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»Frieden ist zuallererst eine Frage des Vertrauens«
01.Dezember 2011 | Beiträge – jüdisches berlin | Politik, Menschen, Israel
Ex-Generäle aus Israel und Jordanien zu Gast bei der Jüdischen Volkshochschule Berlin
Es war ein Abend, der große Sehnsucht weckte nach den 1990er Jahren – einer Zeit, als der »Friedensprozess« zwischen Israelis und Arabern mehr war als nur ein Wort. Die Jüdische Volkshochschule Berlin hatte zwei Architekten des israelisch-jordanischen Friedenvertrages von 1994, die ehemaligen Generäle Mansour Abu Rashid (Jordanien) und Baruch Spiegel (Israel), in die Räume der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin-Tiergarten eingeladen. Die mittlerweile pensionierten Militärs, die sich gegenseitig immer noch mit »General« ansprechen, berichteten dem zahlreich erschienenen Publikum am 1. November, wie aus Feinden Freunde wurden – ein hochinteressantes Gespräch und ein Lichtblick in einer Zeit, in der sich der Nahe Osten rasant wandelt und stabiler Frieden ungewisser scheint denn je.
»Meine Frau konnte die ganze Nacht nicht schlafen vor Angst. Aber am Morgen sagte sie: Gott sei mit dir!« Bis heute erinnert sich Mansour Abu Rashid an die große Spannung vor seiner ersten Begegnung mit dem israelischen General im Jahr 1992. Nicht nur Abu Rashids Frau, auch er selbst – ein Vater von sieben Kindern – war aufgeregt: »Wie kann ich nur diesen Mann treffen?«, fragte sich der Jordanier. In mehreren Nahost-Kriegen hatte er gegen die Israelis gekämpft, zweimal war er verwundet worden.
Doch als sich die beiden Generäle am nächsten Tag begegneten, mitten auf einer Brücke über einen Seitenarm des Jordan-Flusses, verflog die Spannung sofort. »In der ersten Sekunde, als ich Baruch die Hand schüttelte, war meine Angst weg«, sagt Abu Rashid. »Den Beginn einer wunderbaren Freundschaft« nannte Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift »Auswärtige Politik«, diesen Augenblick – sie moderierte das Gespräch in englischer Sprache.
Dem Handschlag der beiden Militärs war ein Geheimtreffen zwischen dem israelischen Regierungschef Yitzchak Rabin und dem jordanischen König Hussein 1992 in Washington vorausgegangen. Das Vertrauen zwischen den beiden Führern war die Vorausetzung für die Gespräche der Generäle, die in geheimen Gesprächen den Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien vorbereiten sollten.
Doch zunächst musste auch zwischen beiden Militärs eine tragfähige Beziehung hergestellt werden, wie Baruch Spiegel sich erinnert: »Das Wichtigste war es, Vertrauen aufzubauen und glaubwürdig zu sein. Das war unsere größte Errungenschaft.« Spiegel, der 1948 als Sohn galizischer Schoa-Überlebender in einem Flüchtlingslager in Italien zu Welt kam, in allen Nahost-Kriegen seit 1967 kämpfte, 1982 durch ein Geschoss der Hisbollah schwer verletzt wurde und im Libanon als Kommandeur der Zahal-Eliteeinheit Golani fungierte, war überrascht, als der israelische Ministerpräsident ihn 1992 zum Verhandlungsführer mit den Jordaniern bestimmte. »Das wird das erste Mal für mich sein, dass ich aufhöre zu schießen und anfange zu reden«, habe er Rabin gesagt. Und Rabin hätte erwidert: »Genau deswegen gebe ich dir diesen Job.«
Genaue Anweisungen erhielt Spiegel von seinem Ministerpräsidenten nicht; er musste von Anfang an improvisieren. Zuerst hängte er sich an die Verhandlungsteams der israelischen und jordanischen Spezialisten, die unter UN-Vermittlung über die Zuteilung von Wassermengen aus dem Jarmuk-Fluss an beide Länder verhandelten. Dann bat er einen UN-Offizier, ihm einen Kontakt mit dem jordanischen General zu vermitteln. In detailreichen und schwierigen Verhandlungen räumten Spiegel und Abu Rashid dann zahlreiche Hindernisse aus dem Weg. Sie einigten sich unter anderem über den Status von Naharayim, eines Landstreifens, der seit 1948 von einem israelischen Kibbuz landwirtschaftlich genutzt wird, de facto jedoch weiterhin zu Jordanien gehört – ein Beweis dafür, dass es kreative Kompromisse über Land geben kann. Und sie erreichten, dass die Grenze dichter wurde – aber auch, dass die israelische Armee nach dem ersten Golfkrieg nicht mehr auf vermeintliche »Infiltratoren« schoss, die in Wirklichkeit Flüchtlinge aus dem Irak waren.
Schließlich wurde 1994 der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien feierlich besiegelt. Auch persönlich kamen sich die beiden Militärs näher: Bis heute besuchen sie sich gegenseitig in ihren Häusern und gehen gemeinsam »auf Tour«, um für den Friedensprozess in der Region zu werben. Mansour betreibt in Jordanien ein kleines Friedenszentrum, Spiegel berät eine Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit. »Wir wollen den Menschen und speziell der Jüdischen Gemeinde in Berlin zeigen, dass die Beziehungen zwischen der israelischen und der jordanischen Zivilgesellschaft gut sind, trotz der Anti-Normalisierungs-Bewegung«, sagte Abu Rashid.
Beide Generäle versuchten, möglichst viele Hoffnungsschimmer aufzuzeigen; ein Vertreter der jordanischen Botschaft bedankte sich dafür sogar bei Abu Rashid. Spiegel sagte, möglicherweise könnten die demokratischen Umwälzungen im Nahen Osten auch zu positiven Veränderungen führen – trotz der Wahlsiege von Islamisten zuletzt in Tunesien und wahrscheinlich demnächst auch in Ägypten. Abu Rashid betonte allerdings, die jordanisch-israelischen Beziehungen seien seit dem zweiten Regierungsantritt von Benjamin Netanjahu leicht abgekühlt. »Der israelisch-palästinensische Konflikt ist die Kernfrage für die ganze Region. Wenn diese Frage gelöst wird, wird sich der gesamte Nahe Osten stabilisieren«, so der Jordanier.
Beide Ex-Generäle sprachen sich für einen demilitarisierten Palästinenserstaat und Sicherheitsarrangements im Jordantal aus. Doch während Abu Rashid die Anwesenheit von mittlerweile 300 000 jüdischen Siedlern im Westjordanland kritisierte und die jüngst erfolgte Aufnahme Palästinas in die UNESCO als »Fortschritt« für die Palästinenser wertete, erklärte Spiegel, einseitige Schritte der palästinensischen Seite seien nicht hilfreich.
Von seiner eigenen Regierung forderte der Israeli eine Neubesinnung. Die Situation im Nahen Osten ändere sich dramatisch; Israel müsse sich dazu durchringen, in Verhandlungen auf die Palästinenser zuzugehen. Die »rechtsgerichtete Regierung« solle angesichts der geopolitischen Situation ihre Position überdenken, so Spiegel. Allerdings seien die Bedingungen dafür schwierig. Denn im Gegensatz zu dem einzigartigen Vertrauensverhältnis, das zwischen Rabin und König Hussein geherrscht habe, hätten der israelische Regierungschef Netanjahu und der palästinensische Präsident Machmud Abbas überhaupt keinen Draht zueinander. »Die Glaubwürdigkeit des Einen in den Augen des Anderen tendiert gegen Null«, beklagte der israelische General a.D.
Ayala Goldmann
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