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Für den Moment Teil einer Mehrheit

30.Januar 2009 | Beiträge – jüdisches berlin | Politik

Eindrücke der amerikanischen Journalistin Toby Axelrod von der Pro-Israel-Demonstration im Januar in Berlin

Der Tag war bitterkalt, der Himmel blau. Neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche stritten sich junge Juden und Araber, gewickelt in israelische Fahnen beziehungsweise Kufija, bis die Polizei beschloss, der Gehweg müsse »für normale Fußgänger« geräumt werden. Nein, das war kein »normaler« Austausch im Anschluss an eine Berliner Pro-Israel-Kundgebung, die etwa 2000 Menschen angezogen hat. Und natürlich wurden hier keine Weltprobleme gelöst. Aber insgesamt bin ich ermutigt worden – von der Kundgebung, die friedlich und respektvoll abgelaufen ist, und von den emotionalen, aber auch relativ friedlichen Diskussionen am Rande.

Es hat zwei Wochen gedauert, für Avi Efroni, Sharon Adler und die Jüdische Gemeinde, die Solidaritätsaktion in Berlin zu organisieren. Bis sie stattfand, hatte es schon in vielen deutschen Städten, inklusive Berlin, massive und hasserfüllte Anti-Israel-Proteste gegegeben und hatten Demonstranten auch Zeichen getragen, die nach der Vernichtung Israels und »Juda verrecke« riefen. Beängstigend. 

Vom Beginn der israelischen Militäroperation in Gaza an war mein E-Mail-Posteingang ein Mikrokosmos des Nahostkonflikts, wie er sich hier in Deutschland widerspiegelt. Jüdische und nichtjüdische Unterstützer Israels schlossen sich mit Aktivisten zusammen, die zum Beispiel gegen Irans Atomprogramm kämpfen. Unbeugsame Kritiker Israels setzten erzürnte Kommentare in Umlauf. Dazwischen diejenigen, die ihre Verwirrung bekannten.

 

 

 

Israel-Solidaritätskundgebung auf dem Breitscheidplatz am 11.Januar 2009    Foto: Judith KesslerIsrael-Solidaritätskundgebung auf dem Breitscheidplatz am 11.Januar 2009    Foto: Judith KesslerIsrael-Solidaritätskundgebung auf dem Breitscheidplatz am 11.Januar 2009    Foto: Judith KesslerIsrael-Solidaritätskundgebung auf dem Breitscheidplatz am 11.Januar 2009    Foto: Judith KesslerIsrael-Solidaritätskundgebung auf dem Breitscheidplatz am 11.Januar 2009    Foto: Judith Kessler

Am Ende widerspiegelte die Demonstration eine Versammlung der Vielfalt. Es war mir nicht so wichtig, dass weniger Leute erschienen waren als bei den Anti-Israel-Demonstrationen, sondern dass die Atmosphäre friedlich und ernsthaft war und dass viele Juden und auch manche Christen und Muslime sich für Israels Recht zur Selbstverteidigung einsetzten.

Die Versammlung begann mit einer Schweigeminute für alle Opfer auf allen Seiten. Als Lala Süsskind sprach, schwenkten viele in der dichten Menge ihre Israel-Fahnen, jubelten, als die Sprecher betonten, dass Israel sich verteidigen müsse und buhten, als einer sagte, dass Israel diesen Krieg »moralisch« nicht gewinnen könne. Die meisten akzeptierten das nicht, für sie war klar, dass die Hamas sich hinter Kindern versteckt. Nötig wäre hingegen, zitierte Süsskind Golda Meir, dass sie ihre eigenen Kinder mehr liebten als sie die Israelis hassten.

Einige Individualisten hatten eigene Plakate angefertigt: »Muslime, Juden und Christen gegen die Islamisten!«,  »Israel hat das Recht, sich zu verteidigen.« Alexandra Fallenstein, ein nichtjüdischer Israel-Fan, hatte ihren Dackel Lotte mit einer Israel-Fahne geschmückt. Es war kalt. Die Gesichter waren rot gefroren. Einige Studenten tanzten zusammen mit Rabbiner Yitzhak Ehrenberg eine Hora. Es schien, als ob die Menge nicht wirklich nach Hause gehen wollte – lieber zusammen bleiben, sich für einen Moment als Teil einer »Mehrheit« fühlen. Aber das Wetter gewann irgendwann. Die Plakate – »Freiheit für Gilad Schalit«, »Iran finanziert Hamas« – wurden abgelegt.

Noch nicht fertig waren aber die jungen Juden und Araber, die am Rand der Demo argumentierten. Ein Mann schrie den Arabern zu: »Ihr seid alles Nazis.« Ein Araber rief zurück: »Es darf keine Israelis geben. Sie müssen raus aus Palästina, zu 100 Prozent.«

Der 18-jährige David Nudelmann versuchte Israel zu verteidigen. »Ich glaube nicht, dass sie wirklich zugehört haben«, sagte er später. »Und sie verdrehen alles.« Einer verglich die »Mauer in Gaza« mit der »Mauer, die Hitler in Ostdeutschland gebaut hat«, erzählte er, noch immer erstaunt. Aber: »Man darf nicht aufhören zu reden, sich nicht entmutigen lassen. Wenn eine Person in dieser Gruppe etwas verstanden hat, dann war es das wert.« Das »Anti Konflikt Team« wartete, bis die Nachzügler alle weg waren. »Angesichts der festgefrorenen Fronten war ich beeindruckt«, kommentierte der Polizist Christian Quick, »dass es so gut geendet ist.«