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Gedanken zu Purim von Gemeinderabbiner Boris Ronis
01.März 2019 | Beiträge – jüdisches berlin | Feiertage
Es besteht der Brauch, sich zu Purim so zu betrinken, bis man zwischen ›Verflucht sei Haman‹ und ›Gesegnet sei Mordechai‹ nicht mehr unterscheiden kann. Doch wieviel Wein sollte man zu sich nehmen?
Die Gemara erzählt uns folgende Geschichte: Rabba und Rabbi Zeira feierten einst zusammen Purim. Sie tranken so viel, dass Rabba sich vor Rabbiner Zeira hinstellte und ihn erschlug. Am nächsten Tag, als Rabba nüchtern wurde und erkannte, was er getan hatte, bat er Gott, den Ewigen, um Gnade. Der Ewige erfüllte ihm seinen Wunsch: Rabbi Zeira erwachte wieder zum Leben. Im darauffolgenden Jahr sagte Rabba zu Rabbi Zeira: »Lass den Meister kommen und uns miteinander Purim feiern.« Doch Zeira entgegnete: »Wunder geschehen nicht jede Stunde, ich will diese Erfahrung nicht noch einmal machen« (Megilla 7b).
Ein »Schicker« zu sein, ist alles andere als eine Auszeichnung. Das Wort stammt aus dem Jiddischen und auf deutschen würde man sagen: ein Säufer. Und trotzdem haben wir an Purim laut Talmud die Aufgabe, uns ordentlich zu betrinken. Das ist eine der Mizwot, die wir an Purim zu erfüllen haben: Eine ausgiebige Mahlzeit einnehmen, mit viel Fleisch und Wein, in einer feierlichen und fröhlichen Atmosphäre.
In der ganzen Purimgeschichte spielt Wein eine wichtige Rolle. Waschti, die persische Königin, hat, weil sie nicht vor dem betrunkenen König und seinem Gefolge tanzen wollte, die Ereignisse der Geschichte eingeleitet. Ein Weingelage brachte ein jüdisches Mädchen in die Position einer Königin, denn Esther ersetzte die verstoßene Waschti.
Unsere Weisen lehren aber auch, dass im Wein viel Zores (Ärger) liegt. Um die Mizwa zu erfüllen, genügt es eigentlich, etwas mehr Wein als üblich zu trinken und sich dann schlafen zu legen. Denn auch wer schläft, kann nicht mehr unterscheiden zwischen Mordechai und Haman, Segen und Fluch. Menschen, die sich dessen bewusst sind, dass sie im Rausch Übles anstellen könnten, oder Angst haben, ihrer Gesundheit zu schaden, sollten auch zu Purim nicht viel trinken oder können es ganz lassen.
Doch warum bestehen einige wichtige Denker wie Maimonides, der Rambam, darauf, dass man trinken muss, bis man die rationale Selbstbeherrschung verliert und nichts mehr klar unterscheiden kann?
Eine Antwort könnte sein, dass wir uns oft gegen die Gebote Gottes gestellt haben – auch zu Zeiten der Purimgeschichte unter König Achaschverosch. Dort haben wir uns versündigt, indem wir durch das reichliche Gelage und den Wein unsere Herkunft vergaßen. Nach dem Rausch erkannten wir unsere Übertretungen, und die Umkehr zu Gott rettete uns vor der Vernichtung durch Haman.
Es stehen nicht unsere Taten, durch die wir von Gott errettet wurden, im Vordergrund, sondern Seine Barmherzigkeit, uns immer zurückkehren zu lassen und Seine Tore nie zu verschließen. Darum sagen unsere Weisen, dass wir im Überfluss essen und trinken sollen, um so unser Vertrauen Gott gegenüber zu bekräftigen. Im Zustand der Bewusstlosigkeit demonstrieren wir unsere Gläubigkeit: Gott wird uns nicht fallen lassen – ob wir klar sind im Kopf oder berauscht.
Denn auch das kann für uns eine wichtige Lektion von Purim sein: sich einfach mal zurückzulehnen und auszuruhen. Bekanntermaßen steht in jeder Generation ein Feind Israels gegen uns auf, der uns vernichten möchte. Das heißt, jede Generation muss um ihre Existenz fürchten, für ihr Wohl einstehen und kämpfen. Durch einen ausgiebigen Konsum von Wein zeigen wir, dass wir unseren Sieg über das Böse genießen können. Und wir beteuern, dass wir zuversichtlich in die Zukunft blicken, mit Gott dem Ewigen.
Purim Sameach!
jüdisches berlin
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