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Eine Schule für das ganze Berlin
01.Februar 2012 | Beiträge – jüdisches berlin | Gemeinde
Am 12. März feiert die Jüdische Volkshochschule ihren 50. Geburtstag. Der zweite Teil unserer Serie über die Bildungseinrichtung befasst sich mit ihren erweiterten Aufgaben nach dem Beginn der Zuwanderung aus den GUS-Staaten und erinnert an die Zeit der Wiedervereinigung
Als Ungarn am 2. Mai 1989 damit beginnt, seine westlichen Grenzanlagen abzubauen, ahnt hier in Berlin niemand, welche Veränderungen der Stadt und unserer Gemeinde in den kommenden Monaten bevorstehen werden.
Auch in der Jüdischen Volkshochschule, in der gerade das 2. Trimester beginnt, herrscht zu diesem Zeitpunkt professionelle Routine. Im Mittelpunkt des neuen Lehrplans steht eine Vortragsreihe zum 75-jährigen Bestehen des Jüdischen Krankenhauses. Die Besucherzahlen sind gut und auch die anderen Kurse werden rege genutzt.
Der Mauerfall am 9. November verändert alles. Die Bewohner aus dem Ostteil stürmen nicht nur die Kaufhäuser und Supermärkte im Westen der Stadt. Auch das Interesse an Bildung und Kultur ist enorm und die Bürger aus der DDR nutzen ihre neuen Möglichkeiten – die Volkshochschule in der Fasanenstraße wird für sie zu einer festen Anlaufstelle. Deren Verantwortliche reagieren schnell auf den einsetzenden Boom und intensivieren die Öffentlichkeitsarbeit. Im Sommer 1990 zieht der ehemalige Schulleiter Gad Beck in einem Zeitungsartikel Resümee: »Konfirmanden mit ihren Pfarrern, Jungbauern aus Mecklenburg, Kirchengruppen aus Pommern betraten erstmalig in ihrem Leben das Gemeindezentrum und in einigen Fällen waren es die ersten Begegnungen mit einem Juden überhaupt.«
Damit nicht genug. Die Volkshochschule – seit 1988 geleitet von Nicola Galliner, den späteren Gründerin und Leiterin des Jewish Film Festival Berlin – übernimmt zu dieser Zeit eine weitere zentrale Aufgabe – diesmal innerhalb der Gemeinde. Viele der neuen Mitglieder, die Anfang der neunziger Jahre aus den GUS-Staaten nach Berlin kommen, lernen hier die deutsche Sprache. Zwar bietet die Einrichtung bereits seit Anfang 1981 solche Förderkurse an, doch dieses Angebot reicht bei weitem nicht aus, um der großen Nachfrage gerecht zu werden.
Die Deutschlehrerin Galina »Gala« Grodynskaya, selbst Ende 1990 als sogenannter Kontingentflüchtling nach Berlin gekommen, erinnert sich: »Die Nachfrage nach Deutsch- und Integrationskursen war riesig. Zeitweilig unterrichteten fünf Deutschlehrer parallel und die Klassen waren mit jeweils 30 Schülern immer voll belegt. Ich selbst war erst einen Monat in Deutschland und arbeitete sofort Vollzeit. Zum Unterricht kamen alte wie junge Erwachsene gleichermaßen und manchmal brachten die wiederum ihre kleinen Kinder mit. Die Arbeit war anstrengend hat aber immer großen Spaß gemacht. Auch wenn meine Schüler oft meinten ich sei sehr streng, weil ich mit ihnen nur Deutsch sprechen wollte.«
Es bleibt nicht beim reinen Unterrichten. Oft benötigen die Schüler Hilfe in ganz alltäglichen Dingen, wie dem Ausfüllen von Formularen. Für die damals gerade 28-jährige eine Selbstverständlichkeit. 1995 erreicht der Ansturm auf die Kurse seinen Höhepunkt. Bis heute sind die Deutschkurse gut besucht und Klassengrößen von 23 Schülern keine Seltenheit (inzwischen lernen hier auch viel Israelis Deutsch).
Neben den Deutsch- und Hebräisch-Sprachkursen stehen auch in den neunziger Jahren jede Menge außergewöhnlicher Kultur- und Politikveranstaltungen auf den Lehrplänen. Deren Erfolg spiegelt sich auch in der Liste ihrer Dozenten wieder. Nicola Galliner gelingt es unter den alle vier Jahre wechselnden Kulturdezernenten und mit schmalem Etat, Persönlichkeiten wie Simon Wiesenthal, Amos Oz, Jurek Becker, Ralph Giordano oder Leo Trepp zu gewinnen, die das ihnen gebotene Forum für Vorträge und Lesungen verschiedenster Art nutzen.
Viel hat sich seit den neunziger Jahren verändert. Lehrerin Grodynskaya, inzwischen selbst seit über zwanzig Jahren im Haus fasst es so zusammen: »Damals wurde viel für das russischsprachige Publikum getan, doch nach 22 Jahren Integration ist es vielleicht nur gerecht, dass deutschsprachige Veranstaltungen wieder im Vordergrund stehen.«
Daniel Hartung
jüdisches berlin
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