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Frauenfrühling im Netz
01.November 2008 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur
Sharon Adler betreibt mit »Aviva Berlin« seit fast neun Jahren ein erfolgreiches Online-Magazin für Frauen.
Gar nicht so leicht, einen Termin mit ihr zu bekommen. Sharon Adler scheint hyperaktiv und ein Workaholic zu sein. Falls es vom letzteren auch eine politisch korrekte weibliche Form gibt, dann weiß sie es sicher. Denn seit bald neun Jahren betreibt die zierliche Mittvierzigerin »Aviva Berlin«, ein Internet-Frauenmagazin mit jüdischem Einschlag (auch wenn sie das nicht explizit so benennt). Doch sogar der Name des »Kindes« ist hebräisch. »Als ich anfing, wollte ich ja was Neues machen und ›Aviva‹ hat mir gefallen – es ist ein Palindrom und ›Frühling‹, das klingt positiv und nach Aufbruch. Und ein ›A‹ am Anfang war auch allein schon wegen der Googlerei gut…« Aber selbst wenn das Alphabet bei Z anfinge, würde man beim Suchen nach einer aktuellen Frauenseite im deutschen Internet an »Aviva« inzwischen schwerlich vorbeikommen. Die Seite hat sich durchgesetzt und wo »Online Magazin für Frauen« drauf steht, ist auch tatsächlich Frau drin. Nicht nur im übertragenen Sinne. In der Redaktion, einer großen Altbauwohnung in Kreuzberg (Göttin sei Dank nicht schon wieder Schicki-Micki-Mitte) ist von Chefin Sharon über Sarah, Silvy, Ilka, Steffi, Jennifer, Yvonne (Redakteurinnen) und Mara (Tochter, 13) bis hin zu Zipi (Kanarienvogel) und Sita (Katze) alles Frau.
»Aviva« hat einen festen freien Stamm von sechs Redakteurinnen, dazu Praktikantinnen und etliche Autorinnen, die mehr oder weniger kontinuierlich schreiben, oft auch ohne Honorar. »Ohne die Ehrenamtlichen ginge das gar nicht«, sagt die Allrounderin Adler, die als Chefredakteurin, Ansprechpartnerin und Geschäftsführerin zugleich firmiert. Das Magazin bekommt keinerlei Förderung, finanziert sich allein durch Werbung und indem die gelernte Fotografin Sharon Adler auch weiterhin vor allem mit Event-Fotografie »Brötchen« dazu verdient oder auch mal einen Bildband wie »Frauen und ihre Autos« bestückt. Was für ein Auto fährt sie eigentlich? »Einen ollen giftgrünen Opel Corsa« (wie gesagt, reich wird frau mit Internetmagazinen nicht). Und Urlaub hat die Berlinerin auch schon seit Jahren nicht gemacht, er scheint ihr aber auch nicht wirklich zu fehlen. »Ich brauche die Herausforderung«, sagt sie und träumt davon, »Aviva« auch noch »crossmedial« als Print-, Radio- und TV-Version herauszubringen.
Adler und ihr Team stellen Musik-CDs, Musikerinnen und Konzerte vor, besprechen Filme und Bücher, auch und vor allem solche, die nicht auf jeder »Spiegel Bestseller«-Liste stehen. Es gibt reichlich Fortbildungsangebote für Frauen auf den Seiten und einen »gender-sensitiven« Veranstaltungskalender. »Aviva« hat natürlich alles zu bieten, was andere auch haben – ¬E-Cards, Marktplatz, Newsletter und allerlei Spielereien wie ein animiertes hebräisches Alefbet. Darüberhinaus ist es den Macherinnen jedoch gelungen, dauerhaft ein (täglich aktualisiertes) kompetentes und an keiner Stelle banales Magazin mit Themen für Frauen zu installieren – eines eben, das ohne Paris Hilton, Swarowski-Glimmer und Schminktipps auskommt. Stattdessen gibt es alles von der Unternehmerin des Jahres über die Frauenfußball-WM bis zum »Brustkrebs-Monat« und der Beckenbodenübung – und eben die Rubrik »Jüdisches Leben«: ein langes Interview mit der Komponistin Ursula Mamlock, ein Porträt der Kadima-Chefin Tzipi Livni, ein Artikel über die israelische Frauenorganisation MachsomWatch oder einer über die UN-Botschafterin Gabrielle Shalev.
Und was meint Adler nun nach all den Jahren Erfahrung mit einem Frauenmagazin? Ticken Frauen anders? Oder sind sie gar die besseren Menschen? »Ich weiß ja nicht, wie Männer ticken«, sagt sie lachend. »Männer sind einfacher gestrickt, soviel ist klar. Und Frauen lieben zum Beispiel auch Autos und brauchen sie nicht nur zum Kinder kutschieren. Aber ich denke schon, dass mehr Frauen in verantwortungsvolleren Positionen und in der Politik der Welt einige Kriege ersparen würden.«
An der Verbreitung eines »weiblichen Blicks« und einer adäquateren Positionierung von Frauen in der Gesellschaft hat die Internetseite ihren guten Anteil. Und die Frauen – nach Adlers Erfahrung ist die durchschnittliche »Aviva«-Leserin politisch-kulturell interessiert und zwischen 25 und 55 Jahre alt – danken es den Macherinnen. Eine ganze Reihe von »Userinnen« haben sich auf den »Aviva«-Seiten verewigt, wo sich die Geburtstagsglückwünsche zu jedem einzelnen »Aviva«-Jahr abrufen lassen: »A great platform to open the window to the flowers of Jewish and Israeli culture« (Nava Semel), »gelungene Mischung aus Sachverstand, Witz und Liebe zum Detail« (Lisette Buchholz), »clever, charmant, tapfer und auf ›Zack‹ (Katja Kullmann), »die schnellste Frauen-Zeitschrift der Welt« (Maybritt Illner), »wohltuende Oase« (Marion Hölczl), »polyphon, polyvalent, polymorph« (Pieke Biermann), »meschugge, präzise, bunt, elegant, frech« (Holly-Jane Rahlens)… Bei so viel Lob aus allen Ecken der (Frauen)Welt sparen wir uns weitere Hudelei und empfehlen (übrigens auch Männern): Selber klicken – auf: www.aviva-berlin.de! Judith Kessler
jüdisches berlin
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