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Fenster in viel(e) Kindheit(en)

01.Oktober 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Kultur, Israel

Der Berliner Fotograf Stephan Pramme und Kinder aus SOS-Kinder­dörfern in Israel haben ihren Alltag abgelichtet

SOS-Kinderdörfer gibt es in über 130 Ländern. Insgesamt leben, finanziert durch Spenden, 78.000 elternlose Kinder von Bolivien bis Tibet in SOS-Kinderdörfern und -Jugendbetreuungsprogrammen, bis sie ihr Leben selbst meistern können. Die Fotoausstellung »Kindheit in Israel« will nun auf die wenig bekannten SOS-Einrichtungen in Israel aufmerksam machen. Denn auch hier gibt es zwei SOS-Kinderdörfer – »Neradim« bei Arad im Süden und »Megadim« in Migdal Haemek im Norden – sowie mehrere SOS-Daycamps in den Nachbargemeinden, wie in dem Beduinendorf Kaabiya. Kuratorin Kirstin zu Hohenlohe hatte die Idee, die israelischen Kinder ihre Welt selber vorstellen und sie nicht Objekte, sondern Akteure des Projekts sein zu lassen. Sie wurden mit Einwegkameras ausgerüstet und konnten »knipsen«, was sie wollten, was sie umgibt, was sie bewegt, was sie mögen. Begleitet hat sie der Berliner Fotograf Stephan Pramme, der seinerseits Bilder von den kleinen Fotografen gemacht hat (siehe auch unser Titelbild).

Porträts von Stephan PrammeKinderbilderFenster in viel(e) Kindheit(en) - 2Fenster in viel(e) Kindheit(en) - 3

Herausgekommen ist eine Dokumentation, die vor allem durch den Kontrast der Fotos berührt. Die Kinder lichteten ab – ein bißchen unscharf, verwackelt, schief – was andere Kinder vielleicht auch fotografieren würden: sich selbst, die Freundin, eine Landschaft, ihr Zimmer, die Geburtstagstorte oder ihr wichtigstes Besitztum: hier das Kuscheltier, da ein Fahrrad (zugleich das Lieblingsbild von Regisseur Dani Levy, der das Vorwort zum Katalog verfasst hat). Der Profifotograf wiederum erfasste mit seinen Porträts – sehr liebe- und respektvoll – oft gewissermaßen das ganz Kinderuniversum: einen Jungen mit den Fanartikeln seiner Fußballmannschaft, ein verträumtes kleines Mädchen in seiner Kuschelnische, die Schülerin im Teenager-Ambiente, einen traurigen Jungen in Uniform… Ungeschönt, natürlich.

Matti Rose, der Dorfleiter von Neradim, freut sich über die Aufmerksamkeit für seine Sprösslinge und berichtet bei der Ausstellungseröffnung über sein Dorf und das Tageszentrum: In Neradim, das schon seit 1981 existiert, leben 120 Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 24 Jahren – Kinder aus jüdischen, arabischen und christlichen Familien (»die Herkunft ist aber kein Thema unter den Kids«, so Rosen), aus Familien, in denen Gewalt, Armut, Alkohol und Vernachlässigung an der Tagesordnung waren. Viele der Kinder wurden verlassen oder herumgeschubst und sind schwer traumatisiert nach Neradim gekommen. Matti (44), selbst Vater von fünf Kindern (eines davon haben er und seine Frau aus dem SOS-Dorf adoptiert, heute ist der Junge bereits erwachsen), weiß, dass die Kinder teilweise Jahre brauchen, um Vertrauen aufzubauen. Das Dorf-Konzept hilft ihnen dabei, es ist überall gleich: Jedes Kind hat eine SOS-Kinderdorf-Mutter und Mädchen und Jungen verschiedenen Alters als »Geschwister«, mit denen es in einer Familie und in einem Haus zusammen lebt. Jedes Dorf hat bis zu 15 solcher Häuser und wird von einem Dorfleiter geleitet, hier eben Matti, dem seine SOS-Tagesstätte für Beduinenkinder genauso am Herzen liegt wie »sein« Dorf. Hier erhalten die Kinder ein warmes Mittagessen, Nachhilfeunterricht und Freizeitangebote. Über ihren Alltag geben ihre eigenen Fotos am besten Auskunft.

Der israelische Gesandte Emmanuel Nahshon sagte bei der Eröffnung der Ausstellung im Berliner Büro der SOS-Kinderdörfer: »Als ich selbst Vater geworden bin, habe ich gelernt, Verantwortung als Geschenk zu sehen«. Und genau das sei es, was die SOS-Kinderdörfer täten – sie lehrten die Kinder ­lachen und »für diese zutiefst menschliche Arbeit danke ich Ihnen sehr«. Davon, dass die Fotos der Jugendlichen und des Berliner Fotografen, »uns ein Fenster in die Kindheit und zu den Kindern« öffnen, wie Nachshon es formulierte, davon kann sich jeder selbst überzeugen.           

JK


_»Kindheit in Israel«: bis 31.10.12, Gierkezeile 38, 10585 Berlin-Charlottenburg, Mo–Fr 10–17 Uhr. Eintritt: frei

Infos: www.sos-kinderdoerfer.de

Spenden: SOS-Kinderdörfer weltweit

Konto: 22222 00000, BLZ 430 609 67