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»Gedenket des Geistes!«

01.Februar 2017 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde

Vor 115 Jahren, am 3. Februar 1902, wurde die Bibliothek der Jüdischen Gemeinde zu Berlin eröffnet

Am Montag, den 3. Februar 1902, öffnete in der Oranienburger Straße 60-63 die 1898 beschlossene Bibliothek der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, mit Lesesaal, Handbibliothek und 60 aktuellen jüdischen Zeitungen in verschiedenen Sprachen ihre Pforten. Sie folgte der ersten Berliner »Jüdischen Lesehalle«, die 1895 in der Burgstraße 16 zur »Selbstverteidigung« und »wahren Stärkung im Kampf gegen die andrängenden Feinde« eingerichtet worden war.
In der »Allgemeinen Zeitung des Judenthums« forderte Ludwig Geiger die Gemeindemitglieder sogleich mit einem glühenden Appell – »Gedenket des Geistes!« – auf, für weitere Ankäufe zu spenden, denn die jüdische Bibliothek sei kein »entbehrlicher Zierrat«, sondern »Notwendigkeit, als »Arsenal zum Verständnis der Vergangenheit« und »zur Ausrüstung für den Kampf um die Zukunft«.
Zu den ersten Spendern gehörten der berühmte Heinrich Graetz, der seine »Geschichte der Juden« beibrachte und Ottilie Franzos, die Witwe Karl Emil Franzos’, und später Simon Dubnow. Er schenkte der Bibliothek, die 1910 in den Neubau Oranienburger Straße 28 umgezogen war, seine zehnbändige »Weltgeschichte des jüdischen Volkes«. Sie, ihre bald entstehenden neun Zweigstellen und die Lesehalle in der Fasanenstraße 80 standen jüdischen wie nichtjüdischen Lesern offen; 1910 waren es bereits über 31 000 im Jahr und über 50 % der Titel waren »belehrungschaffend im Umlauf«, wie Oberbibliothekar Rabbiner Dr. Moritz Stern stolz berichten konnte. Stern war es auch, dem es gelang, unterstützt von einer Bibliothekskommission und einem wissenschaftlichen Beirat, im Laufe seiner 27jährigen Amtszeit den Bestand (von anfangs 5 000) auf nahezu 70 000 Bände zu vermehren.
Nach den Novemberpogromen 1938 musste die Bibliothek schließen, 1959 wurde sie in Berlin-West, 1977 in Berlin-Ost (bis 2003) wieder eröffnet. Sie ist bis heute bundesweit eine der wichtigsten Fachbibliotheken zum Thema Judentum, mit ihren zeithistorischen Dokumenten, ihren kostbaren Judaica und den »überlebenden« Büchern, die noch die alten Stempel tragen und an die früheren Ankäufer, Besitzer und Leser von Moritz Stern über Gershom Scholem bis Albert Einstein erinnern

»Gedenket des Geistes!«