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»Es ist nicht gut, etwas besonderes zu sein«

01.Dezember 2011 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde

Heinz-Galinski-Preis 2011 für W. Michael Blumenthal

Der Wirtschaftsprofessor, Politiker und Direktor des Jüdischen Museum Berlin, W. Michael Blumenthal (85), ist am 27. Oktober im Centrum Judaicum für seine Museumsarbeit und sein Engagement für Minderheiten mit dem diesjährigen Heinz-Galinski-Preis geehrt worden. Michael Joachim, Vorstandsvorsitzender der Galinski-Stiftung erinnerte an den Namensgeber Heinz Galinski sel.A. – in Michael Blumenthal habe man einen würdigen Preisträger gefunden, der sich in Galinskis Sinne für Verständigung und Toleranz engagiere. Die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind ergänzte, Blumenthal habe das Jüdische Museum zu einem Ort der Begegnung gemacht, der in die Zukunft weise, und: »als 1000-prozentige Berlinerin bin ich sehr stolz darauf, dass es in Berlin steht« und dass er den höchsten Preis, den die Gemeinde zu vergeben hat, angenommen habe.

Martin Salm, Vorstandsvorsitzender der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« hielt seine Laudatio auf den »kreativen und mächtigen Direktor«, den »Analysten, Manager und Wirtschaftsführer«, der »die Welt verändern will«. Es sei ein »Glück für diese Stadt und ein Privileg für dieses Land«, dass Blumenthal die Herausforderung angenommen habe, aus dem Jüdischen Museum ein eigenständiges Museum zu machen – eines der erfolgreichsten der neuen Hauptstadt, eines, das »2000 Jahre Geschichte des Judentums in Deutschland« zeige, und so »ein jüdisches Museum als Museum deutscher Geschichte« sei.

Vor dem Porträt Heinz Galinskis: W. Michael Blumenthal bei seiner Danksagung. Foto: Helga Simon

Vor dem Porträt Heinz Galinskis: W. Michael Blumenthal bei seiner Danksagung. Foto: Helga Simon

Salm ließ die Biografie Blumenthals Revue passieren: 1926 in Oranienburg geboren, emigriert er als Zwölfjähriger mit den Eltern nach Shanghai. Die Erfahrungen im Exil machen ihn sensibel für die Lage anderer Minderheiten, so Salm. 1947 in den USA angekommen, verdingt er sich als Liftboy, Tellerwäscher und Lockvogel in Spielcasinos. Er schafft es an die Uni nach Princeton, kommt 1954 erstmals widerstrebend wieder nach Deutschland, gelangt bald in Kennedys Beraterteam und ist Finanzminister unter Präsident Carter. Als sein Vater 1990 stirbt, beginnt er, sich mit seiner Familiengeschichte und der jüdischen Geschichte im Allgemeinen zu befassen. Sein drittes Leben mit Deutschland beginnt… – »Ich habe die Verbindung zu meinem Geburtsland wieder hergestellt«.

Michael Blumenthal zeigte sich »überwältigt von der Ehre, in einer Reihe mit Preisträgern wie Richard von Weizsäcker und Ernst Cramer zu stehen«. In seiner Dankesrede reflektierte er über Heinz Galinski: »Er war ein außergewöhnlicher Mann mit enormer innerer Stärke und einer klaren Idee davon, wie er sich jüdisches Leben von Traumatisierten in einem traumatisierten Land vorstellt und wie er die Interessen dieser kleinen Gruppe stärken kann. Galinski muss der richtige Mann, am richtigen Platz für diese Zeit gewesen sein, sonst hätte er nicht geschafft, was er geschafft hat.« Heute sei die Situation eine gänzlich andere. »Was würde er heute sagen, Frau Galinski?«, sprach er Ruth Galinski, die Witwe des Gemeinde- und Zentralratsvorsitzenden, direkt an, und antwortete selbst: »Er würde sich wundern«. Das Überleben sei keine Frage mehr, die Diversität und Liberalität der jüdischen Gesellschaft sei gewachsen, dafür müssten Zuwanderer wieder zu Juden gemacht und integriert werden. Vor allem ist die »Zeit gekommen, in der Juden nicht mehr nur als Opfer gesehen und mit Samthandschuhen angefasst werden sollten und sich Juden auch selbst nicht mehr als Opfer sehen sollten, sondern als normale Mitbürger, als eine Minderheit unter vielen, und bei weitem nicht die größte, und vielleicht auch nicht die wichtigste«.

Juden, so der Museumsmann, sollten sich für die friedliche Integration aller Minderheiten einsetzen. Der Kampf gegen den Antisemitismus sei leider immer noch Thema, aber »ich glaube, auf die Dauer ist es nicht gut, etwas Besonderes zu sein…«. Gemeinsamer Nenner der Bürger eines Landes müsse die Staatsbürgerschaft sein. Dieser Gedanke findet sich auch im Konzept für das Jüdische Museum wieder: »Wir wollten zeigen, dass Juden normale Menschen sind, die wie meine Vorfahren schon Jahrhunderte hier gelebt hatten, bevor sie vertrieben wurden«. Und dass »wir eine allgemeine sozialpolitische Verantwortung als Bürger haben und uns deswegen nicht nur mit Juden, sondern mit den Problemen des Landes befassen sollten, in dem wir leben« – so, wie die neue Akademie des Jüdischen Museums es versuche.

Sein Preisgeld in Höhe von 5000 Euro stiftete Michael Blumenthal für die Bildungsarbeit von Gemeinderabbinerin Gesa Ederberg.

Judith Kessler