangige Schachspieler waren, erklärt Gorodetzki. Raphael hätte mit drei Jahren begonnen, Elina mit sechs oder sieben, erzählen sie uns. Auch Leonid begann bereits mit vier Jahren, Philipp mit sechs. Und alle betonen, und das ist ihnen sehr wichtig: »Wir sind nicht dazu gezwungen worden und werden es auch heute nicht. Wir spielen gern Schach, weil wir Spaß daran haben.« Was das genau heißt, was genau ihnen am Schachspielen Spaß macht, das scheint schwierig zu erklären zu sein: »Es ist der Wettbewerb, besser zu sein als die anderen und den Titel zu gewinnen, der einen antreibt. Und die Reisen, die man unternehmen kann, wenn man gewonnen hat und zur nächsten Meisterschaft fährt, die reizen auch und geben Motivation«, sagt Leonid. Drei der vier Kids – Elina, Leonid und Raphael – haben Deutschland im letzten Jahr bei der Weltmeisterschaft im Einzel in der Türkei vertreten. Viel hätten sie in den vier Tagen von dem fremden Land, in dem sie zu Gast sein durften, nicht gesehen, gerade mal am Strand waren sie, erzählt Elina, aber spannend wäre es trotzdem gewesen. Außerdem habe sie eine Freundin gefunden, worüber sie sich sehr gefreut habe, schließlich seien ja meist nur wenige Mädchen dabei. (Tatsächlich ist nur ein Drittel der Schachspieler weiblich. Mathematisches Denken liegt wohl doch eher dem männlichen Geschlecht.) Und schmunzelnd fügt sie hinzu: »Schach ist auch nicht so gefährlich wie andere Sportarten, wo man sich leicht verletzen kann. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht auch noch anderweitig bewegen muss als Schachspieler…«.

v.l.n.r.: Grigori Gorodetski mit Leonid, Raphael, Philipp und Elina	Foto: S. Rosenthal

v.l.n.r.: Grigori Gorodetski mit Leonid, Raphael, Philipp und Elina Foto: S. Rosenthal

Auf die Frage, ob sie im Vorfeld zu solchen wichtigen Wettbewerben Lampenfieber hätten, kommen unterschiedliche Antworten. Je nach Persönlichkeit gehen die von einem ehrlich aufgeregten »Ja« bis zum coolen »Nein, wieso?«. Ist die Mischung das Geheimnis des Erfolges? Grigori Gorodetski, Cheftrainer der Mannschaft, sagt, der Teamgeist und die Teamfähigkeit seien besonders wichtig. Es gebe Spieler die seien hervorragend im Einzel, aber im Mannschaftsspielen wären sie nur halb so gut. Die vier der jetzigen U12-Mannschaft seien eine tolle Truppe und würden besonders zusammenhalten, das sei das Rezept. Man habe nichts von vier Superspielern, wenn die nicht zusammen spielen könnten. Der Cheftrainer muss es wissen. In Weißrussland geboren, kam Grigori Gorodetski 1992 mit 35 Jahren aus Lettland nach Deutschland. Nach vielen Jahren als aktiver Schachspieler, sowohl in Lettland als auch später in Berlin, begann Gorodetski, an der Jüdischen Schule, die seine Tochter damals besuchte, Schachunterricht zu geben. Da man aber nur an Wettkämpfen teilnehmen darf, wenn man einem Verein angehört, schloss er sich mit seinen Zöglingen dem Sportverein Makkabi an, der damals noch keine Schachabteilung hatte. Nun trainiert er die Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 20 Jahren und der Pokal markiert das Highlight seiner bisherigen Trainerkarriere. Komplett ehrenamtlich trainiert der hauptberufliche Betreuer der Turnhalle in der Oranienburger Straße die Kids zwei Mal wöchentlich in Räumen, die die Jüdische Gemeinde zur Verfügung stellt. Wie die meisten anderen Vereine sind auch die Makkabi-Spieler auf Spenden und finanzielle Unterstützung angewiesen, denn man muss sich nicht nur für die Wettkämpfe qualifizieren, sondern auch das Geld haben, zu den diversen Meisterschaften fahren oder fliegen zu können. Oftmals wird ein Teil der Reisekosten von dem Verband oder dem Verein getragen, aber der andere Teil muss selbst beigesteuert werden.

Aber das ist eine Investition, die sich nicht nur auf der Schachebene bezahlt macht. Das Schachspielen wirkt sich auch positiv auf das Lernen und Leben der Kinder aus, erklärt der Trainer. Es fördert das logische Denken, die Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit, Stresssituationen besser auszuhalten. Am Beispiel seiner Tochter (Gorodetski hat zwei Kinder, die »natürlich« ebenfalls begeistert Schach spielen) konnte er sehen, dass sich der Denksport auch positiv auf den Umgang mit Prüfungssituationen auswirkt, erzählt er. »Sie war zum Beispiel viel sicherer bei ihrer Abiprüfung als die anderen. Und das ist oft bei Schachspielern zu beobachten. Sie können eben besser unter Druck arbeiten, denn sie sind es durch das Schachspielen gewöhnt.«

Dass das so ist, beweist eine Studie der Universität Trier, in der herausgefunden wurde, dass ganz besonders Kinder im Alter zwischen sechs und zehn vom Schachspielen auch in der Schule profitieren. So wird es immer moderner, auch an den Schulen Schachunterricht anzubieten. In Russland wäre das früher schon so gewesen, erzählt Grischa Gorodetski, aber da sei Schach sowieso viel populärer. In Deutschland spiele man eben lieber Fußball. Aber die russischen Einwanderer haben die Liebe zu dem »königlichen Spiel« auch nach Deutschland und Israel gebracht. Nun erlebt die Kunst des Schachspielens einen Aufschwung.

Unsere Deutschen Mannschaftsmeister wollen diesen Aufschwung weiter mitprägen und sitzen nun schon wieder vor ihren Schachcomputern und trainieren Eröffnungen, Mittel- und Endspiel für die nächsten Wettkämpfe, denn auch beim Schach gilt: Übung macht den Meister!           

Nadine Bose